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PANDA @FAIR und SCT @BINP: Kollisionen von Materie und Antimaterie

PANDA ist eines der Großexperimente an der zukünftigen Forschungsanlage FAIR, welche derzeit auf dem Gelände des Helmholtz-Zentrum für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt aufgebaut wird. Unsere Arbeitsgruppe ist an der Planung des Experiments seit 2002 beteiligt und entwickelt für PANDA einen neuartigen Detektor zur Teilchenidentifikation, welcher auf dem Cherenkov-Effekt beruht.

SCT ist ein neues Projekt am Budker Institut für Kernphysik in Novosibirsk in Russland. Im Rahmen des CREMLINplus Programms zur Förderung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Russland und Europa beteiligt sich unsere Arbeitsgruppe an der Entwicklung von Cherenkov-Detektoren zur Teilchenidentifikation an SCT. SCT steht für Super Charm Tau.

Zwischen den Experimenten PANDA und SCT gibt es viele Gemeinsamkeiten. Beide haben einen Schwerpunkt im Studium von hadronischen Zuständen, welche Charm-Quarks beinhalten. Zur Erzeugung der Teilchen nutzt PANDA die Vernichtung von Protonen und Anti-Protonen, während SCT die Vernichtung von Elektronen und Anti-Elektronen, also Positronen nutzt. Ein Vorteil von PANDA ist die hohe Präzision der Massenbestimmung der Resonanzzustände, während ein Vorteil von SCT die hohe Produktionsrate und der niedrige Untergrund sind. Bei SCT hofft man neuartige Physik im Bereich der flavor-verletzenden Übergänge geladener Leptonen zu finden.

Wegen der russischen Invasion in die Ukraine im Februar 2022 wurde die Zusammenarbeit der EU mit Russland im Rahmen des CREMLINplus Projekts  gestoppt, ebenso wie die Zusammenarbeit der JLU mit Russland im Rahmen von SCT. Stattdessen planen die Europäischen Partner einschließlich der Wissenschaftler aus der Ukraine die Projekte alleine fortsetzen. Im Rahmen des EURIZON Projekts wird die Gießener DIRC Arbeitsgruppe die Entwicklungsarbeiten für die Teilchenidentifikation an einem zukünftigen e+e--Collider weiterführen. 

Kollisionen von Proton und Antiproton

 

Das PANDA(AntiProton Anhillation at Darmstadt) Experiment hat zum Ziel, die starke Wechselwirkung, also die Kraft, die die Atomkerne zusammenhält, auf der Ebene von Quarks und Gluonen zu studieren. Ein Schlüssel zum Studium der starken Wechselwirkung ist die Produktion von Teilchen mit Strange- und Charm-Quarks, sowie die Produktion von so genannten "Exotischen Teilchen" aus Quarks, Antiquarks und Gluonen. 

PANDA wird diese Teilchen mit hohem Anteil aus Gluonen und Antiquarks produzieren indem Antiprotonen mit hoher Energie auf Protonen oder Atomkerne geschossen werden. Dabei vernichten sich Quarks, Antiquarks und Gluonen, die sich im Proton und Antiprotion befinden und es entstehen neue Teilchen, die dann im PANDA Detektor nachgewiesen und identifiziert werden. 

PANDA ist ein internationales Forschungsprojekt. Es wird als Forschungsschwerpunkt ErUM-FSP T08: PANDAvom BMBF und vom Land Hessen gefördert. Hauptaufgabe unserer Arbeitsgruppe ist derzeit der Bau eines innovativen Detektors zur Identifikation dieser Teilchen.

