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Symposium 4.3: Gesundheitssoziologie und Medizinische Soziologie

 

Raum: 307

Vorsitz:

Nico Vonneilich

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15:00 Uhr:  - Vortrag fällt aus - Malte Klemmt: Bekanntheit und Verbreitung von Patientenverfügungen in der Allgemeinbevölkerung in Deutschland - Ergebnisse einer repräsentativen Befragung

 

15:18 Uhr: Nora T Sibert: Arm nach Krebs? Wie schätzen Darmkrebs-patient*innen ihre finanziellen Schwierigkeiten ein Jahr nach Beginn der Behandlung ein? – Erste Ergebnisse von mehr als 4.500 Patient*innen aus DKG-zertifizierten Darmkrebszentren

 

15:36 Uhr: Paula Steinhoff: Soziale Integration und Wohlbefinden im mittleren und höheren Erwachsenenalter: Eine qualitative Netzwerkanalyse

 

15:54 Uhr: Philipp Linden: Der Effekt der Elternschaft auf das Rauchverhalten in verschiedenen Ländern - Eine Längsschnittanalyse

 

16:12 Uhr: Britta Müller: Kopfschmerzbedingte Beeinträchtigungen und sozioökonomischer Status

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Arm nach Krebs? Wie schätzen Darmkrebspatient*innen ihre finanziellen Schwierigkeiten ein Jahr nach Beginn der Behandlung ein? – Erste Ergebnisse von mehr als 4.500 Patient*innen aus DKG-zertifizierten Darmkrebszentren

Sibert NT 1, Breidenbach C 1, Wesselmann S 1, Kowalski C 1

 

1 Deutsche Krebsgesellschaft e. V., Berlin

 

Hintergrund: Obwohl bekannt ist, dass Krebspatient*innen ein erhöhtes Armutsrisiko haben, gibt es aus Deutschland nur wenige quantitative Analysen zu den spezifischen Krebspatient*innenmerkmalen, die mit einer Verschlechterung der finanziellen Situation einhergehen. Ziel dieser Untersuchung ist daher die Deskription von klinischen und sozioökonomischen Merkmalen von Darmkrebspatient*innen mit finanziellen Schwierigkeiten ein Jahr nach Beginn der Behandlung sowie die Identifikation von relevanten Prädiktoren.

Methode: Grundlage der Untersuchung sind Daten der EDIUM-Studie, die Darmkrebspatient*innen einschließt, die in einem von der DKG-zertifizierten Darmkrebszentrum behandelt werden. Das von den Patient*innen angegebene Item "finanzielle Schwierigkeiten" des EORTC QLQ-C30 Fragebogens wird ein Jahr nach Beginn der Behandlung (T1) anhand klinischer, demografischer und sozioökonomischer Merkmale stratifiziert analysiert. Zum Zeitpunkt des Kongresses wird weiterhin ein Prädiktionsmodell vorliegen, mit dem relevante Prädiktoren für finanzielle Schwierigkeiten identifiziert werden sollen (lasso-Regression).

Ergebnisse: Von insgesamt n = 4.533 Patient*innen aus n = 119 zertifizierten Darmkrebszentren, die zu T0 und T1 einen Fragebogen beantwortet hatten, gaben n = 3.762 Patient*innen (83 %) an, vor Beginn der Behandlung (T0) keine finanziellen Schwierigkeiten gehabt zu haben. Von diesen berichteten 918 (25 %) zu T1 über finanzielle Schwierigkeiten. Der Anteil derjenigen, die finanzielle Schwierigkeiten angaben, war bei Männern höher als bei Frauen (26% vs. 22%), bei jüngeren Patient*innen (<60 Jahre) höher als bei älteren (42% vs. 20%) und bei Patient*innen ohne oder mit einem Haupt- oder Realschulabschluss höher als bei Patient*innen mit einem höheren Schulabschluss (26% vs. 20%).

