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Symposium 1.4: Interventionsforschung

 

Raum: 309

Vorsitz:

Katja Petrowski

Anja Mehnert-Theuerkauf

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14:45 Uhr: Carolin Donath: Innovationsfonds-Projekt DemWG: Ergebnisse einer komplexen Intervention in ambulant betreuten Wohngemeinschaften

 

15:05 Uhr: Thomas von Lengerke: Was ist ein "Bündel"? Effekte von Compliance-Definitionen am Beispiel der Prävention postoperativer Wundinfektionen

 

15:25 Uhr: Jan Broll: Evaluierung der NEST-Intervention zur Steigerung der Resilienz und Verbesserung der Lebensqualität und Resilienz von Familien mit pflegebedürftigen Kindern

 

15:45 Uhr: Johanna Munz: Wie wirksam sind psychologische Interventionen bei der Behandlung von chronisch juckenden Erkrankungen? Ergebnisse eines systematischen Reviews und einer Metaanalyse

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Innovationsfonds-Projekt DemWG: Ergebnisse einer komplexen Intervention in ambulant betreuten Wohngemeinschaften

Donath C, Keck A 1, Kratzer A 1, Gräßel E 1, Stiefler S 2, Schmidt A 2, Altona J 2, Wolf-Ostermann K 2

 

1 Erlangen

2 Bremen

 

Hintergrund: Ambulant betreute Wohngemeinschaften (abWG) sind Lebensräume für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, die nicht mehr alleine in ihrer eigenen Wohnung leben können, sich aber auch nicht für die stationäre Betreuung in einem Pflegeheim entscheiden wollen. Menschen mit Demenz haben – unabhängig von ihrem Lebensmittelpunkt – ein erhöhtes Risiko für stationäre Krankenhausaufenthalte. Dies gilt auch für Menschen mit Demenz in abWG. Ein Krankenhausaufenthalt kann nachteilige Folgen für Körper und Psyche von MmD haben und deren Lebensqualität erheblich einschränken. Infolgedessen sind zunehmend psychische Symptome und Verhaltensauffälligkeiten zu beobachten, die als Ausdruck von „unmet needs“ interpretiert werden können.

Zielsetzung: In der randomisiert-kontrollierten deutschlandweiten Multicenter Studie „DemWG“ wurde untersucht, ob eine komplexe Intervention im Setting abWG die Zahl der Krankenhauseinweisungen von Menschen mit kognitiven Einschränkungen signifikant reduziert.

Methoden: Wir haben eine cluster-randomisierte, prospektive Mixed-Methods-Studie mit Wartegruppendesign von April 2019 bis Dezember 2022 durchgeführt. Die komplexe Intervention umfasste regelmäßiges motorisches und kognitives Training für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung, die Schulung von Pflegekräften der abWG und die akkreditierte Fortbildung von Hausärzten. Daten wurden u.a. zu Beginn (t0) und sechs Monate nach der Intervention (t1) erhoben.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 97 abWG zu t0 deutschlandweit mit 341 Teilnehmenden eingeschlossen. Wir fanden einen statistisch signifikanten Effekt auf das Outcome Krankenhauseinweisungen in der Interventionsgruppe zum Zeitpunkt t1. Des Weiteren zeigte sich 6 Monate nach Interventionsbeginn ein signifikanter Effekt auf die nicht-kognitiven Symptome der Demenz.

Schlussfolgerung: Aus den Ergebnissen der quantitativen Auswertungen lassen sich Empfehlungen für optimierte Versorgung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen ableiten.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es liegt ein positives Ethikvotum vor.

 

Was ist ein "Bündel"? Effekte von Compliance-Definitionen am Beispiel der Prävention postoperativer Wundinfektionen

von Lengerke T 1, Tomsic I 1, Stolz M 2, Krauth C 2, Chaberny IF 3

 

1 Medizinische Hochschule Hannover, Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie, Hannover

2 Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover

3 Universitätsklinikum Leipzig - AöR, Institut für Hygiene, Krankenhaushygiene und Umweltmedizin, Leipzig

 

