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Schwer zu entdecken aber bedeutungsvoll: Elterliche Argumente über den kindlichen Fleischkonsum und die Beziehung zu Tieren

24.04.2023: In meiner Masterarbeit zum Thema "Welche Argumente prägen die Kommunikation von Eltern zu ihren Kindern über die Mensch-Tier-Beziehung?" habe ich untersucht, wie die Kommunikation elterlicher Argumente, die Beziehung von Kindern zu Tieren und tierischen Produkten beeinflussen kann. Dafür wollte ich mittels problemzentrierter Interviews herausfinden, welche Argumente in der Erziehung hinsichtlich der verschiedenen Ernährungsweisen die größte Rolle spielen.

Da die Ernährung von Menschen sehr individuell ist und mit vielen traditionellen Überzeugungen, Werten und Prägungen verknüpft ist, handelt es sich um ein sensibles Thema. Vor allem, wenn es um den Diskurs des Fleischkonsums und die Ernährung des eigenen Kindes geht. Um herauszufinden, welche verschiedenen Einstellungen und Argumente Kinder hinsichtlich des Fleischkonsums und damit einhergehend, der Beziehung zu Tieren anerzogen bekommen, habe ich im Rahmen meiner Masterarbeit Eltern befragt, deren Familien sich mischköstlich, vegetarisch, oder vegan ernähren und deren Kinder zwischen 7-12 Jahre alt sind. In diesem Alter können Kinder bereits den Zusammenhang zwischen dem Tier und daraus entstehenden Produkten bewusst unterscheiden und deren Konsum hinterfragen.

Zu Beginn nahm ich an, dass es schwierig werden würde, mischköstliche Eltern von dem Thema zu überzeugen. Die allgemeine Rückmeldung war allerdings - auch bei den veganen Eltern - sehr gering. Dies lag, unabhängig von der Ernährungsweise, vermutlich an dem sensiblen Thema oder dem zeitlichen Aufwand, der mit einem 30-45-minütigen Interview eingeplant war. Schlussendlich interviewte ich sieben Mütter und ein Elternpaar, diese unterteilten sich in fünf mischköstliche, zwei vegetarische und eine vegane Familie.

Ich erstellte einen strukturierten, nicht standardisierten, offenen Leitfaden, der Anreize gab, die zum Erzählen der persönlichen Sichtweise aufforderten. Er beinhaltete persönliche Erzählungen, fiktive Situationen, oder allgemein gehaltene Fragen auf die eingegangen werden sollte, um Argumente ausfindig zu machen, die in der Kommunikation mit Kindern die Beziehung zu Tieren und tierischen Produkten prägen. 

Da es bei diesem kontroversen Thema von großer Bedeutung ist, neutrale Rückfragen zu stellen und auf geäußerte Argumentationsstrukturen und Überzeugungen ohne Bewertung zu reagieren, wurden die Teilnehmenden nicht „aus der Reserve gelockt“. Sie mussten sich bezüglich ihrer Überzeugungen nicht rechtfertigen. Das Gespür für die Situation führte auch dazu, dass das Eingehen in die Tiefe der Thematik sich zwischen den Interviews unterschied. Auch die unterschiedlichen Formen der Ernährungsweisen, ließen Abweichungen im Interviewablauf entstehen. Dies führte vereinzelt dazu, dass einerseits Einstellungen und Argumentationsstrukturen anhand der Antworten ersichtlich wurden, die explizite Benennung des dahinterstehenden Argumentes andererseits interpretativ, aber nicht wörtlich zum Ausdruck kam. Aufgrund dessen konnten nicht alle Indikatoren der Argumentationsanalyse ausfindig gemacht werden. Die Teilnehmenden machten ihre Argumente teilweise vage deutlich, oder setzten sie ihren Aussagen voraus. Daher wurde sich zur Identifizierung der Argumente, für Legitimationspraktiken und die „wohlwollende Argumentationsinterpretation“ entschieden.

Die Schwierigkeit bestand darin, die Aussagen der Eltern kontextbezogen, logisch und nachvollziehbar zu interpretieren. Um die ausfindig gemachten Argumente transparent und aussagekräftig darzustellen, hielt ich mich an einschlägige Gütekriterien der qualitativen Analyse und verwendete die strukturierende qualitative Inhaltsanalyse. In dessen Kategoriensystem ließ ich theoretische, bereits untersuchte Argumente und das Phänomen des „Fleischparadoxons“ miteinfließen. Schlussendlich entstanden innerhalb der beiden Gruppen aussagekräftige Argumente, die sich widersprachen und deutliche Unterschiede hervorhoben. Die folgende Gegenüberstellung zeigt die Argumente auf, die am häufigsten in der Analyse ausfindig gemacht werden konnten.

(c) Laura-Marie Brandenstein, eigene Darstellung

Die erhobenen Ergebnisse zeigen große Unterschiede in der Ernährungskommunikation der Eltern zu ihren Kindern auf. Ich konnte herausfinden, dass die verschiedenen Argumentationsstrukturen die Einstellungen und Überzeugungen der Kinder beeinflussen und demnach auch die Ernährungsweise der Kinder prägen. Das Hinterfragen des Fleischkonsums, wird aufgrund der gegensätzlichen Argumente ebenfalls beeinflusst. Für einen zukünftigen Ernährungswandel, könnte die Veränderung oder Anpassung von Argumenten der Eltern, eine entscheidende Rolle in der Erziehung der heranwachsenden Generation spielen. Der Blick und die Empathie auf und für Tiere, das Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen den Tieren und deren Produkten und ein nachhaltiger Umgang mit Fleisch und tierischen Produkten, könnte für den notwendigen Ernährungswandel aufgrund der Prägung durch die Argumente wandelbar sein.

Schlussendlich konnte mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse ausfindig gemacht werden, dass bestimmte Argumente häufiger in der Kommunikation mit Kindern genannt werden. Die Kinder werden durch diese Argumente geprägt und in ihrem Ernährungsverhalten gelenkt. Sie übernehmen die Argumente der Eltern und verfestigen diese. Vor allem eröffnete die Untersuchung, dass die Zustimmung oder Ablehnung speziesistischer und karnistischer Einstellungen und Werte, womöglich eine Basis für weitere Argumente darstellen und vielen Argumentationsstrukturen vorausgehen. Für die Veränderung dieser Einstellungen und Werte, schien die Empathie gegenüber (Nutz)- Tieren von großer Bedeutung zu sein. Diese Schnittstellen zeigen somit ein Veränderungspotenzial in der Kommunikation von elterlichen Argumenten an die eigenen Kinder.


Wir danken Laura-Marie Brandenstein, M.Sc. Ökotrophologie, für Ihren Beitrag über Ihre Erfahrungen und Ergebnisse aus der Masterthesis zum Thema "Welche Arguemente prägen die Kommunikation von Eltern zu ihren Kindern über die Mensch-Tier-Beziehung?" und wünschen alles Gute für die Zukunft!