Inhaltspezifische Aktionen

Symposium 2.1: Prävention, Rehabilitation, Krankheitsverarbeitung 2

 

Raum: Hörsaal 1

Vorsitz:

Peter Kropp

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16:45 Uhr: Markus A Wirtz: Zugang zu Informationen zur COVID-19-Infektions- und frühkindlichen Allergieprävention bei Müttern und Vätern – Konfirmatorische Strukturinvarianz-prüfung der Gesundheitskompetenzfacette Access des European Health Literacy Survey (HLS-EU-Q47)

 

17:00 Uhr: Claudia Levenig: Körperbild als Prädiktor für Therapieoutcomes bei chronischen Rückenschmerzen

 

17:15 Uhr: Annegret Zimmer: Betriebliche Mobbingprävention in Deutschland: fördernde Faktoren

 

17:30 Uhr: Hendrik Berth: Zahngesundheitswissen und Zahnbehandlungsangst

 

17:45 Uhr: Zdenka Eidenhardt: Entwicklung und Validierung eines Messinstrumentes zur Erfassung der selbst-eingeschätzten Qualität der eigenen Mundhygiene

 

17:55 Uhr: Ulrike Weik: Zahnputzverhalten: Wie effektiv ist bestmögliches Zähneputzen

 

18:05 Uhr: Nils Berneburg: Brushalyze – Entwicklung eines Forschungsgerätes zur differenzierten Erfassung des Zahnputzvorgangs

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Zugang zu Informationen zur COVID-19-Infektions- und frühkindlichen Allergieprävention bei Müttern und Vätern – Konfirmatorische Strukturinvarianzprüfung der Gesundheitskompetenzfacette Access des European Health Literacy Survey (HLS-EU-Q47)

Wirtz MA 1, Schulz AA 1

 

1 Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg

 

Hintergrund: Der HLS-EU-Q47 misst mit 12 Items die subjektive Gesundheitskompetenzeinschätzung zum Access (Zugang) zu Gesundheitsinformationen [1]. Die bereits für die Population der (werdenden) Mütter geprüfte dreidimensionale bzw. bifactor-Struktur in den Inhaltsdomänen Allgemeine Gesundheit (AG), COVID-19-Infektionsprävention (IP) und frühkindliche Allergieprävention (FKAP) [2] wird auf Ebene der Elternpaare integriert und vergleichend für Mütter und Väter geprüft.

Methoden: Die jeweils N = 128 (werdenden) Mütter und Väter bearbeiteten die 12 Items in drei Versionen (Originalitems zu AG; adaptierte Itemversionen für COVID-19-IP und FKAP. Zur Modellschätzung wurde der Weighted-Least-Square-Means-and-Variances (WLSMV)-Algorithmus verwendet, dem die Annahme ordinalen Skalenniveaus zugrunder liegt. Die Untersuchung erfolgte im Rahmen der DFG-Forschungsgruppe HELICAP [FOR 2959] (Teilprojekt: WI 3210/7-1).

Ergebnisse: Die konfirmatorische Modellierung der abhängigen Paardaten bestätigt die dreidimensionalen Modellstrukturen: AG/COVID-19-IP/ECAP: CFI = .936/.980/.952; SRMR = 083/.067/.072. Die Konstrukt- und Ladungsstruktur erweist sich als weitestgehend invariant gegenüber dem Geschlecht, jedoch moderiert die Inhaltsdomäne die faktorielle Struktur systematisch: In den Domänen AG und COVID-19-IP unterliegen die drei latenten Konstrukte Health Care (r(Väter,Mütter) = .392 bzw.227; p <.05), Individual Prevention (r(V,M) = .245 bzw.230; p <.05) und Public Services (r(V,M) nicht signifikant). Für ECAP sind die drei latenten Konstrukte Acute Care ((r(V,M) = .312; p <.05), Support for Individual Prevention (r(V,M) = .642; p <.05) und Prevention measures (r(V,M) = .404; p <.05) informationsdeterminierend. Alle Access-Subkonstrukte sind in der Domäne COVID-19-IP am höchsten ausgeprägt.

