Inhaltspezifische Aktionen

Symposium 3.1: Versorgungsforschung 1 - Schwerpunkt Pflege

 

Raum: Hörsaal 1

Vorsitz:

Mirjam Körner

Katja Götz

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09:00 Uhr: Anna Zinkevich: Zwischen Stress und third-party disability: Theoretische Annäherung an das Konzept der Belastung am Beispiel von pflegenden Angehörigen von Menschen ohne Lautsprache

 

09:15 Uhr: Valerie Schaps: Assoziationen zwischen Ort und Art der informellen Pflege und mentaler Gesundheit von informellen Pflegepersonen

 

09:30 Uhr: Christian Deindl: Pflege, Kinderbetreuung und Gesundheit im mittleren Lebensalter in Deutschland

 

09:45 Uhr: Kendra Mielke: Entwicklung und Evaluierung eines Trainings zur Förderung der patient:innen-orientierten Kommunikation in der Pflege: Studienprotokoll einer randomisiert-kontrollierten Studie

 

10:00 Uhr: Susan Lee: Language barriers and patient-reported outcomes: The role of limited German proficiency in the cancer patient experience   

                

10:15 Uhr: Johannes Soff: Anwendungsmöglichkeiten von Multistate-Modellen in der Return to work Forschung am Beispiel der beruflichen Wiedereingliederung nach Darmkrebs

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Zwischen Stress und third-party disability: Theoretische Annäherung an das Konzept der Belastung am Beispiel von pflegenden Angehörigen von Menschen ohne Lautsprache

Zinkevich A 1, Uthoff SA 2, Ansmann L 1

 

1 Lehrstuhl für Medizinsoziologie, Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Universität zu Köln, Köln

2 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Oldenburg

 

Hintergrund: Laut dem aktuellen Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, wurden im Jahr 2017 ca. 2,6 Millionen pflegebedürftige Menschen in Privathaushalten und überwiegend durch Angehörige versorgt. Trotz wachsender Bedeutung des Themas Angehörigenbelastung auch in der Versorgungsforschung, ist das Konzept der Belastung nicht klar definiert. In der Literatur werden Begriffe Stress, Belastung und Burn-Out oft synonym verwendet. Den Vorschlag einer solchen Definition und für ein konzeptuelles Modell der Belastung machen Liu et al. (2020) auf Basis einer Konzeptanalyse. Es ist ebenfalls bekannt, dass pflegende Angehörige eine so genannte third-party disability im Sinne der ICF erleben können.

Methoden: Daten wurden im Rahmen einer qualitativen Interviewstudie mit n = 16 Angehörigen von Menschen ohne Lautsprache erhoben und in Anlehnung an das Transaktionale Stressmodel mithilfe von qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2016) ausgewertet. Identifizierte Stressoren, Ressourcen und Coping-Strategien wurden in das konzeptuelle Modell der Belastung nach Liu et al. (2020) eingebettet. Im nächsten Schritt wurde ein ICF-Modell der third-party disability erstellt.

Ergebnisse: Die identifizierten Stressoren erfüllen die drei zentralen Charakteristika der Belastung. Die eingebetteten Ergebnisse deuten darauf hin, dass es bereits vor der Entstehung der Belastung ein Ungleichgewicht zwischen identifizierten Vorläufern der Belastung und wenigen zur Verfügung stehenden Ressourcen besteht. Das ICF-Modell der third-party disability liefert Hinweise darauf, dass die Beeinträchtigung der betreuten Person einen so relevanten Umweltfaktor in der Lebensrealität der Angehörigen darstellt, dass diese eine third-party disability erleben.

Diskussion: Mithilfe der Einordnung der Ergebnisse in das konzeptuelle Modell der Belastung kann zum einen ein besseres Verständnis der Angehörigensituation geschaffen werden, zum anderen kann anhand der drei definierten Charakteristika überprüft werden, ob die identifizierten Stressoren aggregiert als Belastung bezeichnet werden können. Die Erstellung eines ICF-Modells der third-party disability kann als ein wichtiger Schritt in Richtung eines ganzheitlichen Blickes auf Familien mit Menschen mit Behinderungen angesehen werden.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es liegt ein positives Ethikvotum vor.

