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Ernährungsemfehlungen bei Post-COVID – ein Hürdenlauf mit Chancen

19.03.2024: Im Spannungsfeld zwischen Ernährungsempfehlungen mit ihren positiven Auswirkungen und den vielfältigen einschränkenden Symptomen des Post-COVID Syndroms, stellte sich Lheanne Rehmet im Rahmen ihrer Masterthesis die Frage „welche Barrieren, Förderer und Unterstützungsbedarf haben Post-COVID Patient:innen bei der Umsetzung von Ernährungsempfehlungen?“ Und welche Rolle spielen Ernährungsberater:innen bei alle dem?

Wenn Corona nicht mehr endet.

Hatten Sie mal den Corona-Virus? Erinnern Sie sich an das Gefühl der bleiernen Schwere und Müdigkeit? An die geringe Belastbarkeit? Die Kopf- und Gliederschmerzen? Die Verdauungsbeschwerden? Und jetzt stellen Sie sich das über Wochen und Monate vor. Mal ist es etwas besser, dann wieder deutlich schlechter. So in etwa erklären Post-COVID Patient:innen ihren Zustand.

10-20 % derjenigen, die mit dem Corona-Virus infiziert waren leiden drei Monate nach der Infektion an Folgeerscheinungen. Umgerechnet sind das in Deutschland 3,9 -7,8 Millionen Betroffene. Eine kausale Therapie der postviralen Erkrankung gibt es nicht, weshalb symptomorientiert behandelt wird. Viele der Patient:innen leiden aufgrund der Symptome unter einer Mangelernährung, welche die Symptomatik des Post-COVID Syndroms verschlimmern kann und ausgeglichen werden sollte. Die neue Patientenleitlinie S1-Leitlinie Long-Post COVID beinhaltet Ernährungsempfehlungen mit dem Ziel, eine Mangelernährung auszugleichen und häufig erhöhten Entzündungswerten entgegen zu wirken. Eine mediterrane Ernährung soll demnach hilfreich sein.

Die große Frage

Im Spannungsfeld zwischen Ernährungsempfehlungen mit ihren positiven Auswirkungen und den vielfältigen einschränkenden Symptomen des Post-COVID Syndroms, stellt sich die Frage „welche Barrieren, Förderer und Unterstützungsbedarf haben Post-COVID Patient:innen bei der Umsetzung von Ernährungsempfehlungen?“ Und welche Rolle spielen Ernährungsberater:innen bei alle dem?

Von der Frage bis zur Antwort: die Methodik

Ganz nach dem Motto: „Frag die, die es betrifft“ habe ich zur Beantwortung der Forschungsfrage(n) acht qualitative Interviews mit Post-COVID Patient:innen durchgeführt. Nach der Rekrutierung über Selbsthilfegruppen haben wir die Gespräche zwischen Juni und August 2023 per Zoom abgehalten. Zoom war das Medium der Wahl, weil es ein Gespräch über größere Distanz ermöglicht und die Patient:innen die Gespräche von zu Hause durchführen konnten, was dem allgemeinen Erschöpfungszustand zuträglich war. Allen Interviews lag ein Interview-Leitfaden zugrunde, der nach Helfferich (2011, 2022) entwickelt wurde.

Nach den Interviews stellte sich die Frage: wie werte ich all diese Gespräche aus? Hierzu habe ich zwei Modellen zur Erklärung des Gesundheitsverhaltens genutzt. Das Capability-Opportunity-Motivation-Behavior Modell (COM-B Modell) und das Theoretical Domains Framework (TDF). Erstes besagt, dass die Fähigkeiten, Gelegenheiten und Motivation sich gegenseitig beeinflussen und bestimmen, ob ein (gewünschtes) Verhalten gezeigt wird oder nicht. Das Theoretical Domains Framework bietet eine feinere Unterteilung der Determinanten des Verhaltens. Diese Modelle ermöglichten es, bereits in den Leitfaden einzelne Fragen zur Erklärung des Ernährungsverhaltens aufzunehmen und erleichterten eine detaillierte Auswertung. Anbei ein Beispiel hierfür. Ein Proband erklärt „Ich weiß ja gar nicht, wie ich Gemüse zubereiten soll.“ Im Rahmen des COM-B Modells bezieht sich diese Aussage auf das Können, spezieller das psychologische Können. Eine feinere Codierung dieses Beitrags ermöglichte das TDF als unzureichendes „Wissen“, genauer „prozedurales Wissen“. Weitere Beispiele finden sich in Abb. 2.

