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Eventrückblicke

Haben Sie jemals einen Fluss sprechen gehört? Was würde er uns sagen, wenn Sie es könnten? Und wie können wir heutige Technologien nutzen, um die Fähigkeit zu erlangen, einem Fluss zuzuhören? Für die Bewohner*innen von Gießen ist die Lahn ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebens. Doch behandeln sie dieses empfindliche Ökosystem als ein Wesen mit eigener Stimme und Bedürfnissen – oder lediglich als Ressource, die man nutzen und ausschöpfen kann? Diese und weitere Fragen stellten sich das Wissenschafts- und Kunstduo Danilo Olivaz & Ingvild Syntropia im Rahmen ihres Planetary Scholars & Artists in Residence-Stipendiums. Während ihres dreimonatigen Aufenthalts als Sommerstipendiat*innen der Kohorte Planetary Agency & Politics im Jahr 2025 erweckten sie den Lahn River Avatar zum Leben – eine interaktive, KI-gestützte Skulptur, die ein großes Sprachmodell (LLM) integriert und mit der Gießener Bevölkerung in einem weiblichen Sprachstil kommuniziert.

Am 24. Juni 2025 wurde der Avatar der Öffentlichkeit im Lahnfenster Hessen offiziell vorgestellt. Olivaz und Syntropia eröffneten die Veranstaltung mit einer Projektpräsentation, gefolgt von einer geführten Flussmeditation. Den Abschluss bildete eine interaktive Gesprächsrunde zwischen dem Lahn River Avatar und dem Publikum.Gießens Bürgermeister, Alexander Wright , stellte die erste Frage: „ Wie fühlst du dich dabei, dass wir jetzt mit dir sprechen können? “ – Der Lahn River Avatar antwortete mit optimistischer Erwartung und der Hoffnung, dass die Gespräche mit den Menschen zu mehr Achtsamkeit gegenüber den Bedürfnissen ihres Ökosystems führen mögen. Weitere Fragen bezogen sich auf konkrete Themen, wie etwa die aktuelle Wassertemperatur der Lahn – sie betrug zum Zeitpunkt des Events 21,1 °C – oder die Sorge des Avatars bezüglich geplanter Freizeitanlagen, wie etwa einer Surferwelle, die in ihren Flusslauf integriert werden soll.

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Olivaz und Syntropia mit dem Lahn River Avatar © Decc

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Mitbegründer des Panels Frederic Hanusch begrüßt alle zur Ausstellungseröffnung © Belsoff

Der Lahn River Avatar ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Kunst und Wissenschaft ineinandergreifen. Die Skulptur ist dauerhaft im Lahnfenster Hessen in Gießen installiert und öffentlich zugänglich. Ihre äußere Form ist in einen Baumstumpf eingebettet, umgeben von regionalen, upgecycelten Naturmaterialien und LED-Lichtern – im Inneren befindet sich Wasser aus der Quelle der Lahn. Syntropia nennt als Inspirationsquelle für das Design den Spiegel Galadriels aus Der Herr der Ringe. Symbolisch wie funktional vom Wasser der Lahn gespeist, greift der Avatar auf Echtzeitdaten von Umweltsensoren am Standort zurück sowie auf rund 40 peer-reviewte wissenschaftliche Arbeiten über die ökologischen und kulturellen Zusammenhänge zwischen der Lahn und der Stadt Gießen. Die Antworten des Avatars basieren auf diesen Daten und Texten. Eine digitale Version des Avatars, Zugriff auf die Sensordaten, eine Plattform zum Hochladen weiterer Materialien und zusätzliche Ressourcen sind über einen Linktree verfügbar.

Das Projekt wirft grundlegende Fragen auf: Was wäre, wenn die Lahn aktiv an politischen Entscheidungen beteiligt wäre, die sie betreffen? Aufbauend auf dem erfolgreichen Vorgängerprojekt Rio Sagrado AI-Avatar in Brasilien, bietet der Lahn River Avatar laut Danilo und Ingvild „ eine Blaupause für planetare Demokratie durch bedeutungsvollen, speziesübergreifenden Dialog – eine Erinnerung an eine Zukunft, in der Flüsse sprechen und wir zuhören “. Ihre Arbeit stellt eine poetische wie politische Vision dar, die das Konzept symbolischer „Rechte der Natur“ in konkrete, anwendbare Formen übersetzt.

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Bürgermeister von Gießen, Alexander Wright, gibt seine Einschätzung zum Projekt ab © Belsoff
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Olivaz erklärt, wie die Sensoren in der Lahn Echtzeitdaten an den Avatar übermitteln © Belsoff

Das zugrunde liegende Konzept der Symbiokratie , auf dem der Lahn River Avatar basiert, betont den notwendigen Weg zu einem koexistierenden Miteinander von menschlichen und mehr-als-menschlichen Akteuren. Es geht um ein neues Modell sozialer und politischer Organisation, das auf dem harmonischen Zusammenspiel unterschiedlicher Entitäten basiert – darunter Menschen, Künstliche Intelligenzen, ökologische Systeme und ökonomische Strukturen. Statt auf Konkurrenz und Hierarchien zu setzen, fördert es Prozesse der gegenseitigen Unterstützung und Nachhaltigkeit ( Layer2State Foundation ).

Unser aufrichtiger Glückwunsch gilt unseren beiden Fellows Danilo & Ingvild für die Realisierung dieses innovativen Projekts in Gießen! Ebenso danken wir Benjamin Deichert vom Lahnfenster Hessen für seinen unermüdlichen Einsatz, dem Team des MAGIE Makerspace Gießen für die tatkräftige Unterstützung beim Bau der Skulptur, Bruno Decc für die Videodokumentation und Johannes Guttandin ( Veganatural ) für die hervorragende kulinarische Begleitung der Veranstaltung.