Diskussion: Die faktorielle Struktur und die Mittelwerte der HLS-EU-Q47 Access-Items unterscheiden sich zwischen den Gesundheitsdomänen systematisch und mit hoher Effektstärke, während diese invariant bezüglich des Geschlechts sind. Die öffentliche Präsenz und die hohe Relevanz der von COVID-19-IP-Informationen können als wesentliche Determinanten der höheren Access-Werte in dieser Domäne vermutet werden [2]. Implikationen für Definition und empirische Bedeutung des Konstrukts Gesundheitskompetenz als individuelle Leistungsdisposition (Fähigkeiten und Fertigkeiten des Individuums), die durch die Verfügbarkeit des Informationsangebots (öffentliche Präsenz) beeinflusst werden [3], werden diskutiert.

 

Referenzen:

  • [1] Sørensen K, van den Broucke S, Pelikan JM, Fullam J, Doyle G, Slonska Z et al. Measuring health literacy in populations: Illuminating the design and development process of the European Health Literacy Survey Questionaire (HLS-EU-Q). BMC Public Health. 2013;13(1); 948. doi:10.1186/1471-2458-13-948
  • [2] Wirtz MA, Dresch C, Heiberger A, Schulz AA. Structural Analysis of the Health Literacy Facet Access to Information on General Health, COVID-19 Infection Prevention, and Early Childhood Allergy Prevention in Pregnant Women and Mothers of Infants – Psychometric Characteristics of the Access-items in the European Health Literacy Survey (HLS-EU-Q47). 2022; 68(4):219-230. doi: 10.1026/0012-1924/a000295
  • [3] Wirtz MA, Soellner R. Gesundheitskompetenz – Konstruktverständnis und Anforderungen an valide Assessments aus Perspektive der psychologischen Diagnostik. Diagnostica. 2022; 68(4):163-171. doi: 10.1026/0012-1924/a000299

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es liegt ein positives Ethikvotum vor.

 

Körperbild als Prädiktor für Therapieoutcomes bei chronischen Rückenschmerzen

Levenig C 1, Schulte TL 2, Titze C 2, Günnewig L 3, Elsenbruch S 3, Hasenbring MI 3, 4

 

1 Ruhr-Universität Bochum, Bochum

2 Katholisches Klinikum Bochum, Bochum

3 Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Ruhr-Universität Bochum, Bochum

4 University of Southern Denmark SDU, Odense

 

Hintergrund: Der Zusammenhang von chronischen Rückenschmerzen und Veränderungen der Wahrnehmung sowie Kognitionen den eigenen Körper betreffend sind bekannt [1, 2]. Dennoch wurde dieser Zusammenhang bislang empirisch nur unzureichend untersucht. Ziel dieser Studie war es, den prädiktiven Wert des individuellen Körperbildes mit den kognitiv-affektiven Dimensionen Körperliche Effizienz, Selbstakzeptanz des Körpers und Gesundheit unter Berücksichtigung weiterer psychosozialer Faktoren bei Patient*innen mit chronischen Rückenschmerzen zu untersuchen.

Methoden: Bei 205 Patient*innen wurden zu Beginn (T0), bei Abschluss (T1) sowie drei Monate nach (T2) einer stationären interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) u.a. Schmerzintensität, Beeinträchtigung und Körperbild (Frankfurter Körperkonzeptskalen) und mittels multipler Regressionen mögliche Zusammenhänge erfasst.

Ergebnisse: Die Körperbild-Dimension Gesundheit zu T0 erwies sich als signifikanter Prädiktor für die Schmerzintensität zu T2 (F(1,155) = 37,30, p < .001, korrigiertes R² = .19) sowie für die schmerzbezogene Beeinträchtigung zu T2 (F(1,155) = 39,54, p < .001, korrigiertes R² = .20). Nachdem die Variablen Schmerzintensität zu T0 und Depression in das Modell mit aufgenommen wurden, stieg die Varianzaufklärung auf 31%.
Patient*innen mit einem zu T0 positiven Körperbild wiesen am Ende der IMST weniger Schmerzen und Beeinträchtigung auf als Patient*innen mit negativem Körperbild. Patient*innen mit einer positiven Körperbild-Dimension Gesundheit hatten bereits zu Beginn der IMST signifikant weniger Schmerzen und Beeinträchtigung. Alle drei untersuchten Dimensionen des Körperbildes verbesserten sich während der IMST (alle p < .001), waren jedoch drei Monate nach der Therapie signifikant schlechter als zu T1 (p < .001, Körperliche Effizienz p <.01). Schmerz (p < .001) und Beeinträchtigung (p < .001) verringerten sich während der IMST signifikant und blieben zu T2 stabil auf dem niedrigeren Niveau.

