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Symposion: Mit allen Sinnen? Synchresis von Medienereignissen

Symposion des Graduiertenkollegs "Transnationale Medienereignisse von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart" am 16.11.2009

Bei der wissenschaftlichen Betrachtung von Medienereignissen liegt das Hauptaugenmerk in aller Regel auf der quantitativen und qualitativen textuellen Verdichtung von Kommunikation; wenig beachtet wird dabei, dass das Medienereignis insbesondere im Zeitalter elektronischer Massenmedien immer verschiedene Sinne adressiert: Wenn wir die Übertragung einer Papstbeerdigung im Fernsehen oder Internet verfolgen, so nehmen wir gleichzeitig Ton und Bild wahr. Der Filmwissenschaftler Michel Chion hat dafür am Beispiel des Films, seiner Gleichzeitigkeit von bewegtem Bild und Tonspur, den Begriff der Synchresis geprägt (Michel Chion: Audio-Vision. New York, 1994), ein Neologismus, der sich aus Synchronität und Synthese zusammensetzt und die Verbindung von Gehörtem und Gesehenem, die die Betrachtenden im Wahrnehmungsvorgang herstellen, beschreibt. Die aktuelle Filmforschung geht noch einen Schritt weiter und postuliert, dass auch andere Wahrnehmungskanäle angesprochen und ein Film auf der Kinoleinwand zur gesamtkörperlichen Erfahrung wird (Vivian Sobchack: Carnal Thoughts. Berkeley u.a., 2004). Zudem ist zu beobachten, dass sich beispielsweise das Radio bemüht, die visuellen Seiten eines Ereignisses mit seinen akustischen Mitteln darzustellen, dass ein Comic immer auch akustische Empfindungen zu vermitteln sucht.

In dem geplanten Symposion soll der enge Begriff der Synchresis systematisch um andere Dimensionen der Wahrnehmung ergänzt und hinsichtlich seiner Tauglichkeit zur Untersuchung der zeitlich verdichteten Wahrnehmung des Medienereignisses befragt werden. Dabei wird das Medienereignis als ein Wahrnehmungsereignis angenommen. Wir stellen die Fragen, wie und mit welchen Sinnen ein Medienereignis wahrgenommen wird, welche Medientechniken zu diesem Zwecke zum Einsatz kommen, wie die Wahrnehmung bei den Betrachtenden abläuft und ob sich ein Medienereignis durch eine besondere Verdichtung synchroner Wahrnehmungsvorgänge auszeichnet. Im Vordergrund steht dabei die Kommunikation auf nicht-sprachlicher Ebene. Mit dem Versuch, ExpertInnen aus den einzelnen „Sinneswissenschaften“ (Bild, Ton/Musik, Körper) mit den TeilnehmerInnen des Symposions in einen Dialog zu bringen, sollen Disziplingrenzen überschritten und disziplinenspezifische Methoden auf ihre Übertragbarkeit zugunsten eines synchretischen Blicks auf das Medienereignis hinterfragt werden.

Dieses Bestreben spiegelt sich auch in der auf gemeinsames Erarbeiten neuer Wege ausgerichteten Form des Symposions wieder: Nach einer round-table Diskussion am Vormittag sind für den Nachmittag Arbeitgruppen geplant, in denen exemplarisch das aktuelle Medienereignis des Todes von Michael Jackson hinsichtlich seiner Reize für die verschiedenen Sinne untersucht und die Anwendbarkeit eines wahrnehmungszentrierten Ansatzes auf den Prüfstand gestellt werden soll. Für diese Arbeitsgruppen werden Materialien zusammengetragen, anhand derer die Wahrnehmung des gewählten Medienereignisses mit verschiedenen Sinnen untersucht werden soll. In einer abschließenden Diskussionsrunde werden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zusammengebracht mit dem Ziel eine neue Perspektive zur Untersuchung von Medienereignissen vorzustellen.

 

Programm

9.00 bis 11.30 Uhr:
Begrüßung, Impulsvorträge und erste Plenumsdiskussion (Stephan Packard, München; Thomas Morsch, Berlin; Frank Schätzlein, Hamburg; Gunnar Schmidt, Trier;
Moderation: Silke Tammen, Gießen), Phil I, B 29

11.30 bis 12.00 Uhr:
Vorstellung des Medienereignisses "Tod Michael Jacksons"; Präsentation des Materials (Johannes Pause, Gießen), Phil I, B 29

12.00 bis 13.00 Uhr: Mittagessen

13.00 bis 15.45 Uhr:
Arbeitsgruppen (in den Räumen des Graduiertenkollegs):
Akustische Wahrnehmung (Frank Schätzlein)
Visuelle Wahrnehmung (Gunnar Schmidt)
Körperliche Wahrnehmung (Thomas Morsch)
Wahrnehmung im Comic (Stephan Packard)

15:45 bis 16:00 Uhr: Pause

16.00 bis 18.00 Uhr:
Plenumsdiskussion (Moderation: Corinna Kaiser, Gießen/Oxford), Phil I, B 29