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Interview Alfred Raddatz

 

„Schön fürs Auge, schwer fürs Radeln“

Alfred Raddatz hat sich nach einer berufspraktischen Ausbildung in einer norddeutschen Stadtbibliothek auf Musikwissenschaft spezialisiert und dafür im Master an der JLU studiert. Im Interview mit Max Schäfer berichtet er von seiner Gießener Zeit – mit ihren ganz eigenen Herausforderungen.

Fangen wir an. Ich habe so eine Art Entweder-Oder, so ein paar Sekt-oder-Selters-Fragen. Beethoven oder Mozart?

Mozart, weil verspielter, und ernst ist ernste Musik sowieso.

Beatles oder die Stones?

Stones, weil biografisch begründet. Ich war auf einem Stones-Konzert als erstes Livekonzert meines Lebens.

Kraftwerk oder Daft Punk?

Das ist schwierig. Daft Punk, weil Kraftwerk so gemein zu Afrika Bambaataa waren.

Streaming oder Vinyl?

Was passiert, wenn ich nichts sage? Geht dann beides in Flammen auf und die CD kommt zurück? (Lacht schelmisch.) Nee, Streaming UND Vinyl.

Du hast Musikwissenschaft im Master studiert. Warum Musikwissenschaft? Warum nicht was „Vernünftiges“, sag ich mal. Warum nicht BWL oder Lehramt?

Weil ich wusste, dass ich im Kulturbereich arbeiten möchte. Es war mir schon am Anfang des Studiums klar, dass ich etwas mit Kultur machen wollte. Und da ich eine Ausbildung als Bibliotheksangestellter hinter mir hatte, wusste ich, ich möchte etwas im öffentlichen Kulturbereich machen. Das habe ich dann auch geschafft durch die Musikwissenschaft – sowie über meine Leidenschaft für Lernen und Wissen. Ich finde, Musik ist etwas, das die Qualität von menschlichen Zusammentreffen erhöht. Musik ist auch dazu da, Trauer zu verarbeiten oder Wut anzuzetteln, aber im Grunde genommen ist Musik immer etwas, bei dem auch das Arbeitsfeld hinterher sehr spannend ist. Und das ist, glaube ich, so der rote Faden, den man haben kann, wenn man Musikwissenschaft studiert. Man hat dann später mit Leuten zu tun, die sich für Musik interessieren, und das ist meistens ein schönes Umfeld.

Du hast von einer Bibliothekslehre erzählt...

Genau. Also ich bin quasi aus dem „Handwerk Bibliothek“ in den studierten Bereich gewechselt (also wo man einen Hochschulabschluss braucht). Ich hatte schon den Berufsabschluss als Bibliotheksangestellter, und um sich dann BibliothekarIn nennen zu dürfen, braucht man in Deutschland einen Hochschulabschluss. Am besten in Bibliothekswissenschaften oder aber in einer Geisteswissenschaft, um dann in einem Spezialbereich einiger Bibliotheken abzutauchen. Und das war bei mir dann die Musikbibliothek. Dort ganz spezialisiert das Tonträgersegment, Veranstaltungen, Programmarbeit und dergleichen.

Ist ja kein alltäglicher Beruf. Stand das schon vor deinem Studium fest oder kam das erst im Laufe des Studiums?

Das war für mich schon von Anfang an klar - ich wollte in einer Bibliothek arbeiten und habe dann in Göttingen dual Bachelor Anglistik und Musikwissenschaft studiert. Nach meinem Abschluss dort dann nur noch Musikwissenschaft. Dass mich die Musikwissenschaft mitgerissen hat, hätte ich auch nicht gedacht. Aber diese Inhalte interessieren mich. Ich glaube, gerade wenn man so aufs Studium blickt und das alles noch vor sich hat, sollte man sich sagen: „Okay, das interessiert mich, das sind Themen, mit denen ich mich auch außerhalb des Studiums noch beschäftigen möchte.“ Es ist zwar keine Entscheidung, die einen Weg fürs Leben vorzeichnet. Aber es gibt eine Richtung vor. Und das sollte die Richtung sein, die (wenn man zurückblickt) auch die eigenen Interessen widerspiegelt.

Wir bleiben beim Studium. Du warst ja an vielen verschiedenen Unis. Wie bist du in Gießen gelandet, warum ausgerechnet Gießen?

In Gießen war für mich vor allem interessant, dass die Musikwissenschaft sich auf populäre Musik spezialisiert hat. Auch war für mich dann ausschlaggebend, dass es von der Uni, wo ich vorher war, nicht so weit entfernt ist. Ich habe mir damals gesagt, ich möchte auf jeden Fall nochmal andere Inhalte, andere ForscherInnen kennenlernen und dazu eben auch die Spezialisierung auf Populäre Musik. Weil das etwas ist, was ich verstehe und kenne. Und mich dann darüber hinaus auch mit Kunstmusik auseinandersetzen (und nicht andersherum). Dafür war es gut, nach Gießen zu kommen.

Das klingt so, dass du eher positiv über die Zeit in Gießen denkst.

Ja. Manchmal habe ich „gefremdelt“ mit Hessen, sag ich mal so. Aufgewachsen bin ich in Norddeutschland und dann dieses Hessische… da kam ich mir manchmal ein bisschen fremd vor. Aber ich würde es nochmal machen, die Erfahrung war gut.

Was hast du als Nordlicht über Hessen gelernt?

Ich habe gelernt, dass man eine Strecke von A nach B nicht in Kilometern, sondern in Kilometern plus Höhenmetern rechnen sollte. Ich bin viel mit dem Fahrrad unterwegs und komme aus einer Region, wo es praktisch keine Berge gibt. Einmal wollte ich in Gießen von A nach B und habe mich völlig verschätzt. Ich bin dann am Ende eine halbe Stunde zu spät und schweißgebadet angekommen, weil ich diese Höhenmeter einfach nicht einkalkuliert habe. Schön fürs Auge, schwer fürs Radeln.