Moritz Rinke
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Moritz Rinke wurde 1967 in Worpswede geboren und studierte „Drama, Theater, Medien“ in Gießen. Einige seiner Reportagen, Geschichten und Essays erschienen unter dem Titel „Der Blauwal im Kirschgarten" sowie „Das große Stolpern“. Sein Stück „Der Mann, der noch keiner Frau Blöße entdeckte" wurde er 1997 mit dem Literaturpreis des PEN-Club ausgezeichnet und für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert, ebenso wie „Republik Vineta", das zum besten deutschsprachigen Stück 2001 gewählt und 2008 für das Kino verfilmt wurde. Im Sommer 2002 fand in Worms die Uraufführung von „Die Nibelungen" (Rowohlt Taschenbuch) statt, ein Auftrag der Nibelungen-Festspiele, dem die Stücke „Siegfrieds Frauen“ und „Die letzten Tage von Burgund“ folgten. Rinkes erste Arbeit für den Film („September", Regie: Max Färberböck), in dem er auch als Schauspieler debütierte, wurde 2003 zu den Internationalen Filmfestspielen nach Cannes eingeladen. Sein Stück „Café Umberto“ wurde 2005 von zahlreichen Bühnen gespielt. |
ZDF/ARTE drehten einen Film mit und über Moritz Rinke (ZDF/ARTE, „Mein Leben - Moritz Rinke“, Erstausstrahlung 13. 1. 2008). Im Frühjahr 2010 erschien sein erster Roman „Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel“ (Kiepenheuer & Witsch), der auf Anhieb ein Bestseller wurde. Rinke lebt in Berlin. |
Sie haben einige Jahre Ihres Lebens an der JLU verbracht. Was haben Sie für sich persönlich mitgenommen?
Ich glaube, es war eine besondere Form des Studiums, ich war ja auf so einer Art Akademie innerhalb der JLU, der Studiengang „Drama, Theater, Medien. In meinem Semester waren nur 20, das war ein großer Luxus: Große Nähe zum Beispiel zu den Professoren, insbesondere zu Professor Wirth, dem Gründer des Studiengangs. Er war eigentlich kein richtiger Professor, dieser wunderbare Andrzey Wirth aus Polen und Amerika war ein für sich ein Theaterereignis. Und ich war ein großer Anhänger von Ulrich Horstmann aus der Anglistik, der mich mit seinen Burton-Studien zur Melancholie begeisterte. Ehrfrucht hatte ich vor Prof. Inderthal aus der Germanistik. Später verstand ich, dass er sehr darunter litt, selbst nicht künstlerisch schreiben zu können. Ich glaube, er wusste zuviel. Ich glaube, er konnte Adornos Ästhetik auswendig.
Was hat Sie damals bewogen, sich für die JLU zu entscheiden?
Das Konzept des Studiengangs, die „Akademie“ innerhalb einer Universität. Die großen Möglichkeiten und die Offenheit, die das Studium bot. Für dieses Studium nahm ich sogar Gießen in Kauf. Gießen hatte ja als Stadt damals nicht den besten Ruf. Ich erinnere mich noch, dass Architekturstudenten zum „Elefantenklo“ liefen und sich für später geschworen haben: So nicht!
Was verbindet Sie heute mit der JLU? Stehen Sie noch in Kontakt zu ehemaligen Kommilitonen?
Ja, eine ganze Reihe. Nils Tabert ist mein Theaterverleger bei Rowohlt geworden.
Karin Sakowski war lange Lektorin bei S. Fischer und hat auch meinen letzten Roman mit lektoriert. Mit Bettina Petry, die sogar meine Freundin in Gießen war, habe ich schon bei 3-Sat zusammengearbeitet, sie ist dort Redakteurin. Zu Hans Werner Kroesinger, dem Regisseur, habe ich intensiven Kontakt, er ist ein sehr politischer Mensch, dessen Arbeiten mich begeistern. Ebenso begeistern mich die Arbeiten von Mathias Schönsee, dem Regisseur und Musiker und Autor; ich habe zudem ein sehr freundschaftliches Arbeitsverhältnis mit ihm entwickelt, schon allein deshalb bin ich meiner Giessener Zeit dankbar. Wir sind damals zusammen aus einem Romanistik-Seminar geworfen worden, weil man uns bei einem Baudelaire-Referat, das wir zusammen hielten, Frauenfeindlichkeit unterstellte. Dabei zitierten wir nur Baudelaire.
Gibt es aus Ihrer Studienzeit eine interessante Geschichte, die Ihnen einfällt, wenn Sie an Ihre Zeit an der JLU zurückdenken?
Ja, das ich einmal mit Frank Walter Steinmeier in Gießen-Wieseck in der Eisdiele saß. Das haben wir aber erst 10 Jahre später festgestellt, nachdem wir uns im Kanzleramt wiedertrafen, wo ich eine Lesung hatte, und er eben das Kanzleramt leitete. Später, als er Außenminister wurde, haben wir einige Reisen zusammen gemacht. Aber der erste Kontakt war Wieseck, diese Eisdiele an der Giessener Straße, da, wo´s gegenüber in die Wiesen geht.
Gab es Dozenten, die Sie nachhaltig geprägt haben?
Ich glaube, ich habe schon alles dazu gesagt. Ich mochte aber auch Helmut Winter, den Germanisten, der vor einiger Zeit starb, was ich aus der Zeitung erfuhr. Ich schrieb für die FAZ und mochte mich damals sehr, das spürte ich. Er war ein ganz stiller, feiner Mensch. Als ich einmal wieder in Gießen war, es war eine Lesung 2010, da ging ich danach mit dem ehemaligen Präsidenten Prof. Heinz Bauer ein Bier trinken. Ein sehr leidenschaftlicher Mann, der meines Erachtens viel für Gießen geleistet hat.
Gibt oder gab es ein Motto für Ihr Studium?
„Weil der allgemeine Student in Deutschland lieber um München herum windsurfen oder Skilaufen geht, als sich in Gießen zum Genie ausbilden zu lassen.“ Den Satz fand ich 1990 in einem Artikel über Studenten in Deutschland. Ich hatte ihn mir ausgeschnitten und über den Schreibtisch geklebt.
Was würden Sie heute in Ihrem Studium anders machen?
Noch Wirtschaftsethik dazu studieren! Aber ich glaube, da müsste man sich entscheiden: Wirtschaft oder Ethik ... Im Ernst: Man kann gar nicht genug darüber wissen! Unsere Politiker wissen leider zu wenig.
Hat Sie das Studium an der JLU auf Ihr Berufsleben vorbereitet?
Ja, in aller wilden Offenheit und Präzision .... Ich bin Allrounder geworden ...
Besitzen Sie noch Erinnerungsstücke aus Ihrer Studienzeit?
Ja. Meine Studienbücher.
Von Alumna zu Student/in: Was raten Sie angehenden Akademikerinnen und Akademikern?
Das zu studieren, was einen wirklich interessiert!
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