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Eventrückblicke

Am 26. und 27. November 2024 realisierten die Planetary Times Winter Fellows Charlotte Wrigley (Humangeographin) und Christian Kosmas Mayer (Künstler) in Zusammenarbeit mit Adam Searle (Humangeograph) das Planetare Kolloquium & Workshop Frozen in Time: Interrogating Methods of Cold Storage and De-Extinction an der Hermann-Hoffmann-Akademie in Gießen. Die Veranstaltung brachte eine interdisziplinäre Gruppe von Wissenschaftler:innen und Künstler:innen zusammen, darunter Sarah Bezan (Literaturwissenschaftlerin), Veit Braun (Soziologe), Prof. Thomas Lemke (Soziologe), Alexis Rider (Wissenschaftshistorikerin) und Sophie J. Williamson (Künstlerin), um die komplexen Schnittstellen von Zeit, Leben und Bewahrung zu untersuchen.

Das zweitägige Event konzentrierte sich auf die Rolle der Tiefkühl-Archivierung als eine Praxis, an welcher Zeitlichkeit spürbar wird. Da alles Leben auf der Erde an Temperatur gebunden ist, hat die Erwärmung des Planeten die Notwendigkeit künstlicher Kühltechnologien vorangetrieben. Dies hat zur ENtwicklung des sogenannten „cryobanking“ geführt, bei dem biologisches Material eingefroren wird, um eine mögliche Wiederbelebung zu ermöglichen. In diesem Kontext stellen Kryobanken ein Paradox dar: Sie bieten im Angesicht beschleunigter ökologischer Zeitrahmen die Möglichkeit, „Zeit kaufen zu können“  und fordern unser Verständnis von Leben und Tod im Anthropozän heraus.

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Welcome speech by Frederic Hanusch and Charlotte Wrigley © Belsoff

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Kosmas Meyer presenting the project “The Last Bucardo: Making De-Extinction Public” © Belsoff

Die Debatte wurde von dem Künstler Christian Kosmas Mayer und dem Humangeographen Adam Searle eingeführt, die ihr jahrelanges Forschungsprojekt The Last Bucardo: Making De-Extinction Public vorstellten. Ihr Vortrag gab Einblicke in die Ausstellung Von Genen und Menschen im Deutschen Hygiene-Museum Dresden (2023), die Archivmaterialien und künstlerische Objekte zum Thema des in den späten 1990er Jahren ausgestorbenen Pyrenäen-Bocks und dessen gescheiterten Klonversuchen zeigte. Mayer und Searle untersuchten kritisch die philosophischen, künstlerischen und ethischen Implikationen der De-Extinktion als wissenschaftliche und gesellschaftliche Praxis.

Die Veranstaltung setzte sich fort mit der Präsentation von Sarah Bezan The Rekindling: Fictions and Desirable Future Natures und dem Vortrag von Veit Braun Times of Extinction: Cryopreservation and Its Presents . Bezan untersuchte, wie Literatur wünschenswerte Zukunftsperspektiven durch Erzählungen des „rekindling“ imaginiert, während Braun die Kategorie des menschlichen Körpers in Diskussionen um Kryokonservierung betrachtete. Nach den Keynotes besuchte die University of Giessen Systematics and Biodiversity collection (UGSB), die mit explosionsgeschützten Gefriertruhen (-20°C und -80°C) sowie Sicherheitsvorkehrungen wie einem Temperatur-Alarm-System und einem CO2-Feuerlöschsystem ausgestattet ist.

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Sarah Bezan and Adam Searle © Belsoff

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Braun and Kosmas Meyer discussing about cryopreservation © Belsoff

Die Künstlerin Sophie J. Williamson schloss den ersten Tag mit einer Video-Vortragsperformance Future Eaters ab, in der sie eine performative Erkundung sibirischer Landschaften, ihrer Ökosysteme und verwobener Temporalitäten anbot. Williamsons Arbeit beleuchtete die Fragilität der Permafrostregionen und die ungewissen Zukunftsperspektiven, denen sie ausgesetzt sind, und integrierte Perspektiven von Aktivist:innen für indigene Rechte, Wissenschaftler:innen und Künstler:innen.

Der zweite Tag begann mit der Präsentation von Charlotte Wrigley und Alexis Rider zum Thema Melting Memories or Frozen Fossils: Ice, Time, and the Arctic Archive . Wrigley und Rider diskutierten zusammen mit Alissa Theiss, Leiterin der Sammlungen der Hermann-Hoffmann-Akademie, dass Archive sowohl wissenschaftliche als auch als gesellschaftliche Funktionen erfüllen. Rider sprach über wissenschaftliche Untersuchungen zur „deep time“ anhand von Eisschichten, während Wrigley menschliche Gefriertechnologien, wie Kryobanken, als Archivinstrumente untersuchte.

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Claus Leggewie and Thomas Lemke © Belsoff

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Creating speculative histories for the future generations © Belsoff

Der öffentliche Keynote-Vortrag des Kolloquiums wurde von Prof. Thomas Lemke zum Thema Anticipating and Deferring: Elements of a Politics of Suspension präsentiert. Lemke verband zwei scheinbar disparate Forschungsstränge: die kritische Analyse von Kryokonservierungstechnologien und die Politik der Antizipation. Fokussiert auf Wildtier-Kryobanken und das Einfrieren menschlicher Eizellen, argumentierte Lemke, dass Kryokonservierungstechnologien in einer breiteren Politik der Suspension eingebettet sind. Indem biologisches Material in einen liminalen Zustand versetzt wird – weder vollständig lebendig noch tot – erweitern diese Praktiken die zeitlichen Horizonte und ermöglichen die Aufschiebung und Antizipation von Zukünften.

Der Workshop endete mit einer interaktiven Sitzung, die von Wrigley und Rider geleitet wurde. Die Teilnehmer wählten Objekte aus der Sammlung der Hermann-Hoffmann-Akademie aus und entwickelten spekulative Geschichten für zukünftige Zielgruppen. Diese Präsentationen wurden als Teil von Wrigleys Projekt Archiving Giessen dokumentiert und sollen im Arctic World Archive , einem sicheren unterirdischen Tresor im Permafrost von Svalbard, archiviert werden.