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Symposium 4.2: „Medizinsoziologie meets Körpersoziologie“ – der Körper im Fokus sozialer und gesundheitlicher Ungleichheitsforschung

 

AG Medizinsoziologische Theorien

 

Raum: 304

Vorsitz:

Stefanie Sperlich (Hannover)

Kerstin Hofreuter-Gätgens (Hamburg)

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15:00 Uhr: Stefanie Sperlich: „Medizinsoziologie meets Körpersoziologie“ – der Körper im Fokus sozialer und gesundheitlicher Ungleichheitsforschung

 

15:10 Uhr: Imke Schmincke: Identität, Differenz und Ungleichheit. Welche Rolle spielt der Körper für die (Re)Produktion sozialer Ungleichheiten?

 

15:30 Uhr: Thomas Abel: Inkorporiertes kulturelles Kapital und Gesundheit

            

15:50 Uhr: Friedrich Schorb: Gewichtsdiskriminierung und Fat Studies

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„Medizinsoziologie meets Körpersoziologie“ – der Körper im Fokus sozialer und gesundheitlicher Ungleichheitsforschung 

Sperlich S

Die Körpersoziologie untersucht die wechselseitige Beeinflussung von Körper und Gesellschaft. Sie postuliert, dass gesellschaftliche Werte und Normen ebenso wie soziale Strukturen und Technologien den menschlichen Körper prägen. Der Begriff des ‚Embodiment‘ beschreibt, wie soziale Ungleichheiten auf den Leib ‚geschrieben‘ und damit ‚verkörpert‘ werden. Der Körper ist dabei auf vielfältiger Weise mit gesundheits- und krankheitsbezogenen Phänomenen verschränkt.

In der Veranstaltung wollen wir eine Brücke zwischen Körpersoziologie und Medizinsoziologie schlagen und die möglichen Erkenntnisgewinne körpersoziologischer Forschung für die Analyse gesundheitlicher Ungleichheit diskutieren.

Zunächst wird uns Frau Schmincke in das Thema Körpersoziologie einführen und die vielfältigen Verknüpfungen von Körper und sozialer Ungleichheit verdeutlichen. Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt ihres Vortrages: Welche Bedeutung hat der Körper für die eigene Identität? Wie werden soziale Unterschiede durch den Körper sichtbar? Inwieweit reproduziert der Körper soziale Ungleichheiten? Und: Was ist unter rassifizierte Körper zu verstehen?

Darauf aufbauend wenden wir uns dem Thema ‚gesundheitliche Ungleichheit‘ zu. Im Rahmen eines zweiten Impulsreferates (Englisch/Deutsch) führt Herr Abel in das Konzept des inkorporierten kulturellen Kapitals (Bourdieu) ein und zeigt an ausgewählten Beispielen dessen Erklärungskraft für die ungleiche Verteilung von Gesundheitschancen. Folgende Fragen werden thematisiert und zur Diskussion gestellt: Welche Bedeutung hat inkorporiertes kulturelles Kapital in der Reproduktion gesundheitlicher Ungleichheiten? Wie wird inkorporiertes kulturelles Kapital in der qualitativen und quantitativen Gesundheitsforschung operationalisiert? Welche Potentiale ergeben sich für zukünftige Forschung und mögliche public health Interventionen?
In dem abschließenden Beitrag wird Herr Schorb mit dem Thema Gewichtsdiskriminierung und Fat Studies ein exemplarisches gesundheitswissenschaftliches Anwendungsfeld körpersoziologischer Forschung vorstellen. Fat Studies analysieren den gesellschaftlichen Umgang mit hohem Körpergewicht, ohne es auf die hegemoniale Wahrnehmung als Gesundheitsgefahr zu reduzieren und zeigen so für die wissenschaftliche Community eine Möglichkeit zur Analyse körperbezogener Diskriminierung auf.

Die Veranstaltung ist so konzipiert, dass im Anschluss an die Vorträge sowie bilanzierend am Ende der Einzelbeiträge Zeit für Fragen, Kommentare und anregende Diskussionen vorgesehen ist.

 

Identität, Differenz und Ungleichheit. Welche Rolle spielt der Körper für die (Re)Produktion sozialer Ungleichheiten?