Ergebnisse: Ein vielfältiger Hürdenlauf

Es zeigte sich, dass Post-COVID Patient:innen teilweise ähnliche Barrieren haben Ernährungsempfehlungen umzusetzen, wie nicht Betroffene. Darüber hinaus nannten jedoch alle Betroffenen die Symptome des Post-COVID Syndroms als größte Hürden bei der Umsetzung.

  • Hürde - „die Fähigkeit“
  • Hürde - „die Motivation“
  • Hürde - „die Gelegenheit“

Die untenstehende Abbildung 2 zeigt eine detaillierte Übersicht über die von Post-COVID Patient:innen genannten Barrieren, Förderer und Unterstützungsbedarf ausgewertet nach dem COM-B Modell und TDF.

Der Trainer im Hürdenlauf

Wie in jeder sportlichen Disziplin, ist auch bei einem solchen Hürdenlauf der Trainer von hoher Relevanz. Der Trainer hier: Ernährungsberater:innen. Die Unterstützung durch Ernährungs-Fachkräfte wird von Post-COVID Patient:innen zur Bewältigung der Hürden als hilfreiche Unterstützung wahrgenommen. Neben der klassischen Wissensvermittlung werden konkrete Tipps zur Umsetzung, praktische Maßnahmen zum Aufbau von Fähigkeiten oder eine familienkonforme Planung der mediterranen Ernährung gewünscht.

Wichtig bei alle dem: Kommunikation auf Ebene der Patient:innen.

Kommunikation nach Patientenart

Konzentrationsschwierigkeiten und Fatigue beeinflussen nicht nur die Fähigkeit zur Umsetzung der Ernährungsempfehlungen. Sie behindern auch das Lesen der als Prosatext geschriebenen Patientenleitlinie. Folglich kannte vor der Masterarbeit keine:r der befragten Proband:innen die Ernährungsempfehlungen. Eine lebensmittelbasierte Formulierung der Empfehlungen in Stichpunkten mit Hervorhebungen wird als leichter zu verstehen wahrgenommen. Auch eine mündliche Vermittlung kann hilfreich sein. Grundsätzlich gilt: die Kommunikation der Empfehlungen sollte so patientengerecht wie möglich sein, um das Wissen und Verständnis der Informationen zu gewährleisten.

Ausblick mit Perspektive

Aufgrund der vielfältigen Hürden, die Post-COVID Patient:innen bei der Umsetzung von Ernährungsempfehlungen haben ist es notwendig, diese Personengruppe zu unterstützen. Ernährungsberater:innen können hier auf verschiedenen Ebenen hilfreich sein. Dazu ist es notwendig, dass Berater:innen die Empfehlungen kennen und ein Verständnis für die Situation und Einschränkungen von Post-COVID Patient:innen  haben. Fortbildungen zu diesem Krankheitsbild könnten hierzu hilfreich sein.

Auch eine Post-COVID spezifische patientengerechte Formulierung der Empfehlungen der S1 Patientenleitlinie Long-/ Post-COVID wäre von Nutzen, um den Betroffenen das selbstständige Lesen dieser zu ermöglichen.

Was wir uns merken sollten:
Post-COVID Patient:innen leiden aufgrund der vielfältigen physischen und psychologischen Einschränkungen häufig an Mangelernährung. Eine mediterrane Ernährung wird in der S1 Patientenleitlinie Long-/ Post-COVID empfohlen. Gleichzeitig ist die Umsetzung dieser für die Betroffenen mit multiplen Hürden verbunden. Einige Faktoren, wie die soziale Unterstützung oder Vereinfachungen können hilfreich sein. Ernährungsberater:innen werden als hilfreiche Unterstützung wahrgenommen.

 

Und zu guter letzt:
Hi zusammen, schön, dass ihr diesen Beitrag gelesen habt. Ich habe meine Masterarbeit zum Thema „Barrieren, Förderer und Unterstützungsbedarf von Post-COVID Patient*innen bei der Umsetzung von Ernährungsempehlungen geschrieben. Im Rahmen dessen hatte ich viele sehr spannende Gespräche mit Betroffenen und danke nochmal für die Offenheit über die Erkrankung zu sprechen. Eure Lheanne Rehmet!

 


Vielen Dank an Lheanna Rehmet für diesen Einblick in Ihre Masterthesis zum Thema "Barrieren, Förderer und Unterstützungsbedarf von Post-COVID Patient*innen bei der Umsetzung von Ernährungsempfehlungen", die sie 2023 unter der Betreuung von Prof. Dr. Jasmin Godemann und Dr. Juliane Yildiz abgeschlossen hat! Für die Zukunft wünschen wir Ihnen alles Gute!