 

Assoziationen zwischen Ort und Art der informellen Pflege und mentaler Gesundheit von informellen Pflegepersonen

Schaps V 1, Wahrendorf M 2

 

1 Institut für Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf

2 UKD Düsseldorf, Düsseldorf

 

Hintergrund: In Europa wird nach wie vor ein großer Teil der Pflege, etwa 80 %, von so genannten informellen Pflegekräften außerhalb eines professionellen Kontextes geleistet. Der Zusammenhang zwischen informeller Pflege und mentaler Gesundheit der Pflegenden wurde bereits kontrovers untersucht. Einerseits zeigen bisherige Befunde, dass informelle mit einer Verbesserung der Gesundheit assoziiert sein kann. Andererseits kann die informelle Pflege jedoch eine psychisch belastende Tätigkeit sein und viele Pflegende fühlen sich häufiger gestresst als Nicht-Pflegende. Diese entgegengesetzten Ergebnisse deuten darauf hin, dass in der bisherigen Forschung nicht alle Aspekte berücksichtigt werden, die zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen informeller Pflege und der mentalen Gesundheit der Pflegenden beitragen. Beispielweise werden der Ort der Pflege sowie die Art der Tätigkeiten in vielen Studien nicht, oder nur am Rande betrachtet.

Methoden: Auf Grundlage von Daten des „Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe“ (SHARE) mit Informationen zu insgesamt 52.186 Befragten im Querschnitt und 18.659 Befragten im Längsschnitt wird versucht, die identifizierte Forschungslücke zu schließen. Anhand von Poisson-Regressionsanalysen wird die Assoziation zwischen depressiven Symptomen, einem Indikator für eine schlechte psychische Gesundheit, und dem Ort (innerhalb oder außerhalb des eigenen Haushaltes) und der Art (körperbezogene Pflege, Haushaltshilfe, Hilfe bei administrativen Tätigkeiten) der informellen Pflege untersucht.

Ergebnisse: Bei Personen, die körperbezogene Pflegeaufgaben (z. B. Baden und Füttern) erbringen, ist unmittelbar die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie über depressive Symptome berichten, insbesondere wenn die Pflege im eigenen Haushalt erfolgt. Langfristig ist jedoch insbesondere die Übernahme von körperbezogenen Pflegeaufgaben außerhalb des Haushalts mit einer schlechteren psychischen Gesundheit assoziiert.

Diskussion: Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Charakteristiken der Pflegesituation, wie der Ort und die Art der Pflege sowie zeitliche Aspekte, zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen informeller Pflege und mentaler Gesundheit von informellen Pflegepersonen herangezogen werden können.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es ist kein Ethikvotum erforderlich.

 

Pflege, Kinderbetreuung und Gesundheit im mittleren Lebensalter in Deutschland

Deindl C 1, King M 2

 

1 Technische Universität Dortmund, Dortmund

2 Dortmund

 

Hintergrund: Der Zusammenhang zwischen Pflege und Gesundheit ist seit langem ein wichtiges Thema. Durch den zunehmenden demographischen Wandel ist nicht nur mit einer Zunahme informeller Pflege durch Angehörige zu rechnen, durch die Erhöhung des Alters bei der Geburt des 1. Kindes ist damit zu rechnen, dass Pflege auch immer häufiger mit der Betreuung von abhängigen Kindern korreliert. Die sog. Sandwich-Generation, die sich zwischen der Sorge um ihre Eltern und ihre Kinder befinden, haben besonders große Schwierigkeiten, allen Anforderungen, die an sie gestellt werden, gerecht zu werden. Es ist damit zu rechnen, dass sie daher auch vor allem unter den negativen Aspekten von Pflege leiden. Neben negativen Auswirkungen für die Teilhabe am Arbeitsmarkt, die sich auch für Kinderbetreuung zeigen (weniger Arbeitsstunden, geringerer Lohn) ist auch mit Einschränkungen bei der Gesundheit zu rechnen.