Diskussion: Die vorliegende Studie zeigt unseres Wissens erstmals in einem prospektiven Längsschnittdesign Hinweise auf den prädiktiven Charakter des individuellen Körperbildes bei Rückenschmerzen und schmerzbezogener Beeinträchtigung. Vor der Manifestation chronischer Rückenschmerzen könnte somit ein negatives Körperbild die Entstehung und Behandlung chronischer Schmerzen beeinflussen.

 

Referenzen:

  • [1] Levenig CG, Kellmann M, Kleinert J, Belz J, Hesselmann T, Hasenbring MI. Body image is more negative in patients with chronic low back pain than in patients with subacute low back pain and healthy controls. Scandinavian Journal of Pain 19(1), 2019:147-156.
  • [2] Sündermann O, Flink I, Linton SJ. My body is not working right: a cognitive behavioral model of body image and chronic pain. Pain 2020, 161:1136-1139.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es liegt ein positives Ethikvotum vor.

 

Betriebliche Mobbingprävention in Deutschland: fördernde Faktoren

Zimmer A 1, Buchallik F 1, Rauls J 1, Kraft E 1, Lohmann-Haislah A 1, Burr H 1

 

1 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin

 

Hintergrund: Mobbing am Arbeitsplatz stellt einen psychosozialen Risikofaktor mit einer Reihe gesundheitlicher Auswirkungen bis hin zur Arbeitsunfähigkeit der Betroffenen dar [1]. Aufgrund seiner betrieblichen Fürsorgepflicht ist es Aufgabe des Arbeitgebers, Beschäftigte präventiv vor psychosozialen Risiken wie Mobbing zu schützen. Ziel dieses Beitrags ist es, erstens die Verbreitung verschiedener Maßnahmen zur betrieblichen Mobbingprävention in Deutschland im Vergleich zum europäischen Durchschnitt zu ermitteln und zweitens der Frage nachzugehen, welche betrieblichen Faktoren das Vorhandensein entsprechender Maßnahmen in Betrieben begünstigen.

Methoden: Es wurden Sekundäranalysen der Daten des dritten European Survey of Enterprises on New and Emerging Risks (ESENER-3) [2] durchgeführt, um die Prävalenzen betrieblicher Mobbingpräventionsmaßnahmen zu bestimmen. Anhand von gewichteten Daten wurden Häufigkeits- und Kreuztabellen erstellt, um die Verbreitung verschiedener Maßnahmen zur betrieblichen Mobbingprävention in Deutschland im Vergleich zum europäischen Durchschnitt zu ermitteln. Anschließend wurde - basierend auf ungewichteten Daten - eine logistische Regressionsanalyse durchgeführt, um mögliche fördernde Faktoren für das Vorhandensein von Mobbingpräventionsmaßnahmen in Betrieben zu identifizieren.

Ergebnisse: Die Prävalenz für betriebliche Verfahren für den Umgang mit Mobbing liegt in Deutschland (DE) bei 38% (EU-28: 59%). Prävalenzen weiterer präventiver Maßnahmen in DE sind: Vertrauliche Beratungsangebote für Beschäftigte 54% (EU-28: 39%), Schulung zur Konfliktlösung 34% (EU-28: 37%), Schulung zur Prävention von psychosozialen Risiken und Mobbing für Beschäftigte 26% (EU-28: 40%).

Signifikant erhöhte Chancen für das Vorhandensein betrieblicher Mobbingpräventionsmaßnahmen wurden ermittelt für Großbetriebe (OR = 2.27, 95%-KI[1.54-3.35]), für den Wirtschaftszweig „Öffentlicher Dienst, Erziehung, Gesundheits- und Sozialwesen“ (OR = 1.60, 95%-KI[1.11-2.31]), für Gesundheitsschutz- und Sicherheitsdienstleistungen durch eine/n Psychologe/in (OR = 3.38, 95%-KI[2.47-4.63]) sowie für das Vorhandensein einer Arbeitnehmervertretung durch einen Betriebs- bzw. Personalrat (OR = 2.04, 95%-KI[1.53-2.71]).

Diskussion: Betriebliche Mobbingprävention ist in Deutschland im Vergleich zum europäischen Durchschnitt weniger verbreitet. Förderliche Bedingungen entsprechender Maßnahmen scheinen professionelle Beratung durch Fachkräfte und eine funktionierende Arbeitsschutzorganisation zu sein.

