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„Ich weiß, dass ich nichts weiß“* – oder doch nicht? Wissen als Einflussfaktor auf die Intention Studierender zur Wahl einer bioregionalen Speise in Hochschulmensen

14.08.2023: Seit geraumer Zeit herrscht eine hitzige Debatte darüber, ob die reine Vermittlung von Ernährungswissen Konsument:innen tatsächlich zu einem nachhaltigeren Ernährungsverhalten bewegen kann. Auf der einen Seite wird von Seiten der Politik, wann immer das Thema Ernährungskommunikation aufkommt, gerne auf das fehlende Wissen von Verbraucher:innen hingewiesen und dringend die Vermittlung von ernährungsbezogenem Wissen gefordert. Auf der anderen Seite zeigen zunehmend mehr Studien, dass wir trotz vorhandenem Wissen nicht zwangsläufig im Sinne dieser Wissensbestände rational handeln ("Lücke zwischen Wissen und Handeln“). Was hat es also mit dem Wissen und dessen Bedeutung für unser Ernährungsverhalten auf sich? Kann eine nachhaltige Ernährung wirklich durch eine reine Wissensvermittlung gefördert werden?

Mit dieser Fragestellung habe ich, Theresa Schön, mich in meiner Abschlussarbeit, die ich am Lehrstuhl für Kommunikation und Beratung in den Agrar-, Ernährungs- und Umweltwissenschaften unter der Betreuung von Prof. Dr. Jasmin Godemann geschrieben habe, beschäftigt.

 

Projektbezug "Nah.Land.Küche"

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, habe ich zudem mit dem Projekt „Nah.Land.Küche“ des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) zusammengearbeitet. Das Projekt verfolgt u.a. das Ziel, den Anteil bioregionaler Lebensmittel in den Mensen des Studierendenwerks Gießen zu erhöhen. In meiner Masterarbeit untersuchte ich daher, welchen Einfluss die Variable „Wissen“ auf die Intention Studierender zur Wahl einer bioregionalen Speise in Hochschulmensen hat. Dabei habe ich die Einflussvariable „Wissen“ differenzierter untersucht, indem ich den Empfehlungen von House et al. (2004) und Han (2019) folgend, Wissen nicht als eindimensionale Variable betrachtete, sondern in die beiden Wissensarten objektives und subjektives Wissen unterscheide. Das objektive Wissen (OW) ist das tatsächlich vorhandene und durch Tests messbare Wissen. Das subjektive Wissen (SW) beschreibt das wahrgenommene Wissen zu einem bestimmten Thema und wird auch als Vertrauen in das eigene Wissen definiert.

 

Studiendesign

Zunächst stellte ich ein Modell auf Basis der Theorie des geplanten Verhaltens (TPB) auf, welches ich um die beiden Wissenskomponenten erweiterte (siehe Abb. 1). Die Ausprägungen der einzelnen Variablen des Modells erhob ich mithilfe eines vollstandardisierten Online-Fragebogens, der größtenteils aus bereits validierten Fragebögen anderer wissenschaftlicher Arbeiten zusammengestellt wurde. Die Fragebögen sendete ich im Februar 2023 über den Rundmailverteiler der JLU an die gesamte Studierendenschaft. Aus dem zweiwöchigen Befragungszeitraum erhielt ich 254 vollständig ausgefüllte Fragebögen. Die Daten habe ich dann anhand einer Strukturgleichungsanalyse mithilfe des Statistikprogramms R ausgewertet. Es handelte sich demnach um eine quantitative empirische Forschungsarbeit.

 

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen, dass die Studierenden ihr Wissen über bioregionale Lebensmittel im Schnitt schlechter einschätzten (SW), als ihr tatsächliches Wissen (OW) über dieses Thema ist. Die Studierenden weisen demzufolge ein eher moderates Vertrauen in ihr eigenes Wissen auf. Während das subjektive Wissen signifikant positiv mit der Intention zur Wahl einer bioregionalen Speise in der Mensa korreliert, konnte entgegen der Erwartungen kein signifikanter Einfluss des objektiven Wissens auf die Intention nachgewiesen werden. Demnach scheint nur das subjektive Wissen eine Einflussvariable für die Intention der Studierenden zur Wahl einer bioregionalen Speise in der Mensa zu sein, während das objektive Wissen keinen Einfluss zeigt. Den größten Beitrag zur Erklärung der Intentionsbildung für die Wahl einer bioregionalen Speise leistet jedoch die Einstellung gegenüber dem Verhalten, die als Teil der TPB ebenfalls miterhoben wurde.

