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Neuartige Einblicke in die fundamentalen Bausteine der Materie

5,5 Millionen Euro für die Physik der kleinsten Teilchen – Gießener Physikalische Institute erfolgreich bei der BMBF-Verbundförderung

Nr. 128 • 8. Oktober 2021

Hochstrom-Elektronentarget für den FAIR-Ionenspeicherring CRYRING. Foto: C. Brandau

Vorderansicht des HADES-RICH-Detektors. Foto: G. Otto, GSI
Die Erforschung atomarer und subatomarer Teilchen in nationalen und internationalen Großforschungseinrichtungen stehen im Fokus von Arbeitsgruppen an deutschen Universitäten, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit dem Verbundforschungsprogramm „Teilchen“ fördert. Gießener Arbeitsgruppen aus den Physikalischen Instituten der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) engagieren sich insbesondere bei der derzeit bei Darmstadt im Bau befindlichen internationalen Forschungseinrichtung FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research). Um die auf FAIR ausgerichtete Wissenschaft zu unterstützen, ist kürzlich die neue Helmholtz Forschungsakademie Hessen für FAIR (HFHF) mit den drei Standorten Darmstadt, Frankfurt und Gießen bewilligt worden.

Photodetektorebene bestehend aus über 400 Multi-Anoden-Photomultipliern des HADES-RICH-Detektors. Foto: G. Otto, GSI
Für den Aufbau und für die Durchführung von Experimenten bei FAIR sowie für theoretische Untersuchungen erhalten die Gießener Arbeitsgruppen bis Mitte 2024 Mittel aus dem BMBF-Verbundforschungsprogamm „Teilchen“ in Höhe von 4,5 Millionen Euro. Mit einer weiteren Million Euro fördert das BMBF Gießener Beiträge zum japanischen BELLE-II-Experiment, an dem exotische Teilchen erzeugt und untersucht werden, sowie zum ATLAS-Experiment am weltweit größten Teilchenbeschleuniger LHC des internationalen Forschungszentrums CERN in Genf. In naher Zukunft werden an FAIR modernste Teilchenbeschleuniger, Ionenspeicherringe und Teilchendetektoren neuartige Einblicke in die Eigenschaften der fundamentalen Bausteine der Materie („Teilchen“) sowie ihr Verhalten unter extremen Bedingungen gestatten. Im Labor werden dabei Temperaturen und Drücke erzeugt, welche kurz nach dem Urknall im frühen Universum herrschten oder heutzutage bei Sternexplosionen und Kollisionen von Neutronensternen auftreten.

„Die Gießener Arbeitsgruppen leisten einen signifikanten Beitrag zum Bau der Detektoren für FAIR in Hessen“, so JLU-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee. „Mit den bewilligten Fördermitteln treiben sie Forschung voran, die grundsätzliche Fragestellungen wie den Ursprung der Masse, die Eigenschaften der Bausteine der Materie sowie deren Wechselwirkung bei der Entstehung unseres Universums aufklärt. Ich gratuliere allen Beteiligten herzlich zu diesem großen Erfolg.“

Das Forschungsprogramm bei FAIR wird von den vier Säulen APPA (Atomic and Plasma Physics and Applications), CBM (Compressed Baryonic Matter), NUSTAR (Nuclear Structure, Astrophysics and Reactions) und PANDA (Antiproton Annihilation in Darmstadt) getragen. Die Gießener Physik ist in allen vier Forschungssäulen aktiv. Im Rahmen von APPA entwickelt die Arbeitsgruppe Atom- und Molekülphysik (I. Physikalisches Institut, Apl. Prof. Dr. Stefan Schippers) einen intensiven Elektronenstrahl für Präzisionsmessungen an Schwerionen im FAIR-Ionenspeicherring CRYRING zur hochgenauen Überprüfung quantentheoretischer Vorhersagen. Überdies koordiniert die Gießener Atom- und Molekülphysik den Forschungsschwerpunkt ErUM-FSP T05 „Aufbau von APPA bei FAIR“, der alle an APPA beteiligten deutschen Universitätsgruppen umfasst.

Die Untersuchung von Kernen weitab der Stabilität wird in der NUSTAR-Säule vorangetrieben, an der die Gießener Physik mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Christoph Scheidenberger (II. Physikalisches Institut) beteiligt ist und hochpräzise Detektoren baut. Für das PANDA-Experiment, das exotische hadronische Zustände mit weltweit einzigartiger Präzision vermessen wird, ist die Gießener Physik an der Entwicklung und dem Bau von zwei Subdetektoren beteiligt: Die Gruppe um Prof. Dr. Kai-Thomas Brinkmann (II. Physikalisches Institut) baut das elektromagnetische Kalorimeter sowie einen Mikro-Vertex-Detektor. Das CBM-Experiment wird hochdichte Materie untersuchen, ähnlich wie sie in der Kollision von Neutronensternen oder schwarzen Löchern erzeugt wird. Hier entwickelt und baut die Gruppe von Prof. Dr. Claudia Höhne (II. Physikalisches Institut) einen RICH-Detektor; für spezielle materialtechnische Aspekte besteht eine Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Michael Dürr (Institut für Angewandte Physik). Ein Teil dieser RICH-Entwicklung wird bereits jetzt in dem derzeit laufenden HADES-Detektor bei GSI eingesetzt. Auf Basis der Theorie der starken Wechselwirkung berechnen die Gruppen von Prof. Dr. Christian Fischer, PD Dr. Bernd-Jochen Schaefer und Prof. Dr. Lorenz von Smekal am Institut für Theoretische Physik mit modernen numerischen Verfahren und aufwendigen Simulationen die Eigenschaften der kleinsten Teilchen und der aus ihnen aufgebauten hadronischen Materie unter extremen Bedingungen. Auf diese Weise entstehen theoretische Vorhersagen, welche in den PANDA- und CBM-Experimenten überprüft werden können.

Das starke Engagement am Zukunftsprojekt FAIR wird abgerundet durch Beteiligungen an anderen derzeit Daten aufzeichnenden Forschungsanlagen weltweit, wie dem CERN (ATLAS-Experiment, Prof. Dr. Michael Düren, AR Dr. Hasko Stenzel) in der Schweiz oder dem KEK (BELLE-II-Experiment, Prof. Dr. Claudia Höhne, Apl. Prof. Dr. Jens-Sören Lange) in Japan. Zu letzterem hat die JLU ein elektronisches System für Datentransfer mit Glasfasertechnologie und höchster Bandbreite – um den Faktor 20 schneller als der „5G“-Standard – beigesteuert.

 

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Forschung