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Fach-Tag Geschichte 2019

Protokoll – Fachtag für Geschichte am 12.11.19

30 Jahre nach der Friedlichen Revolution – der öffentliche Umgang mit der Geschichte der DDR als didaktische Herausforderung

Der diesjährige Fachtag setzte die Forderung nach der Berücksichtigung von Geschichtskultur im Geschichtsunterricht, u.a. im hessischen Kerncurriculum für die Oberstufe, am Beispiel des öffentlichen Umgangs mit der Geschichte der DDR um. Das Programm schloss sowohl Beiträge zu fachwissenschaftlichen und geschichtsdidaktischen Grundlagen als auch konkrete Beispiele als Anregungen für die Unterrichtspraxis ein. Die Veranstaltung fügte sich in eine Reihe anderer damals aktueller Projekte des Präsidiums der Universität Gießen zum Gedanken an „30 Jahre Mauerfalls“ ein.

Begrüßung/ Eröffnung


 

Fotos: Larissa Schulz

 

Professor Dr. Hans-Jürgen Bömelburg hob bei seiner Begrüßung der Teilnehmer*innen des Fachtages die Besonderheit dieses historischen Ereignisses hervor: Während es für die ältere Generation noch stark präsent erscheine und mit vielen persönlichen Erinnerungen verbunden sei, sei die Zeit der Deutschen Teilung und die Ereignisse der Wende im Jahre 1989 für die jüngere Generation nur noch schwer vorstellbar. 

 

 

 

Professor Oswalt betonte im einführenden geschichtsdidaktischen Vortrag die Pluralität und Vielfältigkeit der erinnerungskulturellen Medien, welche die DDR und die Zeit um 1989 behandeln. Die Vergangenheitsvergegenwärtigung in der Öffentlichkeit finde in ganz unterschiedlichen Facetten statt und präge das DDR-Bild von Schüler*innen. In dieser Hinsicht komme der reflektierten Beschäftigung mit geschichtskulturellen Manifestationen eine zentrale und elementare Bedeutung zu. Besondere Relevanz erhalte sie 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution durch die Versuche rechtspopulistischer Parteien, die historischen Ereignisse erinnerungskulturell zu instrumentalisieren. 

 

Vortrag: Konflikte und Debatten in der ostdeutschen Erinnerungslandschaft: Erinnerungsstätten zur Geschichte der SED-Diktatur

von Dr. Rainer Eckert

 

 

Der frühere Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig brachte in seinem Überblicksvortrag über aktuelle erinnerungskulturelle Prozesse und Konjunkturen eine wertvolle Perspektive als ehemaliger Bürgerrechtlicher und Historiker in der früheren DDR ein. 

Zu Beginn seines Vortrags definierte der Referent die offizielle Geschichtspolitik zur Geschichte der DDR als ein Bündel unterschiedlicher Maßnahmen, um nach der Diktatur die Demokratie zu stärken. Diese Maßnahmen seien immer unabhängig von Vorgaben der Bundesregierung erfolgt. Als besonders prägend für die Geschichtspolitik zur DDR identifizierte Eckert drei Fragen, die bis heute kontrovers diskutiert würden: erstens, ob die Mauer gefallen, eingedrückt oder gestürzt worden sei; zweitens, ob die Umbruchsphase als „Wende“ oder „Friedliche Revolution“ bezeichnet werden solle; und drittens, ob die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei. 

Neben diesen Fragen zeigte Eckert Beispiele geschichtspolitische Kontroversen auf. So verwies er auf Konflikte in Gedenkstätten zur DDR oder um die Überführung der Stasi-Unterlagenbehörde ins Bundesarchiv und der Einrichtung von Außenstellen des Archivs. Als weiteres Konfliktfeld bewertete Eckert die Instrumentalisierung der DDR-Geschichte durch die AfD und erläuterte deren Argumente in Konsequenz der Wiedervereinigung mit den folgenden Gewinn- und Verlustgeschichten. 

Als Überwindung dieser auf die deutsche Perspektive reduzierte Kontroverse regte Eckert ein mittelosteuropäisches Erinnerungsnarrativ an. Dieses könne auch im Westen verankert werden, denn Widerstand und Revolution seien „gesamteuropäische Themen“ und entsprächen der Wertorientierung der EU. Mit Blick auf den Geschichtsunterricht plädierte er dafür, die DDR und den Nationalsozialismus in vergleichender Perspektive zu behandeln, ohne die Singularität der industriellen Massenvernichtung als Konsequenz der NS-Ideologie aus den Augen zu verlieren.    