 

 

 


The PANDA experiment with an enlarged view of the Endcap Disc DIRC


Der Endcap Disc DIRC Detektor: ein Ergebnis der Spitzenforschung in der Teilchenphysik

 

Die Teilchenidentifikation des Endcap Disc DIRC Detektors (EDD) beruht auf der Messung von Cherenkov-Photonen. Diese werden von geladenen Teilchen emittiert, die sich schneller als Licht in dem sie umgebenden Medium bewegen. Der Öffnungswinkel zwischen Teilchenbahn und Cherenkov-Photonen ist ein Maß für die Geschwindigkeit des Teilchens. Aus der Geschwindigkeit und dem Impuls des geladenen Teilchens wird dann seine Ruhemasse und somit seine Identität bestimmt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Cherenkov Detektoren nutzen DIRC Detektoren hochpräzise Quarzplatten als Radiatormaterial. Durch Totalreflexion an den Oberflächen werden die Cherenkov Photonen zum Rand der Platte transportiert und können dort gemessen werden. Auf diese Weise kann der DIRC Detektor wesentlich kompakter gebaut werden als herkömmliche Cherenkov Detektoren.

Der geplante EDD-Detektor besteht aus vier eigenständigen Quadranten, die in der oberen Abbildung auf der rechten Seite zu sehen sind und von denen einer transparent hervorgehoben ist. Zentraler Teil jedes Quadranten ist eine 2 cm dicke Scheibe aus Quarzglas. Die Oberflächen sind bis auf wenige μm parallel und sorgen zusammen mit der hohen Transparenz des Materials für einen möglichst verlustfreien und winkelerhaltenden Transport der Cherenkov-Photonen zum äußeren Rand des Detektors.
Dort sind speziell gefertigte Fokussierelemente angebracht, welche die eintretenden Cherenkov-Photonen auf hochauflösende MCP-PMTs (MicroChannel Plate PhotoMultiplier Tubes) abbilden. Hierbei wird die Winkelinformation in eine Ortsinformation umgewandelt, welche eine direkte Berechnung des Cherenkov-Winkels ermöglicht. Auftretende Dispersionseffekte werden mit Hilfe eines optischen Filters reduziert. Die zuvor genannten MCP-PMTs sind dabei in der Lage, einzelne Photonen zu registrieren.
Die hohen Photonen-Raten in PANDA erfordern eine schnelle Datenaufnahme, die mit Hilfe von ASICs (Application-Specific Integrated Circuits) realisiert wird. Algorithmen zur Rekonstruktion ermöglichen schließlich eine effiziente und präzise Identifikation der geladenen Teilchen.

 

Die Entwicklung des Disc DIRC Detektors stellte die Arbeitsgruppe vor vielfältige Herausforderungen in verschiedenen Bereichen der Physik und Technologie, die nur in Zusammenarbeit mit spezialisierten Firmen gelöst werden konnten. Hier die wichtigsten Komponenten: 

  • Optisches Transportsystem: Präziser optischer Transport und Fokussierung des Cherenkov Lichts. Dabei musste die Winkelinformation der Flugrichtung der Photonen über Strecken von mehr als einem Meter und nach bis zu 100 Reflexionen erhalten bleiben. 
  • Photonendetektoren: Die Fotosensoren mussten in der Lage sein, die Position einzelner Photonen auf 0,5 mm genau zu messen. Dabei wird eine Zeitauflösung von etwa 100 ps bei Raten von mehr als 1 MHz erreicht.
  • Ausleseelektronik: Die Ausleseelektronik muss in der Lage sein, die Signale von über 28.000 Pixeln mit einer Rate von ca. 60 kHz pro Pixel auszulesen und zu verarbeiten. 
  • Simulationen und Tests: Insgesamt musste der Detektor so konzipiert werden, dass die Auflösung des Cherenkov-Winkels besser als 2 mrad ist.
Derzeit wird an der Erstellung eines Technischen Design Reports gearbeitet. Dieser entsteht auf Basis von umfangreichen Computersimulationen einerseits und diversen Prototypen andererseits, die die Arbeitsgruppe in Teilchenstrahl-Experimenten am CERN und am DESY getestet hat.
Quartz focusing component and readout electronics

 

 

 

Left: simulation of an event. Right: Cherenkov hit pattern with the EDD prototype