Inhaltspezifische Aktionen

Rückblick: Planetary Spaces Summer Workshop vom 1. bis 2. Juni 2023

Strategien und Maßnahmen zur Wiederherstellung bedrohter Lebensräume für Menschen und Tiere erfordern vertiefende Kenntnisse über diese konfliktbehafteten Orte. Im Zuge ihrer zweitägigen Workshop-Reihe im Schloss Rauischholzhausen (01.-02.06.2023) riefen die diesjährigen Fellows im Planetary Scholars & Artists in Residence Program dazu auf, einen planetaren Blick auf drei sehr unterschiedliche Orte zu werfen: Den durch den Klimawandel und andere Faktoren stark bedrohten Tschadsee, die japanische Sperrzone in Folge des Atomunglücks bei Fukushima, sowie ein hessisches Waldstück bei Biebertal. Im Zuge von Vorlesungen, Diskussionsrunden, Workshops sowie einer Miniatur-Ausstellung lieferten Adenike Oladosu und Jason Waite zwanzig Teilnehmer:innen Einblicke in die Auswirkungen langfristiger Umweltkatastrophen auf planetare Räume und deren menschliche und nicht-menschliche Bewohner:innen. Eine umfassende Kunst-Installation zu den Projekten der Fellows sowie zu den Ergebnissen des Workshops wird am 06. Juli um 18:00 Uhr in der Kunsthalle Gießen feierlich eröffnet.

Die Gruppe posiert für ein Erinnerungsfoto.

 

Orte, die verschwinden: Vom einstigen Mega-Tschadsee zum rapide schrumpfenden Tschadsee von heute

Am Morgen des 01.06.2023 machte sich die gemischte Gruppe aus rund 20 Teilnehmer:innen gemeinsam auf den Weg nach Ebsdorfergrund, um sich im Schloss Rauischholzhausen einzufinden. Teil der gemischten Gruppe aus Kunst- und Veterinärmedizin-Studierenden, Doktorand:innen verschiedener Fachrichtungen sowie dem Kern-Team des Panels war ebenso ein Vorreiter im Bereich planetaren Denkens, Prof. Dr. Bronislaw Szerszynski (Lancaster Universität, Vereinigtes Königreich). Dieser hatte die Veranstaltungsreihe am Vorabend mit seiner Planetary Lecture-Performance zum Thema „Drift as a Planetary Phenomenon“ eingeläutet. „Es ist etwas wirklich besonderes für mich, so intensiv mit einer Gruppe planetaren Denker:innen zusammenarbeiten zu können,“ so eine Doktorandin des Rachel Carson Centers der LMU München, die sich in ihrer Dissertation mit dem Konzept „Planetary Health“ auseinandersetzt.

Der Vormittag im Schloss war dem Thema „Shrinking Spaces: From Mega-Chad to Lade Chad“ gewidmet. Die Nigerianische Klimaaktivistin Adenike Oladosu (I Lead Climate Action) machte den Teilnehmer:innen über Satellitenaufnahmen deutlich, wie rapide der Tschadsee seit den 1960ger Jahren an Umfang verloren hat. Im Anschluss lieferte sie vertiefende Einblicke in die vielschichtigen sozialen und ökologischen Konflikte rund um den See, der die Lebensgrundlage für unzählige Menschen darstellt. Um einem kompletten Verschwinden des Tschadsees entgegenzuwirken, ruft Oladosu für mehr Verantwortung im globalen Norden in der Bewältigung der Klimakrise auf, da diese maßgeblich zum Austrocknen des Tschadsees beiträgt. Zu Gast war ebenso Dr. Patrick Flamm vom Friedensinstitut Frankfurt am Main, der den Programmpunkt mit Forschungsergebnissen aus der Friedens- und Konfliktforschung anreicherte.

 

Von links nach rechts: Claudia J. Ford, Adenike Oladosu und Jason Waite diskutieren die Auswirkungen des Klimawandels und langfristiger Katastrophen auf die psychische Gesundheit © Bauer

Ein besonderes Highlight der Workshop-Reihe fand am Abend des ersten Tages statt: Oladosu und Waite diskutierten gemeinsam mit Claudia J. Ford (SUNY Potsdam, USA), Alumna des Fellowship Programms aus dem letzten Semester, wie sich der Verlust geschätzter Orte in Form von Klimatrauer auf die Psyche der Menschen auswirken kann. Veranschaulicht wurde die Diskussion im Zuge einer Miniatur-Ausstellung im Obergeschoss des Schlosses: Zum Sonnenuntergang konnten sich die Teilnehmer:innen über eine Posterausstellung, eine Video-Installation, eine VR-Simulation, sowie über Fords Klimatrauer-Tagebuch noch einmal praktisch mit den Themen der Workshop Reihe auseinandersetzen.

 

Liza Bauer und Frederic Hanusch erleben die VR-Simulation der Fukushima-Sperrzone © Endres

 

Mehr-als-menschliche Anpassungsstrategien an toxische Räume: Von Fukushima bis Hessen

Der zweite Tag rückte die nicht-menschlichen Bewohner des Planeten Erde in den Fokus: Der in Oxford ansässige Kurator und Kulturschaffende Jason Waite (Don't Follow the Wind) stellte den Teilnehmer:innen erstaunliche Wildkamera-Aufnahmen aus dem Sperrgebiet um Fukushima vor, die sich eine Vielzahl von Säugetieren in der Abwesenheit der Menschen zum Zuhause gemacht haben. Gemeinsam mit seinem Gast und Wildschweinexperten Dr. Kieran O’Mahony (Tschechische Akademie der Wissenschaften) stellte er außerdem interessante Bezüge zu einem hessischen Waldgebiet bei Biebertal her: Im Vergleich zeigten die Wildschweinaufnahmen aus Fukushima und Biebertal zur Verwechslung ähnliche Bilder der besonders widerstands- und anpassungsfähigen Tiere, denn die europäischen Wildschweine sind eng mit den japanischen verwandt.

 

Kieran O’Mahony (rechts) teilt sein Fachwissen über Anpassungsstrategien von Wildschweinen und anderen mehr als menschlichen Arten © Endres

 

Abgerundet wurde das Programm durch einen gemeinschaftlichen Zeichenworkshop zum Thema „Imagining More-Than-Human Infrastructure“. Hier war die Fantasie der Teilnehmer:innen gefragt, während sie gemeinsam Skizzen dazu anfertigten, wie eine Farm bei Fukushima umgestaltet werden könnte, um Menschen und Tieren ein gemeinsames Zuhause zur freien Entfaltung zu bieten. Liza Bauer, die stellvertretende Geschäftsführerin des Panels, bemerkte sie könne aus den Rückmeldungen der Teilnehmer:innen schließen, dass es dem Panel mit der Workshop Reihe wirklich gelungen sei, Raum für den interdisziplinären Austausch unter Forschenden und Kunstschaffenden unterschiedlicher Karrierestufen zu schaffen. „Das freut uns ganz besonders – wir danken unseren Fellows für das vielseitige Programm, das sie zusammengestellt haben.“

 

Die Gruppe stellt sich eine Infrastruktur für einen harmonischen menschlichen und mehr-als-menschlichen Raum vor © Bauer