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Welche Bedeutung haben soziale Medien für Jugendliche in Bezug auf ihre Ernährung?

29.01.2021: Lena Roth hat in ihrer Bachelorarbeit die Bedeutung sozialer Medien für die Auseinandersetzung mit dem Thema Ernährung im Jugendalter untersucht. Soziale Medien, wie YouTube oder Instagram, sind im Alltag, insbesondere Jugendlicher kaum wegzudenken. Daher stellt sich die Frage, inwiefern diese alltäglichen Gewohnheiten z. B. das Ernährungsverhalten Jugendlicher beeinflussen. Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit hat sie Antworten gefunden, in dem sie Jugendliche dazu befragt hat.

                                                                            

Soziale Medien, wie YouTube oder Instagram, sind im Alltag, insbesondere Jugendlicher kaum wegzudenken. Daher stellt sich die Frage, inwiefern diese alltäglichen Gewohnheiten z. B. das Ernährungsverhalten Jugendlicher beeinflussen. Im Rahmen meiner Bachelorarbeit habe ich versucht Antworten zu finden und dazu auch Jugendliche befragt.

 

Das Ernährungsverhalten Jugendlicher

Ernährungsverhalten umfasst, neben den tatsächlichen Mahlzeiten wesentlich mehr. So kann das, was gegessen wird, auch als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit verstanden werden. Damit können Gefühle von Gleichheit, aber auch Differenzen zwischen verschiedenen Gruppen entstehen. In Untersuchungen zum Ernährungsverhalten von Jugendlichen wurden vor allem Unterschiede zwischen den Geschlechtern gefunden. So unterscheiden sich die Nahrungsmittelpräferenzen, aber auch die Verzehrsmengen. Im Jugendalter ist die Entwicklung der Geschlechtsidentität von besonderer Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf die körperliche Entwicklung. Da durch Ernährung der Körper gestaltet werden kann, wird die Ernährung Jugendlicher auch von gesellschaftlichen Normen, wie ein „weiblicher“ oder „männlicher“ Körper aussehen soll, beeinflusst. Dies zeigt sich vor allem in der Diätkultur, der bereits junge Mädchen folgen.  

 

Welche Rolle spielen soziale Medien?

Durch die zunehmende Digitalisierung ist davon auszugehen, dass Jugendliche auch durch soziale Medien sozialisiert werden, d. h. mit den dort vermittelten sozialen Normen und Werten konfrontiert werden und sich diese aneignen. Zudem können Jugendliche, anders als bei klassischen Medien, in den neuen Medien auch selbst Inhalte gestalten und teilen. Hierdurch können eigene Vorstellungen und Ideen zur Disposition gestellt werden. Bisherige Studien zeigen, dass das Thema Ernährung in sozialen Medien omnipräsent ist. Meist wird es als Ausdruck eines Lebensstils und häufig verbunden mit Ernährungsratschlägen kommuniziert. Vor allem bei der Vermittlung gesunder Lebensstile werden Ernährungs- aber auch Fitnessratschläge gegeben, die der Gesundheit teils eher abträglich sind. Zudem werden mit Hilfe idealisierter Bilder und Videos geschlechtsspezifische Körperideale vermittelt.  

 

Was sagen die Jugendlichen?

Mit Hilfe einer online Befragung habe ich 169 Mädchen und 65 Jungen befragt, um herauszufinden, welche Rolle soziale Medien spielen, wenn es um ihre Ernährung geht. Die meisten Befragten waren 17 oder 18 Jahre alt (70 %) und besuchten ein Gymnasium (64 %) bzw. bereits eine Hochschule (23 %).

 

Was wird gepostet?

Fast alle (91 %) geben an, dass sie in sozialen Medien ernährungsbezogenen Inhalten begegnen; vor allem auf Instagram und YouTube. Selbst Beiträge zum Thema posten jedoch nur gut ein Viertel (28 %). Gründe waren vor allem kulinarisch-ästhetische, d. h., weil es z. B. „besonders lecker ist“ oder „etwas besonders schön aussieht“; oder weil das Essen eine besondere Bedeutung hat oder mit einem Erlebnis verbunden wird (z. B. „weil ich damit ein besonderes Erlebnis verbinde“ und „weil ich es selbst gekocht habe“). „Weil es besonders kalorienarm ist“ oder „weil es besonders gesund/ungesund ist“, gaben kaum Jugendliche als Grund an. Auch bei spezielleren Fragen dazu, wie das Bild entstanden ist, konnten erneut kulinarisch-ästhetische und soziale Aspekte festgestellt werden. Fast alle (92 %) bestätigten, dass das Bild in Begleitung von Freunden oder Familienmitgliedern aufgenommen wurde oder es entstanden ist, als sie auswärts gegessen haben (31 %). Einige luden Bilder hoch, die ebendiese Umstände darstellen. So waren auf den meisten Bildern im Hintergrund eine weitere Person und/oder ihr Essen zu sehen. Am häufigsten wurden Fast Food Gerichte (Pizza, Burger, Pommes) oder Nudeln gepostet (47 %). Auf etwa jedem vierten Bild waren jedoch auch Gemüse, Obst oder Vollkornprodukte zu sehen; Süßspeisen etwas seltener.

