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Unbemannte militärische Systeme (UMS)

Gefördert mit Mitteln der Deutschen Stiftung Friedensforschung

Luftgestützte unbemannte militärische (Kampf-)Systeme (UM(K)S) sind bei Streitkräften verschiedener Staaten wenigstens als Aufklärungssysteme schon seit einigen Jahrzehnten im Einsatz. Dennoch können die in der vergangenen Dekade entwickelten und zum Einsatz gebrachten, meist als „Kampfdrohnen“ bezeichneten Systeme durchaus als Revolution in der Militärtechnik bezeichnet werden. Mit beispielsweise den U.S.-amerikanischen „Predator“- (deren Anschaffung auch für die Bundeswehr diskutiert wird) oder „Reaper“-Systemen und deren hochauflösenden Sensoren und langer Flugstandzeit ist ein nahezu verzögerungsloser Verbund zwischen Aufklärung und Waffeneinsatz herstellbar, dies zudem ohne die Gefährdung eigener Streitkräfte. Auch wenn nur wenige Staaten tatsächlich bewaffnete unbemannte Systeme einsetzen, sind UM(K)S heute weit verbreitet und existieren in vielen Erscheinungsformen. Von Klein- und Kleinstflugzeugen mit einer Reichweite von einigen Kilometern bis hin zu einigen wenigen großen Systemen, die 24 Stunden und länger in der Luft bleiben und 10.000 km (und zurück) fliegen können, existieren alle denkbaren Varianten. Einsatzszenarien für luftgestützte UM(K)S sind sowohl militärischer als auch ziviler Natur, internationale Polizeioperationen bieten ebenfalls attraktive Verwendungsmöglichkeiten in Aufklärung und Observation.

Dieser enorm ansteigenden Bedeutung von UM(K)S zum Trotz, existiert bisher noch keine systematische, wissenschaftliche Untersuchung der Thematik. Das vorliegende Projekt schließt diese Lücke und setzt sich aus völkerrechtlicher Sicht mit den Regeln zum Einsatz von UM(K)S auseinander und analysiert erstmalig umfassend den Stand der Regelungsdichte. Humanitärvölkerrechtliche und völkerrechtliche Vertragswerke sowie Völkergewohnheitsrecht stehen im Brennpunkt der Untersuchung.

Gerade im humanitären Völkerrecht stellen sich beim Einsatz von UM(K)S Fragen
unterschiedlicher Natur. Zwar kommt eine grundsätzliche Einsatzbeschränkung für UM(K)S aufgrund genereller Unvereinbarkeit mit dem humanitären Völkerrecht wohl nicht in Betracht. Insbesondere im Hinblick auf zunehmende Tendenzen zur Automatisierung und Autonomisierung von Angriffen und auf mit unbemannter Waffentechnik untrennbar verbundene Effekte (so genannte design-dependent effects) auf Zivilbevölkerungen und den Kampfmitteleinsatz insgesamt sind Kollisionen mit dem humanitären Völkerrecht jedoch nicht auszuschließen.

Hier stellen sich zahlreiche Fragen, die auch daraus resultieren, dass sich die
Rahmenbedingungen eines Einsatzes zwischen dem Beginn des Einsatzes unbemannter Systeme (regelmäßig der relevanten Handlung) und dem Eintreffen am Zielort (dem relevanten Erfolg), gerade bei einer großen Distanz zwischen Handlungsort und Zielort, verändern können. Inwieweit sind unbemannte Systeme tatsächlich in der Lage, darauf zu reagieren, dass ein ursprünglich militärisches Objekt nicht mehr angegriffen werden darf, weil sich sein Status verändert hat? Kann künstliche Intelligenz darauf reagieren, dass sich im Zielgebiet des unbemannten Systems eine neue Konstellation hinsichtlich der Zivilbevölkerung oder ziviler Objekte ergeben hat? Welche zeitlichen Rahmenbedingungen gelten für Veränderungen zwischen Handlung und Erfolg?

Weitgehend keine Beachtung in der einschlägigen Literatur fand bisher die Rechtstellung des Steuerers und der Bodenstation von UM(K)S. Oftmals wird für diese Aufgaben Personal eingesetzt, welches nicht in die Streitkräfte eingegliedert ist. Ob sich daraus Wechselwirkungen mit dem ius ad bellum ergeben könnten, ist ebenfalls Gegenstand der Untersuchung. Auch könnten in Zukunft informationelle Angriffe auf die Datenverbindung zwischen Fluggerät und Bodenstation an Bedeutung gewinnen, hier liegt eine Schnittstelle mit dem noch wenig erforschten Gebiet der so genannten Cyberwarfare.

Beim Einsatz von UMS für Aufklärungszwecke wiederum ist u.a. zu ermitteln, welche
spezifischen Vorsichtsmaßnahmen im Hinblick auf mögliches technisches Versagen zu
treffen sind, um Verstöße gegen das Unterscheidungsgebot zu vermeiden. Der bisher nicht einheitlich gehandhabte Begriff des luftgestützten unbemannten militärischen Systems bedarf dabei einer genauen Definition, Kennzeichnungspflichten aus Kriegs- und Friedensvölkerrecht werden identifiziert und auf UM(K)S projiziert.


Das Projekt ist nicht auf reine Forschungsarbeit beschränkt. Akteure aus Politik, Wirtschaft und aus den Streitkräften sowie einschlägig tätige NGOs werden für die Erarbeitung von Ergebnissen eingebunden, zwei Workshops mit einem internationalen Teilnehmerfeld sichern dabei einen differenzierten Diskurs.


Finales Ziel des Projektes ist es, einen rechtlichen Beitrag zur internationalen Diskussion um den Einsatz unbemannter militärischer Luftfahrzeuge zu liefern, Regelungslücken zu identifizieren und Vorschläge zur (humanitär-) völkerrechtlichen Einordnung anzureichen.

Projektverlauf

Closing Workshop:
Unmanned Military Vehicles in International Humanitarian Law, 26-27. Januar 2012, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin

1. Projekt-Workshop:
"Humanitär-völkerrechtliche Einhegung unbemannter militärischer Systeme"
20.-21. Januar 2011 in Bochum
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht der Ruhr-Universität Bochum, finanziert von der Deutschen Stiftung Friedensforschung

Veröffentlichungen

1. Stand und Perspektiven der militärischen Nutzung von unbemannten Systemen, Gutachten für das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag, September 2008 (VÖ: 2013), Jürgen Altmann, Christian Alwardt, Michael Brzoska, Thilo Marauhn, Götz Neuneck und Philipp Stroh (ifsh.de/ifar/veroeffentlichungen/working-papers/).
2. Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften (HuV-I), Themenheft „Nichtbemannte Waffensysteme und Humanitäres Völkerrecht“, 02 / 2011, Vol. 24.
3.

Kampfdrohnen im Krieg – Humanitär-völkerrechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz luftgestützter unbemannter militärischer Kampfsysteme im bewaffneten Konflikt, Dissertation, Philipp Stroh (Fertiggestellt 2013, VÖ 2014).