Methoden: Basierend auf den Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) von 2001 bis 2018 untersuchten wir mittels (lagged) fixed-effects Regressionen den Zusammenhang zwischen Pflege, Kinderbetreuung und Sandwich-Pflege auf die Lebenszufriedenheit und den Gesundheitszustand von Eltern zwischen 17 und 65 Jahren.

Ergebnisse: Unsere Ergebnisse zeigen: während sich Kinderbetreuung positiv auf die Lebenszufriedenheit auswirkt, sind informelle Pflege und Sandwich-Pflege negativ für die Lebenszufriedenheit. Erstaunlicherweise zeigen sich keine signifikanten Auswirkungen auf die selbst-berichtete Gesundheit. Getrennte Analysen zwischen Männern und Frauen zeigen, dass sich die negativen Auswirkungen von (Sandwich-)Pflege vor allem für Frauen zeigen und auch noch nach einem Jahr nach Beginn der Pflege festzustellen sind.

Diskussion: Informelle Pflege, vor allem, wenn man gleichzeitig für Kinder Sorgen muss, hat negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Pflegenden und diese Auswirkungen treffen vor allem Frauen. Besonders die Kombination von Pflege und Kinderbetreuung zeigt sich als besonders negativ für das Wohlbefinden von Pflegenden.

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es ist kein Ethikvotum erforderlich.

 

Entwicklung und Evaluierung eines Trainings zur Förderung der patient:innenorientierten Kommunikation in der Pflege: Studienprotokoll einer randomisiert-kontrollierten Studie

Mielke K 1, Frerichs W 1, Cöllen K 1, Lindig A 1, Kriston L 1, Härter M 1, Scholl I 1

 

1 Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg

 

Hintergrund: Personalmangel sowie steigende Arbeitsbelastung im Klinikalltag führen zunehmend zu psychischen und physischen Belastungen bei Pflegefachpersonen [1,2]. Dies kann eine patien:innenorientierte Kommunikation erschweren. Studien belegen, dass Trainings zur Förderung von kommunikativen Fähigkeiten patient:innenorientierte Kommunikation verbessern und möglicherweise psychische Belastungen der Teilnehmenden senken können [3,4]. Derzeit mangelt es in Deutschland an bedarfsorientiert entwickelten und gründlich evaluierten Kommunikationstrainings für Pflegefachpersonen. Ziel der Studie ist es, ein bedarfsorientiertes Training zur Förderung der patient:innenorientierten Kommunikation von Pflegefachpersonen zu entwickeln und zu evaluieren, um daraus Empfehlungen für eine langfristige Implementierung abzuleiten.

Methode: Die Studie umfasst drei Phasen. In Phase 1 werden Bedarfe von relevanten Akteur:innen (n=55-60) via Interviews und Fokusgruppen ermittelt. Die Daten werden mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Auf Grundlage der Ergebnisse und einer zusätzlichen Literaturrecherche wird ein Kommunikationstraining entwickelt. In Phase 2 wird das Training mittels einer randomisiert-kontrollierten Studie (n= 180) evaluiert. Die Auswertung erfolgt mittels deskriptiver Statistik, nichtparametrischen Tests und Mixed-Model-Analysen. Primäres Outcome ist die Selbstwirksamkeit der Teilnehmenden bezüglich ihrer kommunikativen Kompetenzen. Sekundäre Outcomes sind subjektiv und objektiv bewertete Kommunikationsfähigkeit, erhoben in standardisierten Gesprächssituationen mit Simulationspatient:innen, psychische Belastungen sowie die Bewertung des Trainings. In Phase 3 werden Expert:innenworkshops durchgeführt, um Empfehlungen für eine langfristige Implementierung ableiten zu können.

