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Veröffentlichungen • Folatstatus in der Frühschwangerschaft von Vollwertköstlerinnen

Unkelbach B, Koebnick C, Heins U, Leitzmann C

Poster zum 35. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Ernährung 1998
Abstract: Z Ernährungswiss 1998, 37(1): 86-87

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Einleitung

Die Folsäureversorgung wird in den westlichen Industriestaaten als kritisch bezeichnet (Urban 1980, Hages et al. 1989). Die Schwangerschaft stellt einen Zeitraum mit einer besonderen Anforderung an die Folsäureversorgung dar. Die DGE empfiehlt ab dem 4. Schwangerschaftsmonat eine Folsäurezufuhr von 300 µg Folsäureäquivalente/d (DGE 1991).

Die Bedeutung der Folsäureversorgung spielt eine Rolle hinsichtlich des Auftretens von Neuralrohrdefekten. In den letzten Jahren wird ein Zusammenhang zwischen einer unzureichenden Folsäureversorgung in der Frühschwangerschaft und der Pathogenese von Neuralrohrdefekten verstärkt diskutiert (Gerster 1991, Wald et al. 1991, Koletzko und von Kries 1995).

Die Empfehlungen der Vollwert-Ernährung werden in erster Linie für gesunde Erwachsene ausgesprochen. Mit dieser Untersuchung soll ihre Eignung zur Gewährleistung einer adäquaten Folsäureversorgung in der Frühschwangerschaft untersucht werden.

 

Untersuchungsgruppe und Methoden

Im ersten Untersuchungsabschnitt der Studie "Vollwert-Ernährung in der Schwangerschaft" wurden die Daten von 42 Vollwertköstlerinnen und 28 Mischköstlerinnen (MK) im Alter von 23 - 41 Jahren erhoben. Sie teilen sich in 20 Vegetarierinnen (VEG) und 22 Frauen mit geringem Verzehr von Fleisch und Fisch (NVEG). Die Vollwertköstlerinnen ernähren sich seit mindestens zwei Jahren nach den Empfehlungen für die Vollwert-Ernährung, die MK entsprechend dem Bundesdurchschnitt.

Die Folsäurezufuhr wurde aus einem 4-Tage-Ernährungsprotokoll mit Hilfe des Bundeslebensmittelschlüssels BLS II.2 berechnet. Die Bestimmung der Plasma- und Erythrozytenfolsäure erfolgte mit dem Lummineszensassay (Ciba Corning).

 

Ergebnisse

Folsäurezufuhr

Die mittlere Folsäurezufuhr (angegeben in Folsäureäquivalenten) unterscheidet sich bei VEG, NVEG und MK signifikant (p = 0,0027) (Tab. 1). Die höhere Zufuhr der VEG ist hauptsächlich auf einen höheren Verzehr von rohem und erhitztem Gemüse, Obst und Vollkornprodukten zurückzuführen. Die VEG und NVEG verzehren fast doppelt soviel Gemüse wie die MK, einen großen Teil davon in unerhitzter Form. Die VEG wiederum mehr als die NVEG (Abb. 1). Die DGE empfiehlt bis zum 4. Schwangerschaftsmonat eine Folsäurezufuhr von 150 µg/d. Diese Empfehlung wird ausschließlich von den MK nicht erreicht.

Abb. 1: Folsäurezufuhr in Form von Folsäureäquivalenten (µg/d)

Folsäurekonzentration im Plasma

Die drei untersuchten Gruppen unterscheiden sich ebenfalls hinsichtlich ihres Plasmafolsäurespiegels signifikant (p = 0,0002) (Tab.1). Wird ein Grenzwert von 3 ng/ml für die Plasmafolsäure zugrunde gelegt, ist das gesamte Kollektiv ausreichend versorgt. Den höchsten mittleren Plasmaspiegel weisen die VEG
auf (Abb. 2 + 3).