Diskussion: Diese ersten deskriptiven Ergebnisse unterstreichen, dass ein erheblicher Anteil der befragten Patient*innen ein Jahr nach Beginn der Behandlung über finanzielle Schwierigkeiten berichtet - insbesondere sozioökonomisch vulnerable Gruppen. Zusammen mit dem zu erwartenden Prädiktionsmodell sollten sie bspw. von sozialdienstlichen Einrichtungen genutzt werden, um bedarfsgerechte Unterstützungsmöglichkeiten anzubieten.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es liegt ein positives Ethikvotum vor.

 

Soziale Integration und Wohlbefinden im mittleren und höheren Erwachsenenalter: Eine qualitative Netzwerkanalyse

Steinhoff P 1, Ellwardt L 1

 

1 Institut für Soziologie und Sozialpsychologie, Universität zu Köln, Köln

 

Hintergrund: Soziale Beziehungen und soziale Integration sind wesentliche Bestandteile von Gesundheit und Wohlbefinden, insbesondere bei älteren Erwachsenen. Soziale Integration verbessert die physische und psychische Gesundheit und erhöht die allgemeine Lebenszufriedenheit. Trotz der Bedeutung dieser Faktoren gibt es nur ein begrenztes Verständnis der Zusammensetzung und Merkmale von Netzwerken für Gesundheit und Wohlbefinden bei Erwachsenen. Ziel dieser Studie ist es zu untersuchen, welche Merkmale sozialer Netzwerke für das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit von Erwachsenen im mittleren und höheren Lebensalter wichtig sind.

Methoden: Es wurden semi-strukturierte qualitative Interviews mit 29 Erwachsenen durchgeführt, die zwischen 2022 und 2023 Mitglied in verschiedenen lokalen Vereinen in Nordrhein-Westfalen waren. Zusätzlich zeichneten die Befragten ihre egozentrierte soziale Netzwerkkarte mit Hilfe des Namensgenerator-Ansatzes. Die Daten wurden mit „Reflexive Thematic Analysis“ ausgewertet

Ergebnisse: Die Teilnehmenden waren zwischen 39 und 80 Jahre alt (Durchschnittsalter 61 Jahre). Insgesamt waren die Befragten mit ihrem sozialen Netzwerk zufrieden. Familiäre Beziehungen waren am wichtigsten für die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden. Allerdings bestanden auch die meisten negativen Beziehungen zu Familienmitgliedern und wirkten sich somit negativ auf das Wohlbefinden aus. Freundschaften waren eine wichtige Ressource für das Wohlbefinden, und die Mitgliedschaft in einem sozialen Verein war eine aktive Strategie zur Verbesserung des Wohlbefindens. Obwohl die Covid-19-Pandemie einen allgemeinen Einfluss auf das soziale Netzwerk hatte, wurden einige soziale Beziehungen durch die Pandemie gestärkt, was von den Teilnehmenden als positives Ergebnis angesehen wurde.

Diskussion: Familien- und Freundschaftsbeziehungen sind wichtig für die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Erwachsenen. Die Qualität der sozialen Beziehungen ist für das Wohlbefinden wichtiger als die Größe des sozialen Netzwerks. Die aktive Mitgliedschaft in einer sozialen Organisation fördert die soziale Integration und das Wohlbefinden. Die Studie zeigt nicht nur, welche Netzwerkmerkmale das Wohlbefinden von Erwachsenen beeinflussen, sondern auch wie sie es beeinflussen.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es ist kein Ethikvotum erforderlich.