Hintergrund: Zur Prävention nosokomialer Infektionen ("Krankenhausinfektionen") ist vom Institute for Healthcare Improvement das „Bündel“-Konzept wie folgt definiert worden: „A small set of evidence-based interventions for a defined patient segment/population and care setting that, when implemented together, will result in significantly better outcomes than when implemented individually” [1]. Damit verknüpft wurde die “All-or-None”-Messung, also die Definition von Bündel-Compliance als Compliance mit allen(!) Bündel-Maßnahmen. In diesem Beitrag werden damit verbundene Annahmen und Fallstricke sowie entsprechende Ergebnisse der WACH-Studie (Wundinfektionen und Antibiotikaverbrauch in der Chirurgie, DRKS00015502) dargestellt.
Methoden: WACH war eine multizentrische zweiarmige cluster-randomisierte kontrollierte Studie (parallele Wartekontrollgruppe). In sechs Krankenhäusern wurde Leitlinien-Compliance mit klinischen Interventionen zur Prävention postoperativer Wundinfektionen beobachtet. Basierend auf Befragungsdaten wurden maßgeschneiderte Workshops für die Hygieneteams durchgeführt und geprüft, ob diese Intervention im Vergleich zu „Usual Practice“ zur Verbesserung klinischer Compliance führte. Für diesen Beitrag wurden verschiedene Bündel-Compliance-Definitionen analysiert.

Ergebnisse: Szenarien mit Fiktivdaten zeigen, dass Vergleiche zwischen zwei Studienarmen in Abhängigkeit von der Definition von „Bündel-Compliance“ i. S. unterschiedlicher Anteile einzelner Komponenten, für die Compliance beobachtet wurde, zu diametral entgegengesetzten Schlussfolgerungen führen können. In der WACH-Studie war Letzteres nicht der Fall. So ergab die Analyse für Bündel-Compliance als Compliance mit mindestens 8 der 10 prä- und peri-operativen Maßnahmen pro OP (Medianhalbierung), bei der die Rate im Interventions-Arm von 33 % auf 72 % stieg und nach „Usual Practice“ von 57 % auf 47 % sank, ein vergleichbares Muster wie die Analyse auf Basis der o. g. Originaldefinition (hier: 10 von 10 Maßnahmen), allerdings auf anderem Niveau (Steigerung von 0 % auf 4 % nach Intervention vs. Veränderung von 1 % auf 0 % nach „Usual Practice“).

Diskussion: Anwendungen der ursprünglichen Messvorschrift für Bündel-Compliance sollten in Anlehnung an Sensitivitätsanalysen bzgl. ihrer Effekte auf die Schlussfolgerungen empirisiert werden. Implikationen für „klassischere“ Compliance-Bereiche der Medizinischen Psychologie und Soziologie (z. B. RABE [Rauchen, Alkohol, Bewegung, Ernährung]) werden diskutiert.

 

Referenzen:

  • [1] Resar R, Griffin FA, Haraden C, Nolan TW. Using care bundles to improve health care quality. IHI innovation series white paper. Cambridge: Institute for Healthcare Improvement; 2012. Available at www.ihi.org (last access: 17 June 2019).

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es liegt ein positives Ethikvotum vor.

 

Evaluierung der NEST-Intervention zur Steigerung der Resilienz und Verbesserung der Lebensqualität und Resilienz von Familien mit pflegebedürftigen Kindern

Broll J 1, Nickel S 2, Helmreich I 1, Lüdecke D 3

 

1 Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR) gGmbH, Mainz

2 Institut für Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf UKE, Hamburg

3 Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg

 

Hintergrund: Familien mit gesundheitlich stark beeinträchtigten und/oder pflegebedürftigen Kindern sind großen physischen, psychischen, sozialen und ökonomischen Belastungen ausgesetzt. Hieraus resultieren Risiken, die häufig zu einer schlechten Lebens- und Versorgungssituation der betroffenen Familien führen. Zur Unterstützung der betroffenen Familien wurde im Rahmen des Forschungsprojektes NEST eine innovative regional verankerte Unterstützungsleistung durch sogenannte Familien-Gesundheits-Partner:innen (FGP) entwickelt.

Methoden: Die Intervention durch die FGP umfasst eine bedarfs- und bedürfnisgerechte Unterstützung aller Familienmitglieder. Die Wirksamkeit der FGP wird mittels einer nichtrandomisierten, kontrollierten Studie mit insgesamt vier Messzeitpunkten (im Abstand von 6 Monaten) im Zeitraum zwischen Januar 2022 und März 2024 überprüft. Insgesamt wurden jeweils 102 Familien mit pflegebedürftigen Kindern für eine Interventions- und Kontrollgruppe rekrutiert. Primärer Endpunkt der Studie ist die Lebensqualität der Betroffenen. Sekundäre Endpunkte sind Resilienzfaktoren sowie Zugang zu und Zufriedenheit mit Versorgungsleistungen. Je nach Outcome erfolgt die Auswertung in Form von logistischen oder linearen Mehrebenenmodellen.