Ergebnisse: Vorläufige Ergebnisse aus Phase 1 zeigen, dass Pflegefachpersonen großen Bedarf an einem spefizischen Kommunikationstraining haben. Gewünschte Inhalte hierfür sind u.a. der Umgang mit aggressiven oder fordernden Patient:innen. In Phase 2 wird eine Verbesserung der Selbstwirksamkeit, der objektiv gemessenen und selbstberichteten Kommunikationsfähigkeit sowie weiterer psychologischer Parameter erwartet. Ergebnisse aus Phase 3 sollen die Umsetzung des Kommunikationstrainings in anderen pflegerischen Bereichen unterstützen.

Diskussion: Dies ist unsere Wissens nach die erste Studie in Deutschland, die ein bedarfsorientiertes Kommunikationstraining zum Thema patient:innenorientierte Kommunikation für Pflegefachpersonen systematisch entwickelt und evaluiert. Diese Studie soll die bestehende Lücke an bedarfsorientiert entwickelten und umfassend evaluierten Trainings für Pflegefachpersonen zum Thema patient:innenorientiert Kommunikation in Deutschland schließen.

 

Referenzen:

[1] Kliner K, Renner D, Richter M. Gesundheit und Arbeit- Blickpunkt Gesundheitswesen. BKK Gesundheitsatlas. Berlin: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft und BKK Dachverband e.V. Berlin; 2017.

[2] Ehegartner V, Kirschneck M, Frisch D, Schuh A. Arbeitsfähigkeit von Pflegekräften in Deutschland- Welchen Präventionsbedarf hat das Pflegepersonal: Ergebnisse einer Expertenbefragung. 2020,20(1):422-430.

[3] Adams AMN, Mannix T, Harrington A. Nurses' communication with families in the intensive care unit- a literature review. Nurs Crit Care. 2017;22(2):70-80.

[4] Kerr D, Ostaszkiewicz J, Dunning T, Martin P. The effectiveness of training interventions on nurses`' communication skills: A systematic review. Nurses Educ Today. 2020;89:104405.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte: Der korrespondierende Autor erklärt, dass bei den Autoren folgende Interessenskonflikte bestehen:

Diese Studie wird von der DAK-Gesundheit gefördert. Der Förderer war nicht an der Konzeption der Studie sowie an der Erhebung, Analyse und Interpretation der Daten beteiligt.

Erklärung zum Ethikvotum: Es liegt ein positives Ethikvotum vor.

 

Language barriers and patient-reported outcomes: The role of limited German proficiency in the cancer patient experience

Lee S 1, Pfaff H 2, Ansmann L 1

 

1 Lehrstuhl für Medizinsoziologie, Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Universität zu Köln, Köln

1 Lehrstuhl für Rehabilitationswissenschaft, Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Universität zu Köln, Köln

 

 

Background: Limited language proficiency has been associated with a number of adverse outcomes in health care, such as higher rates of medical errors and lower patient compliance. As patients with cancer are confronted with difficult decisions, effective communication is key to patient-centered care. With a growing migrant population in Germany, it is crucial to examine the role of language barriers in patient-reported outcomes.

Methods: Clinical and survey data were analyzed from a sample of 4822 breast cancer patients who received primary breast surgery in Germany. German proficiency was measured through patients’ subjective assessments and ability to understand and express themselves during their hospital stay. Linear regression models were estimated to evaluate the association between subjective German language proficiency and shared-decision making, communication experiences, and measures of health and quality of life. The models adjusted for clinical indicators (staging, type of treatment) and sociodemographic background (age, education).

Results: Approximately 10% (N=463) of the patient sample indicated a first language other than German. About 6% (N=33) evaluated their German competence as poor, while about 77% (N=420) evaluated their German as good to fluent. Despite the high share of patients with good German proficiency, 19% (N=84) indicated having problems understanding the patient staff, while over 26% (N=118) indicated having problems expressing themselves during their hospital stay. Preliminary results found that patients with language barriers had significantly worse communication experiences, lower participation in shared-decision making, and worse scores of physical functioning and lower quality of life compared with their German-speaking counterparts.