 

Der Effekt der Elternschaft auf das Rauchverhalten in verschiedenen Ländern - Eine Längsschnittanalyse

Linden P 1, Reibling N 1

 

1 Hochschule Fulda (University of Applied Sciences), Fulda

 

Hintergrund: Der Übergang zur Elternschaft und die damit verbundenen (neuen) Familienrollen haben einen bedeutenden Einfluss auf die Gesundheit und Lebenserwartung. Gesundheitsbezogenes Verhalten ist dabei ein wichtiger Mechanismus, über den die Beziehung zwischen Elternschaft und Gesundheit vermittelt wird. Die Elternschaft führt häufig zu Veränderungen von Werten und Orientierungen, die gesundheitsförderndes Verhalten begünstigen. Die Übernahme der Elternrolle geht jedoch auch mit Anforderungen einher, die Stress erzeugen.

Wir untersuchen, wie sich die Geburt des ersten Kindes auf das Rauchverhalten von Eltern in verschiedenen Ländern auswirkt. Frühere Studien in diesem Bereich untersuchten meist Querschnittsdaten, wodurch der tatsächliche Effekt der Elternschaft nur bedingt isoliert werden konnte. Auch konnte kaum zwischen den Auswirkungen der elterlichen Erziehung und Selektionseffekten unterschieden werden, die sowohl die elterliche Gesundheit als auch das Gesundheitsverhalten beeinflussen.

Daten und Methoden: Wir verwenden vergleichende Daten für sechs Länder (Australien, Deutschland, Russland, Schweiz, USA & UK) von 2001 bis 2019. Die Panelstruktur ermöglicht es uns, den Effekt der Elternschaft auf das Rauchverhalten mit einem Differenz-in-Differenz-Design zu ermitteln, das unbeobachtete Heterogenität zwischen Eltern und kinderlosen Erwachsenen berücksichtigt. Außerdem können wir aufgrund des langen Zeitraumes untersuchen, wie sich die Elternschaft im Laufe der Zeit auf das Rauchverhalten auswirkt.

Ergebnisse: Deskriptive Analysen zeigen, dass sich die Wahrscheinlichkeit des Tabakkonsums in bestimmten Ländern (DE & UK) für beide Geschlechter vor der Geburt signifikant verringert und auf niedrigerem Niveau verbleibt. Die Längsschnittmodelle zeigen darüber hinaus, dass die Wahrscheinlichkeit des Tabakkonsums bei Frauen kontinuierlich steigt, je länger die Geburt zurückliegt.

Zusammenfassung: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Eltern ihr Rauchverhalten aufgrund der antizipierten Geburt verändern, wobei sich die Größe des Effektes zwischen den Ländern unterscheidet. Die Mechanismen der sozialen Kontrolle wirken so zumindest zeitweise stärker als die Zwänge durch Rollenkonflikte und dem erlebten Stressniveau. Präventionsprogramme könnten hier ansetzen, um den Antizipationseffekt auch nachhaltiger wirken zu lassen.

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es ist kein Ethikvotum erforderlich.

 

Kopfschmerzbedingte Beeinträchtigungen und sozioökonomischer Status

Müller B 1, Gaul C 2, Reis O 3, Jürgens TP 4, Kropp P 1, Ruscheweyh R 5, Straube A 5, Brähler E 6, 7, Förderreuther S 5, Schroth J 8, Dresler T 9, 10

 

1 Universitätsmedizin Rostock, Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Rostock

2 Kopfschmerzzentrum Frankfurt, Frankfurt

3 Universitätsmedizin Rostock, Klinik für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes-/Jugendalters, Rostock

4 Universitätsmedizin Rostock, Klinik für Neurologie, Rostock

5 Ludwig Maximilian Universität München, Campus Großhadern, Neurologische Klinik und Poliklinik, München

6 Universitätsmedizin Leipzig, Integriertes Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) Adipositas ­Erkrankungen – Verhaltensmedizin, Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Leipzig

7 Universitätsmedizin Mainz, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Mainz

9 Medizinische Hochschule Brandenburg, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Kindes- und Jugendalter, Neuruppin

10 Universitätsklinikum Tübingen, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Tübingen

11 Universität Tübingen, LEAD Graduate School & Research Network, Tübingen

 