Abb. 1: Ergebnisse der statitischen Analyse, Quelle: eigene Darstellung, Schön 2023

Fazit

Die Ergebnisse der Arbeit liefern Hinweise darauf, dass es nicht ausreicht, das objektive Wissen durch eine reine Wissensvermittlung zu stärken, um eine Verhaltensänderung zu erzielen. Stattdessen sollte das subjektive Wissen, also das Vertrauen der Studierenden in ihr eigenes Wissen, gefördert werden, um ihre Intention zur Wahl einer bioregionalen Speise in der Mensa zu erhöhen. Um dies zu erreichen, ist es die Aufgabe der Ernährungskommunikation, konkrete Erfahrungen und Erlebnisse zu schaffen, die das Vertrauen der Studierenden in ihr eigenes Wissen über ökologisch und regional erzeugte Lebensmittel stärken. Da die Variable "Einstellung gegenüber dem Verhalten" den stärksten Einfluss auf die Intention der Studierenden zeigte, ist die Förderung einer positiven Einstellung durch die Ernährungskommunikation unerlässlich. Aufgrund der bestehenden Korrelation zwischen dem subjektiven Wissen und der Einstellung ist eine kombinierte Förderung der beiden Variablen durch die Bereitstellung konkreter Erfahrungen und Erlebnisse im Bereich bioregionale Lebensmittel(-produktion) denkbar und sinnvoll.

Im konkreten Fall der JLU-Studierenden, die in den Mensen des Studierendenwerks verpflegt werden, empfiehlt es sich daher beispielsweise Betriebsbesuche für die Studierenden anzubieten, um Erfahrungen zu sammeln und mit anderen Akteur:innen, die zur Mensa-Verpflegung beitragen, in den Dialog zu treten. Solche Betriebsbesuche können auf landwirtschaftlichen Betrieben oder aber in den Küchen des Studierendenwerks selbst stattfinden. Weiterhin können Filmvorführungen zum Thema nachhaltige Ernährung und anschließende Diskussionsrunden, im Rahmen des Science Cinema des Unikinos "Flimmerkiste", dazu beitragen, das Vertrauen der Studierenden in ihr eigenes Wissen zu stärken und gegebenenfalls auch zu einer positiveren Einstellung gegenüber der Wahl bioregionaler Speisen in der Mensa beizutragen. Seitens der Mensa empfiehlt es sich eine zielgruppenorientierte und alltagsnahe Tischgastkommunikation einzurichten und regelmäßiges Feedback von Studierenden einzuholen, um den Studierenden ein Gefühl von Selbstwirksamkeit zu vermitteln.

 

Literatur

* Zitat Sokrates

  • Han, T.‑I. (2019). Objective knowledge, subjective knowledge, and prior experience of organic cotton apparel. Fashion and Textiles, 6(1). https://doi.org/10.1186/s40691-018-0168-7
  • House, L., Lusk, J. L., Jaeger, S., Traill, W. B., Moore, M., Valli, C., Morrow, B. & Yee, W. M. (2004). Objective And Subjective Knowledge: Impacts On Consumer Demand For Genetically Modified Foods In The United States And The European Union. AgBioForum, 7(3), 113–123. https://doi.org/10.22004/AG.ECON.20125

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Wir danken Theresa Schön, M.Sc. Ernährungswissenschaften, für Ihren Beitrag über Ihre Erfahrungen und Ergebnisse aus der Masterthesis zum Thema "Wissen als Einflussfaktor auf die Intention Studierender zur Wahl einer bioregionalen Speise in Hochschulmensen" und wünschen alles Gute für die Zukunft!