Schmincke I 1

 

1 Institut für Soziologie/ LMU München, München

 

Seit mittlerweile über zwanzig Jahren spielt der menschliche Körper auch in der Soziologie eine prominente Rolle. Mit dieser beschäftigt sich die Körpersoziologie, die von der Sozialität und Historizität des Körpers ausgeht. Das bedeutet zum einen, dass die Körper nicht nur passive von sozialen Normen einseitig geprägte Materie sind, sondern dass sich soziale Interaktion vielfach in routinisiertem und manchmal auch eigensinnigem körperlichen Handeln realisiert. Es geht also darum, eine dualistische Sicht auf Körper und Geist theoretisch und empirisch zu überwinden. Zum anderen wird dann auch deutlich, dass das Verhältnis zum Körper, dass Körpernormen und Körperpraktiken als historisch spezifische zu verstehen und analysieren sind. Aus der Einsicht in die Sozialität und Historizität lassen sich sowohl mikrosoziologische wie makrosoziologische Fragen gewinnen. Ein Beispiel für erstere wären Fragen nach der Bedeutung des Körpers für die eigene Identität, die sich etwa mit Blick auf Social Media und die dort inszenierten Körperbilder untersuchen ließen. Makrosoziologische Fragen nach der Bedeutung des Körperlichen für die soziale Ordnung oder den Zusammenhang von Wissen und Macht haben Soziologen wie Norbert Elias oder Michel Foucault mit seinem Konzept der Biopolitik aufgeworfen.

Ein zentrales Thema ist zudem die Frage nach der Relevanz des Körperlichen für die (Re)Produktion sozialer Ungleichheit, um die es in dem Vortrag schwerpunktmäßig gehen soll. Im Anschluss an Pierre Bourdieu und phänomenologische Perspektiven (Simone de Beauvoir, Maurice Merleau-Ponty) soll am Beispiel der Kategorien race, class und gender verdeutlicht werden, dass soziale Ungleichheit sich gleichermaßen in Normen und Praxen ausdrückt wie auch in der Selbstwahrnehmung. In der Gestalt, den Bewegungen des Körpers, im Geschmack und der Wahrnehmung verkörpert sich Soziales. Die Soziologie untersucht kritisch die Naturalisierung des Sozialen. Wie weit sich diese Perspektive mit den Perspektiven der Medizinsoziologie und Medizinpsychologie ergänzen und erweitern ließe, soll am Schluss des Vortrags diskutiert werden.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es ist kein Ethikvotum erforderlich.

 

Inkorporiertes kulturelles Kapital und Gesundheit

Abel T 1

 

1 Institut für Sozial und Präventivmedizin, Universität Bern, Bern

 

Die wachsende Zahl von wissenschaftlichen Publikationen zum Thema „Kulturelles Kapital und Gesundheit“ zeigen das gestiegene Interesse, die Zusammenhänge von materiellen und nicht-materiellen Determinanten der Gesundheit besser zu verstehen. Bourdieus Konzept des inkorporierten kulturellen Kapitals ist zentral in der Frage nach dem Zusammenspiel von ökonomischen, sozialen und kulturellen Ressourcen und deren Bedeutung für die Reproduktion gesundheitlicher Ungleichheit. Der Vortrag fokussiert auf dieses inkorporierte kulturelle Kapital und zeigt, wie es im Zusammenspiel mit anderen Kapitalsorten die Gesundheitschancen der Menschen bestimmt. Er präsentiert Beispiele für die Anwendung des Konzepts in der Sozialepidemiologie, der Gesundheitssystemforschung und in der Gesundheitsförderungsforschung. Dabei werden auch Fragen zur Operationalisierung des Konzepts kurz gestreift. Grundsätzlich verweist der Vortrag auf die große Bedeutung des inkorporierten kulturellen Kapitals in der Schnittstelle zwischen sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit.

 

Gewichtsdiskriminierung und Fat Studies

Schorb F 1

 

1 Universität Bremen, Bremen

 

Soziale Bewegungen gegen Gewichtsdiskriminierung können mittlerweile auf eine mehr als 50jähige Geschichte zurückblicken, seit sie sich ab Ende der 1960er Jahr als Teil der US-Bürger*innenrechtsbewegung zu etablieren begannen. Und auch wenn die Diskriminierung aufgrund eines hohen Körpergewichts gesellschaftlich dominant bleibt, war ihr Engagement nicht folgenlos. Denn dass die Diskriminierung aufgrund eines hohen Körpergewichts ein gesellschaftlich relevantes Problem ist, wird in Fachkreisen zunehmend anerkannt und -- zumindest in Ansätzen -- auch in einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert. Seit Mitte der 2000er Jahre entwickelt sich zudem, ausgehend von den USA, mit den Fat Studies eine akademische Gegenbewegung zur hegemonialen Deutung eines hohen Körpergewichts als Gesundheitsgefahr. Statt die Wahrnehmung von Körperfett a priori auf ein medizinisches und soziales Problem zu reduzieren, fokussieren Fat Studies auf den Umgang mit ›Übergewicht‹ als Ordnungs- und Herrschaftskategorie und analysieren, wie und warum dicke Körper normiert und pathologisiert werden.

Der Vortrag geht zunächst auf die gesellschaftlichen Ursachen und Folgen von Gewichtsdiskriminierung ein. Im weiteren Verlauf werden die wichtigsten Positionen der Fat Studies zusammengefasst und in ihren gesundheitswissenschaftlichen und körpersoziologischen Kontext eingeordnet.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es ist kein Ethikvotum erforderlich.