An den eindrücklichen Vortrag zu den geschichtspolitischen Kontroversen über die Erinnerung an die DDR und ihr Ende schloss sich eine anregende Diskussion an. Diese nahm die Idee, einer gleichwertigen Berücksichtigung der Umbrüche des Jahres 1989 aus ost-wie aus westdeutscher Perspektive auf und strich sie letztlich als Notwendigkeit heraus, da erst ein solcher multiperspektivischer Zugang ein umfassendes Verständnis dieser komplexen historischen Ereignisse ermögliche. Zur Sprache kam auch die Bedeutung zentraler Erinnerungsorte zur Geschichte der DDR bzw. Opfer der SED-Diktatur, deren fachwissenschaftliche Qualität durch eine dauerhafte Kuratierung sichergestellt werden müsse, um einseitigen oder empirisch fragwürdigen Sinnbildungen und Mythenbildungen vorzubeugen. An dieser Stelle wurde auch auf die Bedeutung digitaler Angebote zur systematischen Erfassung von Erinnerungsorten verwiesen, mit deren Hilfe Besuche geplant und auch bereits inhaltlich vorbereitet werden können (www.orte-der-repression.de).

 

Vortrag: Erinnern an die DDR im Geschichtsunterricht - curriculare Verortung und didaktische Intentionen

von Dr. Franziska Conrad

 

Anschließend befasste sich Frau Dr. Franziska Conrad, die ehemalige Leiterin des Studienseminars Darmstadt mit verschieden Aspekten des Erinnerns an die DDR-Vergangenheit im Geschichtsunterricht. 

Die Referentin hob zunächst die Bedeutung der Thematisierung der DDR im Geschichtsunterricht überhaupt hervor. Grundlegend müsse zunächst einem Wissensmangel der Schüler*innen über die DDR entgegengewirkt werden. Erst auf dieser Basis könnten die Schüler*innen zur Teilhabe an öffentlichen Diskursen zur deutsch-deutschen Vergangenheit befähigt werden und einen kritischen Umgang mit der Erinnerungskultur lernen.

Problematisch erweise sich allerdings, dass das Thema im Curriculum jeweils erst am Ende der Bildungsgänge verortet sei und Alltagsgeschichte zu wenig betont werde. Gerade in der Behandlung der Sozialgeschichte entfalte sich aber viel didaktisches Potential. 

Wichtig sei zusätzlich, das Thema über das Ende der DDR hinaus zu erweitern und die politischen wie individuellen Folgen der Wiedervereinigung im Unterricht zu thematisieren. Erst auf dieser Grundlage seien Kontroversen und Debatten über den angemessenen Umgang mit der DDR-Vergangenheit behandelbar.  Schließlich sprach sich die Referentin ebenfalls für eine Perspektiverweiterung aus, die auch die Umbrüche zwischen 1989 und 1991 in osteuropäischen Ländern mit in den Blick nehme. Das Thema eigne sich für die Förderung der Analyse- und Urteilsfähigkeit, gerade weil aktuell eine politische Instrumentalisierung der DDR-Vergangenheit durch die AfD zu beobachten sei. 

Abschließend stellte Franziska Conrad einige methodische Möglichkeiten und Unterrichtsvorschläge vor. Besonderes didaktisches Potential vermerkte sie für fächerübergreifende Unterrichtskonstellationen. Die Arbeit mit digitalen Zeitzeugeninterviews, die selbstständige Schülerrecherche sowie die Interpretation von für den Unterricht edierten Stasiunterlagen könne in vielfältiger Weise genutzt werden. Zur Auseinandersetzung mit Produkten der Geschichtskultur seien Filmanalysen ein vielversprechender Zugang.

Eine Powerpoint-Präsentation zum Vortrag von Franziska Conrad finden Sie hier zum Download.

                                                                                            

Am Nachmittag fanden folgende Workshops statt, zu denen teilweise Linksammlungen und weiterführende Arbeitsmaterialien abgerufen werden können.  

 

 

 

 

„Deutsch-deutsche und  gesamtdeutsche Gedenktage:  

Ein  Pluralismus  der  Erinnerungskulturen?“

(Gentner)

 

 

Hier finden Sie die Handouts mit Unterrichtsmaterialien zum Workshop.

 

  

„Wir sehen uns im Westen“? Zur  Arbeit mit erinnerungskulturellen  Fiktionalisierungen  der Jugendliteratur  im  Geschichtsunterricht  (Rox-Helmer)  

Hier finden Sie die 

Zusammenfassung und Ergebnisse des Workshops

 

Anbei finden Sie weitere Materialien, die während des Workshops benutzt worden sind.

 

Was wollten Sie  hier in Berlin!?“  -  Geschichte der DDR und des Mauerfalls in der digitalen Geschichtskultur und im 360°-Video (Willershausen)

Hier finden Sie eine kommentierte Linkliste zu den während des Vortrags vorgestellten Projekten und Initiativen. Die Kontakte zu den Produzenten des 360° Videos ‚Die DDR: Eine Schulstunde in 360°“ finden Sie ebenfalls unter diesem Link. 

 

 Protokoll: Henning Tauche, Justus Grebe, Larissa Schulz, Andreas Willershausen