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„Neues“ Coronavirus gehört zur gleichen Spezies wie das SARS-Coronavirus

Studie mit Beteiligung des Gießener Instituts für Medizinische Virologie bestätigt enge genetische Verwandtschaft – Offizielle Benennung als SARS-Coronavirus 2 erlaubt jedoch keine Aussage über die Virulenz des Virus und den klinischen Verlauf von Infektionen

Nr. 27 • 12. Februar 2020

Das für die derzeitige Epidemie von Atemwegserkrankungen verantwortliche Coronavirus gehört auf taxonomischer Ebene zu derselben Virusspezies wie der Erreger des SARS-Ausbruchs im Jahr 2002/2003: Severe acute respiratory syndrome-related coronavirus. Dies bestätigen Sequenzanalysen, an denen Prof. Dr. John Ziebuhr vom Institut für Medizinische Virologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) beteiligt war. Aufgrund der engen phylogenetischen Verwandtschaft zu den anderen Viren dieser Spezies wird das „neue“ Virus nun offiziell dieser Spezies zugeordnet und als „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“ benannt (kurz: SARS-Coronavirus 2, SARS-CoV-2). Prof. Ziebuhr leitet seit 2014 die Coronaviridae-Studiengruppe des Internationalen Komitees für die Taxonomie von Viren (ICTV), die für die Analyse und taxonomische Einordnung aller neu entdeckten Coronaviren verantwortlich ist.

„Es ist extrem wichtig zu betonen, dass die genetische Ähnlichkeit der beiden Viren – also des SARS-Coronavirus aus dem Jahre 2003 und des jetzt zirkulierenden SARS-Coronavirus 2 – keinesfalls den Schluss zulässt, dass sich die beiden Viren bei Infektionen im Menschen vergleichbar oder gar identisch verhalten“, betont Prof. Ziebuhr. „Der klinische Verlauf von SARS-CoV-2-Infektionen, die Übertragbarkeit des Virus und die Virulenzeigenschaften können sich sogar erheblich voneinander unterschieden. Die enge genetische Verwandtschaft sagt also nichts über die tatsächliche Gefährdung durch das Virus aus.“

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat am 11. Februar 2020 bekanntgegeben, dass die durch SARS-CoV-2 hervorgerufene Erkrankung den Namen COVID-19 erhalten hat. Innerhalb von nur zwei Jahrzehnten ist mit SARS-CoV-2 erneut ein SARS-CoV-ähnliches Virus auf den Menschen übergesprungen. Dies unterstützt die Vermutung, dass bestimmte Varianten dieser Spezies in besonderer Weise befähigt sind, aus ihren natürlichen Wirten in verschiedenen Fledermausarten – möglicherweise unter Beteiligung bisher unbekannter Zwischenwirte – auf den Menschen überzuspringen und sich anschließend von Mensch zu Mensch auszubreiten. „Zukünftige Forschungsaktivitäten sollten sich daher nicht nur auf einzelne für den Menschen pathogene Viren beschränken, sondern die gesamte Virusspezies einschließlich ihrer zahlreichen Varianten in verschiedenen anderen Wirtstieren in den Blick nehmen“, beschreibt Prof. Ziebuhr ein weiteres Fazit, das die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ihrer Studie ziehen. Zur Spezies Severe acute respiratory syndrome-related coronavirus zählt auch eine Vielzahl anderer Coronaviren von Säugetieren wie beispielsweise Fledermäusen.
    
Ein Manuskript, dass die Sequenzanalyse und die wissenschaftliche Grundlage für die Klassifikation des „neuen“ Coronavirus beschreibt, wird derzeit von einer renommierten Fachzeitschrift für die Veröffentlichung vorbereitet und ist in einer nichteditierten Form bereits auf dem Bioarchiv-Server hinterlegt worden. Der zweite korrespondierende Autor ist Prof. Ziebuhrs langjähriger Kooperationspartner Prof. Dr. Alexander Gorbalenya von der Universität Leiden (Niederlande), der von Oktober bis Dezember 2019 als Mercator Fellow der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des  SFB 1021 „RNA-Viren: Metabolismus viraler RNA, Immunantwort der Wirtszellen und virale Pathogenese“ (Sprecher: Prof. Dr. Stephan Becker, Philipps-Universität Marburg) einen Forschungsaufenthalt am Institut für Medizinische Virologie der JLU absolviert hat.

  • Publikation

Gorbalenya, A.E., Baker, S.C., Baric, R.S. et al. The species Severe acute respiratory syndrome-related coronavirus: classifying 2019-nCoV and naming it SARS-CoV-2. Nat Microbiol (2020).
DOI: 10.1038/s41564-020-0695-z

  • Weitere Informationen

https://www.nature.com/articles/s41564-020-0695-z

  • Kontakt


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Schlagwörter
Forschung