 

Referenzen:

  • [1] Verkuil B, Atasayi S, Molendijk ML. Workplace Bullying and Mental Health: A Meta-Analysis on Cross-Sectional and Longitudinal Data. PLoS One. 2015 Aug 25;10(8):e0135225. doi: 10.1371/journal.pone.0135225.
  • [2] Irastorza X, Cavet M, Cockburn W, Riedmann A, Strauss A, Houtman I et al. Third European Survey of Enterprises on New and Emerging Risks 2019 (ESENER-3). GESIS Datenarchiv, Köln. 2020; ZA7735 Datenfile Version 1.0.0. doi: 10.4232/1.13649.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es ist kein Ethikvotum erforderlich.

 

Zahngesundheitswissen und Zahnbehandlungsangst

Berth H 1, Mainka J 1, Richter EP 1, Irmscher L 1

 

1 Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Dresden

 

Hintergrund: Zahnarztbesuche werden von vielen Menschen als unangenehm empfunden. Eine klinisch relevante Zahnbehandlungsangst im Sinne einer spezifischen Phobie ist jedoch relativ selten. Das individuelle Angsterleben wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die bereits in unzähligen Studien untersucht wurden [1, 2, 3]. Im Fokus der vorliegenden Studie steht der Einfluss des Zahngesundheitswissens auf die Zahnbehandlungsangst.

Methoden: Vom 25.07.2022 bis 31.10.2022 waren alle N = 22.815 deutschsprachigen Studierenden der TU Dresden per E-Mail eingeladen, an einer Online-Erhebung teilzunehmen. Dem Aufruf folgten N = 1.336 Studierende (5,9 %). In der Erhebung kamen u. a. die Dental Anxiety Scale (DAS), das Brief-Symptom-Inventory (BSI-18), die Dental-Neglect-Scale (DNS) und der Fragebogen zur Mundgesundheit Oral Health Literacy Profile (OHLP) zum Einsatz.

Ergebnisse: Von den Teilnehmenden waren N = 840 (62,9 %) weiblich. Das mittlere Alter betrug 24,3 Jahre (SD = 4,96). Die verschiedenen Fachbereiche der TU Dresden waren annährend gleich repräsentiert. Der Fragebogen zur Mundgesundheit Oral Health Literacy Profile erwies sich in der Untersuchung als valides und reliables Instrument (McDonald’s ω = .618). Frauen gaben signifikant mehr Zahnbehandlungsangst (DAS) und mehr psychische Belastung (BSI-18) an als Männer. Auch das Zahngesundheitswissen war bei Frauen (M = 5,16, SD = 2,09) signifikant besser als bei Männern (M = 4,70, SD = 2,14). Das Zahngesundheitswissen (OHLP) korrelierte signifikant negativ mit der Zahnbehandlungsangst (DAS und der psychischen Belastung (BSI-18) sowie signifikant positiv mit dem Alter und dem Vorsorgeverhalten (wie z.B. Häufigkeit Zähneputzen/Zahnarztbesuche). Das Zahngesundheitswissen war erwartungskonform am höchsten bei den Studierenden der Medizinischen Fakultät der TU Dresden ausgeprägt.

Diskussion: Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass mehr faktisches Wissen über Zahngesundheit angstreduzierend wirken und so zu einer tatsächlich besseren Mundgesundheit beitragen kann. Die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse ist durch die relativ altershomogene, hochgebildete Stichprobe, die monozentrisch an einer deutschen Hochschule rekrutiert wurde, limitiert.

 

Referenzen:

  • [1] Richter P, Bohl C, Berth H. Dental anxiety and stress in patients during different types of oral surgery. Oral, 2022, 2:88-94.
  • [2] Zinke A, Hannig C, Berth H. Comparing oral health in patients with different levels of dental anxiety. Head & Face Medicine, 2018, 14:25 doi: 10.1186/s13005-018-0182-4
  • [3] Zinke A, Hannig C, Berth H. Psychological distress and anxiety compared amongst dental patients – results of a cross-sectional study in 1549 adults. BMC Oral Health, 2019, 19:27. doi 10.1186/s12903-019-0719-3

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es liegt ein positives Ethikvotum vor.

 

Entwicklung und Validierung eines Messinstrumentes zur Erfassung der selbsteingeschätzten Qualität der eigenen Mundhygiene

Eidenhardt Z 1, Busse SB 1, Margraf-Stiksrud J 2, Deinzer R 1

 

1 Institut für Medizinische Psychologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen

2 Marburg

 

Hintergrund: Forschungsergebnisse lassen darauf schließen, dass viele Menschen die Qualität ihrer Mundhygiene falsch einschätzen. Eine Verbesserung des Mundhygieneverhaltens kann jedoch nur erreicht werden, wenn man sich über die Notwendigkeit einer Verbesserung im Klaren ist. Bislang fehlt ein standardisiertes Messinstrument zur Erfassung eines solchen Problembewusstseins. Das Ziel dieser Studie war die Entwicklung und Validierung eines solchen Instrumentes.

