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Wirkmechanismus bei Blutkrebs entdeckt

Team der Universitäten Gießen und Ulm erforscht Leukämie-Entstehung durch Chromosomenfusion

Nr. 65 • 5. Mai 2017

Dem „Krebsprotein“ AML1-ETO kommt bei der Entstehung der Akuten Myeloischen Leukämie (AML) eine Schlüsselrolle zu, da es die Genexpression der Krebszellen verändert. Das Protein führt zu unreifen Blutzellen, sogenannten Blasten (Pfeile), die für die aggressive Form der AML charakteristisch sind. Foto: Franz Oswald


Die Akute Myeloische Leukämie (AML) zählt zu den häufigsten Blutkrebserkrankungen im Erwachsenenalter. Eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Tilman Borggrefe am Institut für Biochemie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) hat in Zusammenarbeit mit Ulmer Kolleginnen und Kollegen (Prof. Dr. Franz Oswald und Prof. Dr. Hartmut Geiger) neue Erkenntnisse über die Entstehung einer speziellen AML-Variante gewonnen. Ihre Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Leukemia“ erschienen und könnten zur Entwicklung einer verbesserten Chemotherapie beitragen.

Die AML äußert sich unter anderem durch Schwächezustände, Blutarmut oder Infektanfälligkeit. Auslöser ist die Entartung einer Gruppe blutbildender („myeloischer“) Zellen: Sie teilen sich ungebremst und produzieren fast ausschließlich sogenannte Blastenzellen. Diese Blastenzellen stören nicht nur die normale Blutbildung im Knochenmark, sondern können auch verschiedene Organe direkt schädigen. Bei einer bestimmten Art der AML kommt dem „Krebsprotein“ AML1-ETO eine Schlüsselrolle zu, da es die Genexpression der Krebszellen verändert. Die Gießener Forscherinnen und Forscher konnten jetzt zeigen, dass dieses Protein eine weitere, bisher unbekannte Funktion erfüllt: Es beeinflusst auch die Expression von Genen, die normalerweise durch das sogenannte Notch-Protein reguliert werden. Das Notch-Protein spielt sowohl in der Zellteilung als auch der Zelldifferenzierung eine wichtige Rolle.

In ihren Experimenten haben die Forscherinnen und Forscher einen neuen Wirkmechanismus der aggressiven Variante des AML1-ETO Krebsproteins (AE9a) entdeckt: Es aktiviert, genauso wie das Notch-Protein selbst, die Expression von Notch-Zielgenen. Eine veränderte Form des Krebsproteins, welches keine Notch-Zielgene mehr dereguliert, löst jedoch keine Blutkrebserkrankung mehr aus. „Daher scheint diese neu entdeckte Wirkmechanismus ein essentieller Schritt bei der Leukämie-Entstehung zu sein“, so Prof. Tilman Borggrefe vom Institut für Biochemie der JLU.

Gemeinsam mit Ulmer Ärztinnen und Ärzten um Prof. Dr. Lars Bullinger und Prof. Dr. Konstanze Döhner konnte die Gruppe weiterhin zeigen, dass diese aggressive Variante des AML1-ETO-Krebsproteins auch bei AML-Patientinnen und -Patienten zu finden ist und durch ein charakteristisches Genexpressions-Profil identifiziert werden kann. Künftig könnten diese Forschungsergebnisse die Blutkrebstherapie verbessern.
 
Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) über den internationalen SFB/TRR 81 „Chromatin-Veränderungen in Differenzierung und Malignität“ sowie das Heisenberg-Programm der DFG unterstützt.

  • Publikation

V Thiel, BD Giaimo, P Schwarz, K Soller, V Vas, M Bartkuhn, TJ Blätte, K Döhner, L Bullinger, T Borggrefe, H Geiger and F Oswald. Heterodimerization of AML1/ETO with CBFβ is required for leukemogenesis but not for myeloproliferation. Leukemia.
DOI:10.1038/leu.2017.105
www.nature.com/leu/journal/vaop/ncurrent/abs/leu2017105a.html


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