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Wie stellt man eine digitale Konferenz auf die Beine?

03.05.2021: Dieser Beitrag bietet einen Einblick in die Organisation der digitalen Konferenz Rethinking Postcolonial Europe, die vom 10. bis 12. Februar 2021 stattfand. Ursprünglich sollte die Konferenz vor Ort im International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) der Universität Gießen stattfinden, doch wurde sie aufgrund der Corona-Pandemie in den Onlineraum verlagert. Welche Herausforderungen die Umstellung ins Digitale mit sich brachte und wie es dennoch größtmöglich interaktiv gestaltet wurde, erfahrt ihr hier.

Die interdisziplinäre kulturwissenschaftliche Konferenz Rethinking Postcolonial Europe fand vom 10. bis 12. Februar 2021 online statt. Sie war ein Forum für Nachwuchswissenschaftler_innen, in deren Rahmen Promovierende ihre Projekte präsentierten und Feedback auf Augenhöhe erhielten. Thematisch deckten die Präsentationen Arbeiten aus den Literatur- und Sozialwissenschaften, den Theater- und Kulturwissenschaften ab. Die verbindenden Elemente waren postkoloniale, dekoloniale und herrschaftskritische Theorieansätze, die das jeweilige Untersuchungsfeld – Literatur, Performance oder Subjekte etc.  – mit machtkritischer Perspektive betrachten und gesellschaftlich verorten. Hierbei spielen intersektional verschränkte Diskriminierungskategorien wie race, class und gender eine wichtige Rolle.

Ausgerichtet wird die Konferenz jährlich von der Gesellschaft für Anglophone Postkoloniale Studien (GAPS) und einer jeweils wechselnden Partneruniversität. Dieses Jahr waren wir ein fünfköpfiges rein weibliches Organisationsteam von Doktorandinnen und einer Postdoktorandin des International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) der Universität Gießen.

Bereits im Sommer 2019 trafen wir uns zu ersten Planungstreffen für die Konferenz, die ursprünglich im Herbst 2020 vor Ort in Gießen stattfinden sollte. In dieser langen Vorbereitungszeit überlegten wir uns das Thema der Konferenz und schrieben den Call for Paper, beantragten Gelder für Häppchen, Honorare und Werbung, wählten die Präsentationen aus und planten die Panels, luden Keynote Speaker ein und überlegten uns, den Teilnehmer_innen einen postkolonialen Stadtrundgang durch Gießen anzubieten. Die Spoken-Word Künstlerin Stefanie-Lahya Aukongo aus Berlin sollte in Kooperation mit dem Literarischen Zentrum Gießen (LZG) für eine Lesung anreisen, zu der auch außeruniversitäres Publikum eingeladen werden sollte.

Als im Laufe des vergangenen Sommers deutlich wurde, dass die Corona-Pandemie anhalten würde und eine Präsenzkonferenz nicht erlauben würde, entschieden wir uns schweren Herzens für eine digitale Version.

Das Hochschulrechenzentrum (HRZ) der Universität Gießen unterstützte uns mit der Plattform WebEx, über die Videokonferenzen mit bis zu 1000 Teilnehmer_innen veranstaltet werden können. Jede aus dem Organisationsteam konnte mit ihrem WebEx Zugang eine Veranstaltung eröffnen, so dass wir die Möglichkeit hatten, parallele Panels mit Präsentationen laufen zu lassen. In den 2 ½ Tagen kamen wir somit auf insgesamt 36 Präsentationen.

Nach der Begrüßung machte Dr. Nadia Butt vom Institut für Anglistik der Justus-Liebig-Universität mit ihrer Keynote Lecture über Anglophone Travel Literatures and Postcoloniality den Auftakt zur Konferenz.

Anschließend folgte der erste Block mit Präsentationen. In zwei parallellaufenden Panels wurden nacheinander drei 15-minütige Vorträge gehalten, die von einer halbstündigen Diskussion gefolgt wurde. Die Länge war genau richtig, da es doch immer wieder Verzögerungen aufgrund technischer Probleme gab. Glücklicherweise stand uns die gesamte Dauer der Konferenz eine Hilfskraft des HRZ zur Seite! Den Abschluss des ersten Tages und gleichzeitig mein persönliches Highlight der Konferenz, bildete die Lesung von Stefanie-Lahya Aukongo, die live aus ihrem Berliner Zimmer selbstverfasste Gedichte vortrug. Über 70 Menschen verfolgten begeistert ihre Performance. Mit dem Handklatsch-Emoticon wurde Beifall „geklickt“ und per Nachricht im Chat konnten Fragen aus dem Publikum an Lahya gestellt werden. 

Eine Herausforderung betraf die Adaption des postkolonialen Stadtrundgangs in den digitalen Raum. Wie konnten wir den Teilnehmer_innen, die teilweise von anderen Kontinenten zugeschaltet waren, einen Stadtrundgang anbieten? Die Gruppe Gießen Postkolonial erstellte dafür kurze Videoclips von einigen Stationen ihrer Tour und erläuterten dazu die historischen Hintergründe. Die Clips konnten sich die Teilnehmer_innen während der Konferenz selbstständig über die virtuelle Konferenzpinnwand auf Padlet.com ansehen. Auf Padlet wurden ebenfalls die Poster von den Teilnehmer_innen präsentiert.

Das so wichtige informelle Netzwerken in den Kaffeepausen verlegten wir in verschiedene Breakout Rooms, in denen sich die Teilnehmer_innen zu spezifischen Themen „treffen“ und austauschen konnten. Obwohl diese Networking Session nach einem ohnehin schon langen Tag erst um 17 Uhr stattfand, nahmen doch überraschend viele teil.

Den letzten Tag begannen wir mit dem gemeinsamen Erinnern und dem Vorlesen der Namen der neun Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau, der sich am 19. Februar zum ersten Mal jährte. Die Keynote Lecture von Dr. Vanessa E. Thompson (Viadrina Universität Frankfurt/Oder) From Crisis to Abolition analysierte eindrücklich staatliche Polizeisysteme, in denen rassistische Gewalt bis heute eingeschrieben ist und dem sich die Black Lives Matter Bewegungen weltweit entgegenstellen.

In der abschließenden General Assembly Freitagnachmittag wurde die Universität Potsdam als Gastgeberin der nächsten Konferenz gewählt und wir vom Organisationsteam bedankten und verabschiedeten uns überglücklich und erschöpft von den Teilnehmer_innen.

Die Evaluation ergab sehr viel positives Feedback und auch wir als Organisatorinnen waren von der der positiven Stimmung trotz des Onlineformats begeistert. Dennoch hoffen wir sehr, dass die nächsten Konferenzen wieder in Präsenz stattfinden werden.