Ergebnisse: Es werden Ergebnisse der ersten drei Erhebungszeitpunkte, v.a. hinsichtlich der Versorgungs- und Lebensqualität sowie der Resilienz der Familien, präsentiert. Zwischen dem ersten und dem zweiten Messzeitpunkten zeigten sich statistisch signifikante Verbesserungen in der Interventionsgruppe u.a. bei Wohlbefinden, psychischer Gesundheit und Resilienz.

Diskussion: Die Analyse der Wirksamkeit einer neuen Intervention für Familien mit pflegebedürftigen Kindern stellt ein innovatives Forschungsprojekt dar. Die Ergebnisse der ersten beiden Messzeitpunkte deuten darauf hin, dass eine positive Veränderung hinsichtlich der Lebensqualität und Resilienz durch die FGP erreicht werden kann.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es liegt ein positives Ethikvotum vor.

 

Wie wirksam sind psychologische Interventionen bei der Behandlung von chronisch juckenden Erkrankungen? Ergebnisse eines systematischen Reviews und einer Metaanalyse

Munz J 1, Kupfer J 1, Maas genannt Bermpohl F 2, van Laarhoven AI 3, Schmidt J 4, Evers AW 3, Schut C 1

 

1 Institut für Medizinische Psychologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen

2 Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal

3 Leiden University, AK Leiden

4 FH Münster, Münster

 

Hintergrund: Psychologische Interventionen, wie Habit-Reversal-Trainings oder Patientenschulungen, haben sich in der Behandlung von Patient:innen mit chronischem Juckreiz als erfolgreich erwiesen. Es gibt jedoch keine aktuellen Metaanalysen zu Auswirkungen psychologischer Interventionen auf Juckreiz, Kratzen und Exkoriationen bei Patient:innen mit verschiedenen Erkrankungen. Hauptziel dieser Studie war es deshalb, die Effekte psychologischer Interventionen auf diese Variablen bei Patient:innen mit chronischem Juckreiz unterschiedlicher Ursache zu untersuchen.

Methoden: Die systematische Literaturrecherche fand entsprechend des bei PROSPERO registrierten Studienprotokolls (CRD42021245916) vorrangig über die Datenbanken PubMed, Cochrane Library, PsycINFO und Web of Science statt. Es wurden Studien eingeschlossen, die die Wirksamkeit einer psychologischen Behandlung bei Patient:innen mit chronischem Juckreiz im Vergleich zu einer Kontrollgruppe untersuchten. Eine Quantifizierung des selbstberichteten Juckreizes, des Kratzens oder der Exkoriationen (primäre Endpunkte) musste vorliegen. Es wurde ein random effects model verwendet, um die Ergebnisse der 22 eingeschlossenen randomisierten, kontrollierten Studien (RCTs) zu aggregieren (k=15 mit Neurodermitis-Patient:innen, k=4 mit klar definierten Erkrankungen, k=3 mit gemischten Erkrankungsgruppen).

Ergebnisse: Es ergaben sich geringe bis moderate Effekte unmittelbar nach der Intervention (Post-Treatment (PT)) und im Follow-Up (FU) bezüglich der Juckreiz-Intensität (PT: k=8, g=-0,33 [-0,56; -0,09]; FU: k=4; g=-0,5 [-0,98; -0,01]) und der von medizinischem Fachpersonal beurteilten Exkoriationen (PT: k=5, g=-0,30 [-0,51; -0,09]; FU: k=6; g=-0,29 [-0,44; -0,14]). Die Effekte auf die Juckreiz-Häufigkeit (PT: k=2; FU: k=2) und die selbst eingeschätzten Exkoriationen (PT: k=2) waren nicht signifikant.

Diskussion: Die ersten Ergebnisse der Metaanalyse zeigen, dass psychologische Interventionen bei der Behandlung von chronischem Juckreiz hilfreich sein können. In weiteren Analysen wird untersucht, ob sich verschiedene Formen von psychologischen Interventionen in ihrer Wirksamkeit unterscheiden. Auch die Effekte auf psychologische Variablen (z.B. Angst, Depression) und den Schweregrad der zugrundeliegenden Erkrankung werden analysiert.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es ist kein Ethikvotum erforderlich.