Conclusion: The results align with literature in English-speaking contexts, highlighting disparities in PROs even among patients with good German competence. Findings underscore the importance of addressing the growing needs of the non-German speaking patient population, particularly in light of the complex needs of cancer care and its long-term consequences.


Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es liegt ein positives Ethikvotum vor.

 

Anwendungsmöglichkeiten von Multistate-Modellen in der Return to work Forschung am Beispiel der beruflichen Wiedereingliederung nach Darmkrebs

Soff J 1, Demirer I 2, Breidenbach C 1, Heidkamp P 3, Degenhardt M 3, Heier L 3, Hiltrop K 4, Ernstmann N 4, Kowalski C 1

 

1 Deutsche Krebsgesellschaft e. V., Berlin

2 Lehrstuhl für Medizinsoziologie, Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Universität zu Köln, Köln

3 Forschungsstelle für Gesundheitskommunikation und Versorgungsforschung, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Bonn, Bonn

4 Lehrstuhl für Versorgungsforschung, Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Universität zu Köln, Köln

 

Hintergrund: Die Analyse der Zeit bis zur Rückkehr in den Beruf nach schwerer Erkrankung („Return to work“, RTW) ist eine relevante Forschungsfrage im Bereich der beruflichen Wiedereingliederung, für die etablierte statistische Standardmethoden existieren. Die simultane Analyse verschiedener weiterer Endpunkte (competing risks) erfordern jedoch Analysemethoden, die über die isolierte Schätzung singulärer Übergänge hinausgehen. Das Ziel der Arbeit ist es, die Anwendungsmöglichkeiten von Multistate-Modellen (MSM) in der RTW-Forschung anhand des Beispiels einkommensspezifischer Unterschiede in der Wiederaufnahme einer beruflichen Erwerbstätigkeit bei Darmkrebspatient:innen darzustellen.

Methoden: Die Daten über „Abgeschlossene Rehabilitation im Versicherungsverlauf“ (2012–2019) der Deutschen Rentenversicherung beinhalten neben medizinischen Informationen auch monatliche Daten über die Erwerbstätigkeit der Rehabilitand:innen. Das Einkommen, unterteilt in Terzile (hohes, mittleres, geringes Einkommen), beruht auf dem Individualeinkommen der Person im Jahr vor der Rehabilitation. Für alle Darmkrebspatient:innen ermittelten MSM die Wahrscheinlichkeiten der Zustände: Erwerbstätig, Erwerbslos, Alters- und Erwerbsminderungsrente sowie Tod im Zeitverlauf. Für die relevanten Transitionen zwischen den Zuständen wurden relative Cox-Hazards berechnet, wobei für Alter, Geschlecht und Bildung adjustiert wurde.

Ergebnisse: Von der Ausgangskohorte (N = 5.410) erreichten 26 % einen initialen RTW nach der medizinischen Rehabilitation. Die geringste RTW-Quote wiesen mit 9 % (n = 164) Personen mit geringem Einkommen auf. Personen mit mittlerem Einkommen erreichten zu 29 % (n = 531) und Personen mit hohem Einkommen zu 40 % (n = 727) einen RTW. Die Regressionsanalysen der Transitionen zwischen medizinischer Rehabilitation, Erwerbstätigkeit und Erwerbslosigkeit zeigen, dass Einkommen in signifikantem Zusammenhang mit einem RTW steht.

Diskussion: Wenn mehrere Ereignisse und Endpunkte von Interesse sind, bieten MSM eine sinnvolle Alternative zu den Standardmethoden mit nur einem Ereignis. MSM erlauben die simultane Analyse mehrere Ereigniszeiten eines Datensatzes und können so die Realität des RTW bei Rehabilitand:innen adäquater berücksichtigen. In der Forschung zur beruflichen Wiedereingliederung können MSM dazu beitragen, RTW als einen komplexen, mehrphasigen Prozess darzustellen und so das Verständnis von RTW und seiner Einflussfaktoren zu verbessern.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es ist kein Ethikvotum erforderlich.