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Projektgruppe B: Krankheitsrisiken durch Lebensmittel - Ausgangssituation

Projekt: „Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis (MAP) und Morbus Crohn?“


Ausgangssituation:
Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis (MAP) wurde erstmalig 1895 als ätiologisches Agens bei einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung einer Kuh in Deutschland beschrieben (Johne und Frothingham, 1895). Der Dedikationsname Johne’s Disease wurde für diese bei Wiederkäuern, aber auch weiteren Säugetieren auftretende Paratuberkulose (ParaTB) eingeführt. Es handelt sich um eine Erkrankung, die in Europa nach wie vor weit verbreitet ist und zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden führt.
Aufgrund der vergleichbaren pathomorphologischen Veränderungen der beim Menschen als Morbus Crohn (MC) bezeichneten chronisch entzündlichen Darmerkrankung wurde bereits zu Beginn des vorigen Jahrhunderts der Verdacht geäußert, daß Mykobakterien ätiologisch eine Rolle im Infektionsgeschehen spielen können. Namensgebend war die Beschreibung von acht Fällen einer Ileitis durch Crohn, Ginzburg und Oppenheimer (1932) am Mount Sinai Hospital in New York. Die erste exakte Charakterisierung des klinischen Verlaufs erfolgte bereits 1913 durch Dalziel in Glasgow. Die Ähnlichkeiten zwischen klinischen und histologischen Erscheinungen bei der bovinen ParaTB und der humanen intestinalen TB und dem MC sind nicht zu leugnen, zumal MAP aus Gewebeproben Erkrankter zu isolieren war (Burnham et al., 1978). Mit der Verbesserung der Nachweismethoden und der Einführung der PCR-Methodik gelang der Nachweis von MAP bei erkrankten Tieren und Menschen immer häufiger (Lisby et al., 1994). Mittels Pulsfeldgelelektrophorese (PFGE) konnte überdies ein hoher genetischer Verwandtschaftsgrad der jeweiligen Isolate gefunden werden. Diese Befunde sind nur als erste Hinweise zu deuten. Systematisch, d.h. in geografischem und zeitlichem Zusammenhang stehende Untersuchungen existieren bisher nämlich nicht. Die MAP-Hypothese wurde dadurch gestützt, daß eine antimykobakterielle Therapie zu einer Verbesserung des Krankheitsbildes führte, und die Annahme zumindest einer Beteiligung von MAP am Infektionsgeschehen damit erhärtet wurde (Gui et al., 1997).
Basierend auf einer entsprechenden Literaturstudie mit über 300 Veröffentlichungen war Chiodini (1998) davon überzeugt, einen Zusammenhang zwischen MC und MAP liefern zu können.
Dennoch wird die Beteiligung von MAP an MC nach wie vor sehr widersprüchlich diskutiert. Während einige Autoren den Zusammenhang als nicht gesichert charakterisieren (Horowitz und Lien, 1997), sehen andere Wissenschaftler diese Verbindung als erwiesen an (Hermon-Taylor und Bull, 2002).
Eine Multi-Center-Studie für Europa (Lennard-Jones, 1996) besagt, daß die Inzidenz, d.h. die Neuerkrankungen für MC 5,6 Fälle/100.000 Einwohner/Jahr beträgt; damit sind über 200.000 Menschen betroffen. Die Entzündung kann sich über den ganzen Verdauungstrakt erstrecken. Sie verläuft in Schüben und bedeutet für die Betroffenen eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität. Die Letalität liegt bei ca. 6%. Allein in Deutschland leiden nach Schätzungen ca. 200.000 Menschen an Morbus Crohn.
In der Diskussion über mögliche Vektoren stehen Milch und Milcherzeugnisse im Vordergrund (Millar et al., 1996). Aufgrund der hohen Tenazität von MAP in der belebten und unbelebten Umwelt sind aber weitere Eintragungs-/Infektionswege wahrscheinlich. Dazu zählen Gemüse (Pavlik et al., 2002), Trinkwasser (Nayderry und Hitchens, 1978) sowie Fleisch und Fleischerzeugnisse (Gwozdz et al., 1997; Chamberlin, 2001; Rubery, 2001). Da sich eine eindeutige Identifikation des Erregers zunächst schwierig gestaltete, führte dieses zu der Annahme einer multifaktoriellen Ätiologie und Pathogenese, bei der genetische Faktoren (teilweise familiär gehäuftes Auftreten, mögliche Defekte der Darmbarriere, immunologische, diätetische und psychologische Faktoren bzw. eine drastische Schädigung der Darmbarriere) durch einen sog. „first hit“ diskutiert werden.

Vor diesem Hintergrund sollen folgende Fragestellungen bearbeitet werden:

  1. Ermittlung der Prävalenz von MAP in Wiederkäuerbeständen
  2. Erfassung von Umwelt- und Haltungseinflüssen sowie genetisch prädisponierender Faktoren im MAP-Infektionsgeschehen bei Wiederkäuern,
  3. Ermittlung der Prävalenz von MAP in Lebensmitteln tierischen Ursprungs,
  4. Bestimmung der Überlebensfähigkeit von MAP in Lebensmitteln in Abhängigkeit technologischer Prozeßführung,
  5. Erfassung des geografischen und zeitlichen Auftretens von Paratuberkulose der Tiere und Morbus Crohn des Menschen (regionale Häufungen?),
  6. immunologischer Status bei Morbus Crohn-Patienten in Korrelation zu einer Exposition gegenüber MAP,
  7. Vergleich der aus unterschiedlichen Habitaten gewonnenen MAP-Stämme (Umwelt, Tierbestände, Lebensmittel, Mensch) auf deren Verwandtschaftsgrad,
  8. methodische Fortentwicklung spezifischer Nachweisverfahren für MAP (mikrobiologisch und molekularbiologisch).