 

Tab. 1: Folsäurezufuhr, Plasmafolsäure sowie Erythrozytenfolsäure der VEG, NVEG und MK

   

Mean

SD

SE

Folsäurezufuhr
(µg Folsäureäquivalente/d)
VEG
NVEG
MK

173
147
126

48,5
54,2
29,1

10,8
11,6
5,7

Plasmafolsäure
(ng/ml)
VEG
NVEG
MK

9,7
8,9
6,0

3,4
2,2
1,6

0,9
0,6
0,4

Erythrozytenfolsäure
(ng/ml)
VEG
NVEG
MK

176
146
157

40,0
27,1
40,8

12,7
8,2
9,9

 

.

Abb2

Abb. 2: Plasmafolsäurekonzentration der VEG, NVEG und MK

 .

Abb3

Abb. 3: Kumulative Häufigkeitsverteilung der Folsäurekonzentration im Plasma

  

Folsäurekonzentration im Erythrozyten

Die Erythrozytenfolsäure ist der aussagekräftigste Indikator für die Folsäureversorgung. Zwischen den drei Untersuchungsgruppen konnte kein signifikanter Unterschied bei der Erythrozytenkonzentration festgestellt werden (Tab. 1). Den Grenzwert von 140 ng/ml unterschreiten 10 % der VEG, 36 % der NVEG und 35 % der MK (Abb. 4 + 5 + 6).
.

Abb4

Abb. 4: Erythrozytenfolsäurekonzentration der VEG, NVEG und MK

.

Abb5

Abb. 5: Kumulative Häufigkeitsverteilung der Folsäurekonzentration im Erythrozyten

 .

Abb6

Abb. 6: Beziehung zwischen Folsäurekonzentration im Plasma und Erythrozyten

  

Schlußbetrachtung

Abschließend kann festgestellt werden, daß die Gruppe der Vollwertköstlerinnen eine bessere Folsäureversorgung aufweist als die der Mischköstlerinnen. Dabei weisen die VEG verglichen mit den NVEG und MK die höchsten Werte in der Folsäurezufuhr sowie in der Plasma- und Erythrozytenfolsäurekonzentration auf.

Durch den hohen Anteil an unerhitzter Frischkost erweist sich die Vollwert-Ernährung als eine günstigere Kostform, um eine adäquate Folsäurezufuhr in der Frühschwangerschaft zu gewährleisten.

Im weiteren Schwangerschaftsverlauf ist die Zufuhr auch für die Vollwertköstlerinnen jedoch kritisch zu sehen, da die DGE ab dem 4. Schwangerschaftsmonat eine Folsäurezufuhr von 300 µg/d empfiehlt. Diese Menge wird im Schnitt von keiner der untersuchten Gruppen erreicht.

 

Literatur

  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr, S 123-128, 135-140, Umschau-Verlag, Frankfurt/Main 1991
  • Gerster H, Rolle der Folsäure bei der Verhinderung von Neuralrohrdefekten (NRD), Ernährung 15, 214-216, 1991
  • Hages M, Jenke M, Mirgel C, Pietrzik K, Bedeutung einer Folsäure-Substitution während der Schwangerschaft, Geburtshilfe und Frauenheilkunde 49, 523-528, 1989
  • Koletzko B, von Kries R, Prevention of neural tube defects by folic acid administration in early pregnancy, Joint recommendations of the German Society of Nutrition, Gynakol Geburtshilfliche Rundschau 35, 2-5, 1995
  • Urban G, Die Beurteilung der Folatversorgung verschiedener Bevölkerungsgruppen anhand biochemischer und hämatologischer Meßgrößen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Cobalamin- und Eisenversorgung, Diss. Landwirtschaftliche Fakultät der Universität Bonn 1980
  • Wald N, Sneddon J, Densem J, Frost C, Stone R, Prevention of neural tube defects:results of the Medical Research Council vitamin study, Lancet, 338, 131-137, 1991

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