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Antisemitismus in der Schule

Wissenschaftlerteam der Justus-Liebig-Universität Gießen und der TU Berlin legt erste bundesweite Bestandsaufnahme vor: „Pädagogische und strukturpolitische Maßnahmen zur Antisemitismusbekämpfung in Schulen nötig“

Nr. 21 • 28. Januar 2019

Eine erste bundesweit vergleichende Bestandsaufnahme zu Antisemitismus in der Schule haben Prof. Dr. Samuel Salzborn vom Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) der TU Berlin und Dr. Alexandra Kurth vom Institut für Politikwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) jetzt vorgelegt. Ausgehend von antisemitischen Vorfällen an deutschen Schulen haben sie in ihrem Gutachten den bisherigen Wissensstand zusammengetragen und weisen auf Herausforderungen für Forschung und Politik hin.

Für ihr Gutachten sichteten Salzborn und Kurth die bisher verfügbarer Erkenntnisse zum Thema Antisemitismus in der Schule aus anderen Studien und der Fachliteratur. