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Das ius belli ac pacis in Deutschland vom Untergang des alten Reiches 1806 bis zur Gründung des Deutschen Reiches 1871

Auch wenn der Titel der in Arbeit befindlichen Dissertation durch den gewählten Zeitraum mehr rechtshistorische als zeitgenössische Relevanz zu besitzen scheint, ist das Recht eines Staates, sich eine bewaffnete Macht zu halten und damit seine Bürger gegen äußere Eingriffe anderer Staaten zu schützen, wohl unzweifelhaft ein Kernbestandteil der staatlichen Souveränität. In Ausübung dieser Souveränität haben die Staaten dann zugleich das Recht, mit anderen Staaten Kriege zu führen, Verträge zur Vorbereitung und Beendigung solcher abzuschließen und, ganz allgemein, diplomatischen Verkehr miteinander zu unterhalten.
Nach zwei entsetzlichen Weltkriegen im letzten Jahrhundert, bei denen Deutschlands Verwicklung im Ersten und das Lostreten des Zweiten unsäglich viel Leid weit über Europa hinaus gebracht haben, hat Krieg für uns Deutsche einen ganz besonders schrecklichen Klang. Nach einer bedingungslosen Kapitulation waren 1945 nicht nur der Verlust der Souveränität Deutschlands, sondern die damit einhergehenden millionenfachen Vertreibungen der Bevölkerung in den verlustig gegangenen Gebieten, ebenso prägend, wie die jahrzehntelange Spaltung durch den sog. Eisernen Vorhang und die Zugehörigkeit der beiden Restteile zu unterschiedlichen politischen Machtblöcken und -systemen. Erst 55 Jahre nach Kriegsende entstand durch den Zusammenbruch des sog. Realen Sozialismus mit Zustimmung der Siegermächte eine neue Einheit samt Souveränität in einem neu formierten Europa, der damaligen Europäischen Gemeinschaft, nach dem Vertrag von Maastricht 1992 die Europäische Union - eine Wirtschafts- und Wehrgemeinschaft, wenn man die NATO als faktischen, gemeinsamen Schild der EU-Mitglieder hinzuzählt.
Damit lässt sich eine Brücke von den gewaltsamen Veränderungen (in unserer jetzigen Diktion: Eroberungskriege) durch Napoleon Bonaparte am Ende des 18. zum 19. Jahrhundert und den sowohl vorangegangenen staatlichen Zusammenschlüssen wie dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation aber auch zu dem, von Napoleon ausgelösten Zusammenbruch desselben 1806, bis hin zu den neuzeitlichen Einigungs- aber auch aktuellen Zerfallsbestrebungen in Europa schlagen: in dem zu behandelnden Zeitraum war es nämlich das Ziel des Deutschen Bundes, eine robuste Verteidigungsgemeinschaft (in einem wesentlichen Großraum West- und Mitteleuropas einschließlich weiter Gebiete Nordost- und Südosteuropas) zu installieren, was aber durch die divergierenden Interessen der beiden involvierten Großmächte (Preußen und Österreich) nicht möglich war.
Die Ähnlichkeit zu den schwelenden Konflikten des wesentlich größeren Gebiets der EU und des transatlantischen Bündnisses der NATO einerseits durch die anders geprägten Interessen Russlands in und an einem geeinigten Europa, auch verbunden mit dem derzeit aufkeimenden Nationalismus in verschiedenen europäischen Staaten, ist in vielerlei Hinsicht fast modellhaft in den beiden Hegemonialmächten vorgegeben, die beide Vielvölkerstaaten waren und in ihrem Bewusstsein, d. h. den damaligen politisch-geistigen Strömungen zu einem großen Teil der Vorstellung des gerechten Krieges (bellum iustum), also der auf dem Schlachtfeld ausgetragenen Politik, verhaftet waren.
Die kriegerischen Auseinandersetzungen beim Zerfall des ehemaligen Jugoslawien (mit Vertreibungen, Völkermord u.a.m.) oder die Vorgänge in der gleichfalls europäischen Ukraine zeigen, dass Krieg und Kriegshandlungen mit den ihnen zwangsläufig verbundenen Erscheinungen (euphemisch nun Kollateralschäden genannt) auch weiterhin Bestandteil der Politik sind, was dem Themenkreis Souveränität, Staatengebilden und Kriegsrecht bleibende Relevanz zukommen lässt.
Insofern soll die Ausrichtung der Dissertation auf den gewählten Zeitraum auch in Hinblick auf die föderale Struktur der heutigen Bundesrepublik und den Spannungen in der EU zwischen bundesstaatlichen bzw. staatenbundartigen Bestrebungen in der EU Vergleichsansätze liefern, da Kriege und Kriegsrecht auch immer wirtschaftliche, konkret Finanzaspekte, betreffen. Das damals Finanzverfassung genannte Sachgebiet war faktisch wesentlicher Teil der Kriegsverfassung im Verfassungsrecht des Deutschen Bundes, weil fast alle finanziellen Mittel des Bundes für den Verteidigungsbedarf Verwendung fanden - die sonstigen (Bundes-) Ausgaben waren im Verhältnis zu den sozialen und wirtschaftlichen Aufgaben, die heutige Staaten zu tragen haben, zu vernachlässigen. Auch hier drängt sich ein Vergleich zur jüngsten Diskussion der vom US-amerikanischen Präsidenten geforderten Erhöhung der Wehretat-Beiträge der Nato-Mitgliedstaaten auf, weil durch das Zurücktreten des Herrschaftsmoments in modernen Staaten ganz allgemein und damit in den Auswirkungen bei Militärbündnissen wie der NATO im Besonderen, eine Unsicherheit, wenn nicht gar ein Vakuum auftritt, da das überkommene herrschaftliche Verhältnis der Unterordnungskette Befehl und Gehorchen nicht mehr gegeben ist.
Die Regelungen des Kriegsrechts der deutschen Einzelstaaten und ihre jeweilige Verbindung in den Staatengebilden des genannten Zeitraums können somit in einem, wenn auch beschränkten Ausmaß, als positives Modell oder aber Irrweg für die vergleichbaren Probleme der Jetztzeit in diesen Bereichen dienen, weshalb auch eine Analyse und kritische Interpretation der in der damaligen zeitgenössischen verfassungsrechtlichen Literatur Reflektion der zu untersuchenden Regelungen erfolgt. Ausgehend von den Verfassungen der fraglichen Staaten im Hinblick auf deren kriegsrechtliche Regelungen, wird vor allem die Bundesakte, die Wiener Schlussakte, die Reichsverfassung von 1848, die Verfassung des Norddeutschen Bundes und schließlich die Reichsverfassung von 1871 zur Untersuchung heranzuziehen sein. In dem Bestreben der Einzelstaaten, in jeder Organisationsform die Souveränität weitestgehend zu wahren, ist ein weiteres Kontinuum erkennbar, das sowohl in der föderalen Wirklichkeit der jetzigen Bundesrepublik, als auch in den Spannungen überstaatlicher Zusammenschlüsse wie eben EU, NATO aber auch den USA, dem Prototypus einer bundesstaatlichen Vereinigung, spaltende Wirkungen zeitigt.
Diese wesentlichen Grundfragen zu staatlichen und völkerrechtlichen Konstellationen anhand der Regelungen des Kriegsrechts im gegenständlichen Zeitraum zu untersuchen, herauszuarbeiten und in ihrer praktisch zeitlosen Wirksamkeit darzustellen, ist Anliegen dieses Dissertationsprojektes.