Methoden: Es wurde ein digitaler Fragebogen zur Erfassung der selbsteingeschätzten Plaquefreiheit (self perceived oral cleanliness = SPOC) nach dem Zähneputzen entwickelt. Dieser erfasst neben der „naiven“ Einschätzung (SPOCn) auch die „informierte“ Einschätzung (SPOCd), d.h. nachdem erläutert wurde, wie Plaquefreiheit in der zahnärztlichen Praxis bestimmt werden kann. In drei Studien (N=56 Erwachsene, N=66 Eltern-Kind-Paare, N=24 Studierende) wurden a) die Durchführbarkeit, b) die Reliabilität (Interne Konsistenz), c) die diskriminante Validität, d) die Korrelation mit der tatsächlichen Plaquefreiheit nach dem Zähneputzen sowie die e) Sensitivität gegenüber Veränderungen des Zähneputzens untersucht.

Ergebnisse: Der Fragebogen wurde von den Studiengruppen gut angenommen, wobei die durchschnittliche Bearbeitungszeit bei weniger als 5 min lag. Die Reliabilität erwies sich als sehr gut (Cronbach‘s α>0.90). Korrelationsanalysen verweisen auf diskriminante Validität hinsichtlich mundhygienebezogener Selbstwirksamkeitserwartungen sowie den Stufen der Verhaltensänderung (r/rho<0.35). SPOCn und SPOCd korrelieren nur mäßig mit der tatsächlichen Plaquefreiheit (−0.033≤rho≤0.500). Das Messinstrument reagiert sensitiv auf eine experimentelle Manipulation des Putzverhaltens.

Diskussion: Der Fragebogen ist ein in Forschung und Praxis einfach zu verwendendes, gut akzeptiertes, reliables und valides Instrument zur Erfassung des Problembewusstseins hinsichtlich der Qualität der eigenen Mundhygiene. Damit kann der Fragebogen dazu beitragen, unrealistische Selbsteinschätzungen hinsichtlich der eigenen Mundhygiene aufzudecken.


Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es liegt ein positives Ethikvotum vor.

 

Zahnputzverhalten: Wie effektiv ist bestmögliches Zähneputzen

Weik U 1, Shankar-Subramanian S 1, Sämann T 1, Wöstmann B 2, Margraf-Stiksrud J 3, Deinzer R 1

 

1 Institut für Medizinische Psychologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen

2 Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen

3 Marburg

 

Hintergrund: Entzündliche Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Gingivitis und Parodontitis) weisen eine hohe Prävalenz in der Bevölkerung auf. Studien zeigen, dass im Gegensatz zu zahnmedizinischen Fachkräften es zahnmedizinischen Laien nicht gelingt, ihre Zähne weitestgehend von Plaque zu befreien. Dies wirft die Frage auf, ob eine funktionale Vorstellung davon fehlt, was effektives Zahnputzverhalten bedeutet. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Art dieser Fertigkeitendefizite zu untersuchen.

Methoden: Studierende wurden randomisiert einer von zwei Zahnputz-Anweisungen zugeteilt. Während Gruppe A angewiesen wurde, sich die Zähne so gründlich wie möglich zu reinigen, wurde Gruppe B instruiert, sich die Zähne wie gewöhnlich zu putzen. Das Zahnputzverhalten wurde aufgezeichnet und videobasiert analysiert. Abhängige Variablen waren a) verschiedene Zahnputzverhaltensparameter, b) die objektiv sowie c) die subjektiv eingeschätzte erreichte Sauberkeit der Zähne nach Putzen.

Ergebnisse: Gruppe A putzte sich signifikant länger die Zähne (p=.008, d=.57) und führte häufiger Interdentalhygiene durch (p<.001). Darüber hinaus gab es keine weiteren Gruppenunterschiede in den Verhaltensparametern, auch nicht hinsichtlich einer korrekt durchgeführten Interdentalhygiene (alle p>0,16, alle d<.30). Die beiden Gruppen unterschieden sich nicht in der objektiv erreichten Sauberkeit nach Putzen (p = 0,15; d =.22). Die subjektive Einschätzung der erreichten Sauberkeit fiel in Gruppe A signifikant höher aus als in Gruppe B (p = .006; d =.54), wobei beide Gruppen sich diesbezüglich überschätzten.

Diskussion: Die Aufforderung, sich so gründlich wie möglich die Zähne zu putzen, führte zu einer erhöhten Anstrengung beim Zähneputzen. Diese erhöhte Anstrengung ging jedoch nicht mit einem besseren Putzergebnis einher. Es scheint, dass sich das Konzept des optimierten Zähneputzens eher auf quantitative Aspekte (längere Dauer, mehr Interdentalhygiene) statt auf qualitative Aspekte (Berücksichtigung der Innenflächen und Zahnfleischränder, korrekte Anwendung von Zahnseide) bezieht. Weitere Forschung scheint zur Beantwortung der Frage notwendig, wie man zahnmedizinischen Laien adäquate Zahnputzfertigkeiten vermittelt, welche zum Erreichen vollständiger Sauberkeit führen.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es liegt ein positives Ethikvotum vor.

 

Brushalyze – Entwicklung eines Forschungsgerätes zur differenzierten Erfassung des Zahnputzvorgangs

Berneburg N 1, Eidenhardt Z 1, Stenger M 2, Kraft D 2, Samans B 2, Bottenbruch C 1, Götz-Hahn F 3, Otto P 3, Weik U 1, Deinzer R 1, Sick B 3, Sohrabi K 2

 

1 Institut für Medizinische Psychologie, Justus-Liebig-Universität, Gießen

2 Fachbereich Gesundheit, Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen

3 Intelligent Embedded Systems, Universität Kassel, Kassel

 

Hintergrund: Der Zahnbürstvorgang ist ein hochkomplexer, weitgehend automatisierter Bewegungsablauf, welches noch weitgehend unverstanden ist. Man weiß weder, wie das Bürsten effektiv auszuführen ist, noch von welchen Faktoren die Effektivität abhängt. Das Ziel des DFG geförderten Forschungsprojektes Brushalyze (Projekt-Nr. 448034414) ist die Entwicklung einer intelligenten Zahnbürste, welche über eine integrierte MEMS-Sensorik eine differenzierte Erfassung und somit eine detaillierte Analyse manueller Zahnbürstvorgänge (Lokalisation der Bürste im Mund, Art der Bürstbewegung) unter Verwendung von Algorithmen des maschinellen Lernens ermöglicht.

Methoden: Es wurde ein erster Prototyp (V1) der Zahnbürste entwickelt. Hierzu wurde mittels additiven 3D-Druck ein Gehäuse gefertigt und mit zwei Beschleunigungssensoren, einem Gyroskop und einem Magnetometer bestückt. In einer ersten Pilotstudie (N=9) wurde überprüft, in wie weit Putzverhalten anhand der erfassten Daten dargestellt werden kann. Hierzu wurden die Probanden angeleitet, vorbestimmte Putzsequenzen mit der Brushalyze V1 durchzuführen (12 Putzorte und 3 Arten der Putzbewegung). In einer weiteren Studie (N=50) wurde die Usability der V1 mit einer handelsüblichen Handzahnbürste (HZB) hinsichtlich Handhabung, Borstenhärte, Gewicht sowie der subjektiv eingeschätzte erreichte Sauberkeit untersucht.

Ergebnisse: Die Auswertung der ersten Pilotstudie zeigt, dass Zielgrößen, wie die Bestimmung der Bewegungsart und die Anzahl der Wiederholungen einer Putzbewegung invariant gegenüber dem Putzort und dem/der Putzenden anhand der Sensordaten dargestellt werden können. Die Ergebnisse der Usability-Studie weisen darauf hin, dass die V1 im Vergleich zu zur HZB als unhandlicher und schwerer eingeschätzt wird, das subjektive Putzergebnis aber nicht beeinflusst wird. Hinsichtlich der Borstenhärte zeigen sich keine Unterschiede, wobei beide Bürsten im Mittel als weicher eingeschätzt werden als die eigene Zahnbürste.

Diskussion: Mit der Brushalyze V1 konnten erste vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich der sensorbasierten Erfassung der Putzbewegung gemacht werden. Im Weiteren sollen durch weitere Messungen und dem Einsatz von maschinellen Lernen die Genauigkeit der Bewertung optimiert werden. Zudem soll die Usability der Brushalyze V1 entsprechend der Ergebnisse der Studie optimiert werden.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es liegt ein positives Ethikvotum vor.