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Gießener Anzeiger vom 15.12.2005

Fasziniert von einem "raffinierten Hebelsystem"

GIESSEN (fm). Nach einer Reise durch Afrika machten die kleinen Hörer am Dienstag bei der zweiten Vorlesung von Justus' Kinderuni im Wintersemester 2005/2006 eine Reise durch das Ohr. Was sie zwei Wochen davor über Sprache als Mittel der Verständigung gelernt hatten, das beruhe alles auf einem gut funktionierenden Gehör, sagte zu Beginn der noch vom letzten Mal bekannte Prof. Manfred Prinz. Sein Kollege Prof. Jürgen Kießling vom Fachgebiet Audiologie des Uni-Klinikums der Justus-Liebig-Universität (JLU) sei ein "Mediziner und Physiker", der an Hörgeräten arbeite und selbst eines trage. Als Spezialist für alle Fragen rund um das Ohr werde er "eine Brücke schlagen zwischen Hören, Verstehen und selber Sprechen".

Schon bei allen vier Veranstaltungen im letzten Semester hat die neunjährige Ann Lauren von der Grundschule Hungen viel mitgeschrieben. Doch diesmal wurde ihr kleines grünes Notizheft richtig strapaziert. Denn was die rund 250 acht- bis zehnjährigen Kinder über das Schicksal des gleichaltrigen Philip erfuhren, schlug sie von der ersten Sekunde an in den Bann. Einmal wäre der Junge fast von einem Auto überfahren worden, beim Fußball versteht er viele Zurufe falsch oder gar nicht, und im Unterricht ist es ganz ähnlich. Erst als ihn eine Ohrenärztin den Jungen unter die Lupe nimmt und ihm viele Fragen rund ums Hören beantwortet, macht er Riesenfortschritte. Mit knapp 80 PowerPoint-Bildern nahm Kießling die kleinen Besucher von Justus' Kinderuni mit auf eine Reise durch das Ohr. Und das war spannend. Schon nach wenigen Minuten war den Kleinen klar, dass viele alltägliche Dinge ohne gutes Hören gar nicht möglich wären. Kießling: "Wir würden niemals sprechen lernen und könnten uns nicht unterhalten, nicht Musik hören, nicht telefonieren - und vor allem: nichts lernen durch Zuhören." Wie sind meine Ohren aufgebaut? Wie funktioniert mein Gehör? Warum habe ich zwei Ohren? Was schadet meinen Ohren? Wie kann ich mich davor schützen? Wie merke ich, das mit meinem Gehör etwas nicht stimmt? Wie kann mir geholfen werden? Fragen über Fragen, auf die der Gießener Audiologe, bei der Aufbereitung des Materials unterstützt von Michael Müller und Manfred Schubert, klare und überzeugende Antworten parat hatte. Mit Begeisterung hielten sie sich abwechselnd das rechte und das linke Ohr zu, um auf diese Weise zu lernen, dass ein von Kießling erzeugtes Weckergeräusch nicht richtig lokalisiert werden kann. "Nur mit zwei Ohren können wir hören, aus welcher Richtung der Schall kommt." Für Freude unter dem jungen Publikum sorgte das Filmchen "Die tanzende Haarzelle" zur Melodie von Bill Haleys "Rock Around The Clock", an deren Ende Kießling mit hochgereckter Faust ein befreites "Yeah!" ausstieß. Ohrschmalz kann den Gehörgang verstopfen, trotzdem keine Wattestäbchen benutzen, riet der Fachmann. Feuer, Böller und Spielzeugpistolen meiden. Auch laute Musik bei Konzerten und Discobesuchen kann den Ohren gefährlich werden.

Zum guten Schluss erklärte Kießling, wie ein Hörtest gemacht wird, wie die Hörkurve eines gut funktionieren Ohres aussieht und wie Hörgeräte funktionieren. "Was dort leise rein kommt, egal ob Sprache, Musik oder Geräusche, kommt laut raus und geht direkt ins Ohr." Für Kinder gibt es jede Menge tolle Hörgeräte, die meist hinter dem Ohr getragen werden. Sobald die Ohren ausgewachsen sind, kann man ein Hörgerät auch im Ohr tragen. Und Philip? Seit er beim Hörgeräteakustiker war und ein Hörgerät trägt, bekommt er in der Schule, beim Fußball und auf der Straße wieder fast alles mit. So wie er wissen seit Dienstag auch die Hörer von Justus' Kinderuni, "wie wichtig gutes Hören ist."