Nachgefragt! Interview zur Neuerscheinung "Ernährungskommunikation. Interdisziplinäre Perspektiven – Theorien – Methoden“

Frau Godemann, warum haben Sie das Buch „Ernährungskommunikation. Interdisziplinäre Perspektiven – Theorien – Methoden“ zusammen mit Frau Bartelmeß herausgegeben?
Zunehmende ernährungsmitbedingte Erkrankungen und die dramatischen Auswirkungen unseres Ernährungssystems auf die Umwelt und die Zukunft machen eine Neujustierung der Ernährungskommunikation erforderlich. Es ist an der Zeit, Wege zu finden, die wissenschaftliche Informationen zu den Folgen und Nebenbedingungen von Ernährungsweisen mit gesellschaftlichen Logiken der Informationsaufnahme und -verarbeitung in verschiedenen Bereichen kompatibel machen – es ist notwendig, alltagsrelevantes Wissen zu verstehen und in der Kommunikation daran anzuknüpfen, um Handeln zu ermöglichen. Dafür ist es ganz zentral, sich klarzumachen, dass Kommunikation nicht als bloßes Übertragungsmedium verstanden werden kann. Kommunikation ist weitaus komplexer. In und durch Kommunikation werden verschiedenste Bezüge und Sinnstrukturen hergestellt und gesellschaftliche Wirklichkeit produziert und reproduziert. Eine bloße Übersetzung von Fakten in eine Sprache, die von der Öffentlichkeit verstanden und deren Inhalt entsprechend umgesetzt wird, ist daher nicht ausreichend und illusorisch.

Welche Aspekte sind neu und anders in diesem Buch?
Kurz gesagt, ist es eine Perspektivenerweiterung. Es geht darum, die derzeitige sozialwissenschaftliche Ernährungsforschung um Fragen der Kommunikation zu erweitern und Möglichkeitsräume für anschlussfähigere Kommunikation zu eruieren.
Ernährung war ja eigentlich schon immer ein wichtiges Thema in unserer Gesellschaft. In den letzten Jahrzehnten hat sich allerdings die Kommunikation darüber immer mehr ausdifferenziert. Ernährung ist heute nicht mehr nur ein Thema neben vielen anderen. Es haben sich ein spezifisches Vokabular, Interpretationsmuster, Akteure und Formate herausgebildet, die quasi definieren, was (richtige) Ernährung eigentlich ist und leisten soll. Heute geht es um vielerlei Aspekte, wie zum Beispiel die erweiterte Nährwertkennzeichnung (Nutri-Score) über Mangel- und Überernährung, Arbeitsbedingungen und Qualitätssicherung bis hin zu planetaren Grenzen und der Transformation des Lebensmittelsystems – die Kommunikation ist sehr komplex geworden. Es ist daher wichtig, eine Klärung des Feldes der Ernährungskommunikation anzubieten, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven und methodischen Zugängen speist. Wenn wir verstehen, wie Ernährung in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen Relevanz erhält und ernährungsrelevante Handlungsbezüge in unterschiedlichen gesellschaftlichen Zusammenhängen kommuniziert, konstruiert und handlungswirksam werden, dann können wir neue Hinweise für die Ernährungskommunikation daraus ableiten und die Zufälligkeit des Gelingens von Kommunikationsmaßnahmen überwinden.

Für wen ist das Buch interessant?
Das Buch richtet sich sowohl an Wissenschaftler:innen und Praxisakteure als auch an Studierende verschiedener Studiengänge mit Ernährungs-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbezug. Es bildet eine Grundlage für die disziplinübergreifende Auseinandersetzung mit Ernährungsfragen und deren Kommunikation.

Ist es möglich einen Blick in das Buch zu erhalten?

Ja, Sie haben die Möglichkeit, sich hier die Einleitung von mir und Frau Dr. Bartelmeß herunterzuladen.  Das Inhaltsverzeichnis des Buches finden Sie an dieser Stelle.      Zitationsvorschlag sowie Link zum Verlag:  Godemann, Jasmin & Bartelmeß, Tina (Hrsg.) (2021). Ernährungskommunikation. Interdisziplinäre Perspektiven – Theorien – Methoden, 423 Seiten, Heidelberg: Springer VS ISBN 978-3-658-27313-2 / ISBN 978-3-658-27667-6