Hintergrund: Kopfschmerzerkrankungen gehören nicht nur zu den am weitesten verbreiteten (1), sondern auch zu den am stärksten beeinträchtigenden Erkrankungen (2) weltweit. In diesem Beitrag wird der Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status (SES) und kopfschmerzbedingten Beeinträchtigungen untersucht.
Methoden: Die Daten stammen aus einer bundesweiten Zufallsstichprobe der deutschsprachigen Wohnbevölkerung. Die Erhebung fand 2016 in Form einer Haushaltsbefragung (Face-to-Face) statt (3). Analysiert wurden Personen im Alter von ≥ 18 Jahren, die seit mindestens einem Jahr unter Kopfschmerz litten (N = 803). Zur Erfassung der kopfschmerzbedingten Beeinträchtigungen wurde die deutsche Version des Headache Impact Tests (HIT-6) verwendet (4). Der SES wurde über einen mehrdimensionalen Index (Haushaltseinkommen, Bildung, berufliche Stellung) gemessen (5).

Ergebnisse: Personen mit niedrigem und mittlerem SES wiesen eine erhöhte relative Chance für stärkere kopfschmerzbedingte Beeinträchtigungen auf. Nach Kontrolle soziodemografischer Variablen, kopfschmerzbezogener Faktoren (Schmerzmitteleinnahme, Kopfschmerzdauer, Kopfschmerzhäufigkeit, Migränediagnose), depressiver Symptome, körperlicher Inaktivität und Adipositas reduzierte sich der Zusammenhang auf Personen mit niedrigem SES. Bei zusätzlicher Berücksichtigung der Interaktion "SES*Adipositas" zeigte sich eine erhöhte Chance für stärkere kopfschmerzbedingte Beeinträchtigungen bei adipösen Personen im Vergleich zu Normalgewichtigen in der Gruppe mit niedrigem SES: OR = 3.64, 95% CI [2.69, 4.59], p = .025. In den Gruppen mit mittlerem und hohem SES traten keine signifikanten Unterschiede in der Stärke kopfschmerzbedingter Beeinträchtigungen zwischen adipösen und nicht adipösen Personen auf.

Diskussion: Der SES ist ein wichtiger Faktor, der bei Kampagnen zur Sensibilisierung für Kopfschmerzen und bei der Kopfschmerzbehandlung nicht vernachlässigt werden sollte. In Zukunft sind Längsschnittstudien erforderlich, um zu untersuchen, ob Lebensstilmaßnahmen, wie z. B. eine Gewichtsreduktion, dazu beitragen können, die Auswirkungen von Kopfschmerzen bei Menschen mit niedrigem SES zu verringern.

 

Referenzen:

[1] Stovner LJ, Hagen K, Linde M, Steiner TJ. The global prevalence of headache: an update, with analysis of the
influences of methodological factors on prevalence estimates. The journal of headache and pain. 2022;23(1):34.

[2] Stovner LJ, Nichols E, Steiner TJ, Abd-Allah F, Abdelalim A, Al-Raddadi RM, et al. Global, regional, and national burden of migraine and tension-type headache, 1990–2016: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016. The Lancet Neurology. 2018;17(11):954-76.

[3] Müller B, Dresler T, Gaul C, Glass Ä, Jürgens TP, Kropp P, et al. More attacks and analgesic use in old age: self-reported headache across the lifespan in a German sample. Frontiers in neurology. 2019:1000.

[4] Kosinski M, Bayliss M, Bjorner J, Ware J, Garber W, Batenhorst A, et al. A six-item short-form survey for measuring headache impact: The HIT-6™. Quality of Life Research. 2003;12(8):963-74.

[5] Lampert T, Kroll LE, Müters S, Stolzenberg H. Measurement of socioeconomic status in the German Health Interview and Examination Survey for Adults (DEGS1).

 

Beitragserklärung:

Interessenskonflikte:

Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.

Erklärung zum Ethikvotum:

Es liegt ein positives Ethikvotum vor.