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Lehnwortphonologie – Segmente und Strukturen - Abstract

PD Dr. Yvonne Kiegel-Keicher

Abstract Habilitationsschrift  

 

Lehnwortphonologie – Segmente und Strukturen. Prozessphonologische und optima­li­täts­t­heoretische Analyse am Beispiel des arabisch-romanischen Sprachkontaktes.

Publikation: erschienen 2022 bei Peter Lang, Berlin  (842 Seiten)

 

Erstmals wird mit dieser Arbeit eine Untersuchung vorgelegt, die die phonologische Integration der Lehnwörter einer vollständigen abgeschlossenen Sprachkontaktphase zum Inhalt hat. Entsprechend umfangreich ist die Untersuchungsgrundlage: Das Korpus bilden über 1000 arabische Etyma und die aus ihnen zwischen dem frühen 8. und dem Ende des 15. Jh. entstandenen iberoromanischen Arabismen.

Die phonologische Adaption von Lehnwörtern an die Nehmersprache erfolgt in Form von Prozessen, welche Phonembestand und -abfolge, Silbenstruktur oder Akzentmuster der entlehnten Form modifizieren können. Um diese Prozesse zur Gänze zu erfassen, wird in der Arbeit eigens eine Prozesstypologie erstellt, die als übereinzelsprachlich zu verstehen ist und sämtliche segment- bzw. strukturverändernden Prozesse beschreibt, die in der Anpassung von Lehnwörtern auftreten können. Der arabisch-romanische Sprach­kontakt ist besonders ergiebig und liefert Evidenz zu jedem einzelnen der möglichen Prozesse. Denn die beteiligten Sprachen – das Arabische als Gebersprache auf der einen Seite und die romanischen Nehmersprachen auf der anderen Seite – sind durch markante typologische Unterschiede in allen phonologischen Aspekten gekennzeichnet. Um diese Unterschiede herauszuarbeiten, werden die phonologischen Systeme aller beteiligten Sprachen von ihren Ursprüngen bis heute bzw. bis zu ihrem Verschwinden in jeweils eigenen Kapiteln detailliert vorgestellt und erläutert. Diese Kapitel können nicht nur als eigenständige dia­chrone Phonologien des Kastilischen, Portugiesischen, Katalanischen, Galicischen, Asturisch-Leonesischen, Aragonesischen, Andalusisch-Romanischen sowie des Andalusisch-Arabischen gelesen werden, sondern sie bilden die essenzielle Grundlage für die nachfolgende Analyse. Darin werden sämtliche Anpassungsprozesse, welche die Substanz oder die Struktur des Lehngutes verändern, identifiziert und formalisiert; ihr Vorkommen wird anhand der Sprachdaten sorgfältig illustriert und auf sprachspezifische oder universelle Tendenzen zurückgeführt. Denn die Lehnwortadaption folgt, wie im Verlauf der Untersuchung eingehend bewiesen wird, nicht allein den Vorgaben der aufnehmenden Sprachen, sondern sie stellt darüber hinaus aus typologisch markierten Strukturen weniger markierte her.

Der umfassenden prozessphonologischen Analyse folgt eine Überprüfung der Ergebnisse im Rahmen der Optimalitätstheorie. Dies bietet eine zusätzliche theoriebasierte Perspektive auf die Lehnwortadaption und stellt ausführlich die hervorragende Eignung dieses modernen Ansatzes für die Erklärung kontaktlinguistischer Phänomene unter Beweis. Denn die Optimalitätstheorie arbeitet mit den konkurrierenden Prinzipien Treue und Markiertheit, die prägnant den Konflikt der entlehnenden Sprecherinnen und Sprecher widerspiegeln: Sie müssen die Lehnwörter bei ihrer Integration in die Nehmersprache einerseits systemkonform adaptieren; andererseits bewahren sie eine möglichst große Nähe zur gebersprachlichen Form.