 

Bestehen geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf das Thema Ernährung?

Bezogen auf das allgemeine Interesse an Ernährung sowie der Wichtigkeit, dass die eigene Ernährung gesund ist, bekräftigen die Ergebnisse den aktuellen Forschungsstand. Das heißt, die befragten Mädchen interessierten sich signifikant mehr für Ernährung und es war ihnen auch signifikant wichtiger, dass sie gesund ist.

 

Welchen Einfluss haben soziale Medien auf das Ernährungsverhalten Jugendlicher?

Den Einfluss, den soziale Medien auf ihr Ernährungsverhalten haben, wurde von den Jugendlichen ambivalent bewertet. So fühlen sich viele vor allem durch Tipps zu gesunder Ernährung inspiriert, um zum Beispiel neue Lebensmittel auszuprobieren. Andere jedoch beschreiben, dass der Einfluss gegenteilig, nämlich „demotivierend“, sein kann. Gefühl wie „nicht gut genug“ oder sich sogar „falsch“ zu ernähren würden entstehen und dadurch würde versucht „weniger“ oder „gesünder“ zu essen. Zudem beschreiben die Jugendlichen, dass soziale Medien sie „unterbewusst“ beeinflussen würden.

Die negativ-konnotieren Auswirkungen scheinen vor allem durch den Vergleich mit anderen zu entstehen. Denn auf die Frage, welche Gefühle sie empfinden, wenn sie Essensbilder anderer sehen, gaben die Jugendlichen vor allem an, dass sie denken, andere äßen „gesünder“ oder „wirklich so“. Nur selten glauben sie, dass andere „mehr“ oder „ungesünder“ essen.

Diese Bewertungen zeigen sich nicht nur in Bezug auf Essen, sondern auch auf den Körper. So gaben weniger als die Hälfte an, mit ihrem Körper zufrieden zu sein (20 % der Mädchen und 12 % der Jungen). Der meistgenannte Grund dafür war bei den Jungen (13 %), mehr Muskeln haben zu wollen. Bei den Mädchen, dass sie gerne sportlicher aussähen (13 %). Auch mit eigenen Worten in den offenen Antworten beschrieben die Jugendlichen, dass ein sportlicherer oder muskulöserer Körper angestrebt werden „muss“ oder „sollte“.

Diese körperbezogenen Vorstellungen und Ideen wirken sich auch auf eigene Posts der Jugendlichen aus. Zwar ist sowohl Jungen als auch Mädchen am wichtigsten „nett zu wirken“ (MW: 1,8), jedoch „besonders gut auszusehen“ (MW: 1,9) fast ebenso wichtig. Bei weiteren Aspekten, zeigen sich erneut Unterschiede zwischen den Geschlechtern. So ist es für die Mädchen wichtiger „nicht dick auszusehen“ (MW: 2,0 vs. 2,6) und für Jungen Muskulosität wichtiger, auch wenn diese insgesamt für alle am unwichtigsten war.

 

Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Ergebnisse der Befragung lassen vermuten, dass Jugendliche mit ihrem Essen sowohl in sozialen Medien, als auch der realen Welt, primär soziale Aspekte des Essens in den Vordergrund stellen. Das heißt, sie inszenieren sich zum Beispiel innerhalb ihrer Peergroup. Die ernährungsbezogenen Inhalte sozialer Medien scheinen vor allem eine Inspirationsquelle zu sein, durch die neue Rezepte, Lebensmittel oder Ernährungsweisen entdeckt werden. Insbesondere die Idealisierung, die in sozialen Medien stattfindet, löst jedoch auch Gegenteiliges aus. Das heißt, die Jugendlichen fühlen sich demotiviert oder sogar minderwertig. Diese Wirkungen beziehen sich nicht nur auf das Essen, sondern auch den Körper. So vermitteln soziale Medien Leistungsansprüche für eine gesündere Ernährung, als auch einen schlankeren und sportlicheren Körper.

Während sich geschlechtsspezifische Unterschiede und das gesellschaftliche Ideal von Schlankheit in der Befragung bestätigt haben, scheint letzteres um ein neues Ideal der Sportlichkeit ergänzt. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass in sozialen Medien Ernährung, aber auch Sport zunehmend in Verbindung mit Gesundheit, die es zu optimieren gilt, vermittelt wird. Die ambivalenten Wirkungen, die die Jugendlichen in der Befragung beschrieben haben, deuten darauf hin, dass die tatsächlichen Auswirkungen, die soziale Medien haben, nicht pauschalisiert werden können. Insbesondere die Verknüpfung von Gesundheit, Sport und Ernährung kann demnach eine Chance, aber auch eine Gefahr für die Entwicklung des Ernährungsverhaltens Jugendlicher darstellen.

 

Lena Roth hat an der JLU B. Sc. Ökotrophologie studiert. Ihre Bachelorarbeit mit dem Titel „Bedeutung sozialer Medien für die Auseinandersetzung mit dem Thema Ernährung im Jugendalter“ hat sie im Februar 2019 erfolgreich an der Professur für Kommunikation und Beratung in den Agrar-, Ernährungs- und Umweltwissenschaften verteidigt. Aktuell setzt sie ihr Studium mit einem M. Sc. Ökotrophologie, ebenfalls an der JLU fort.


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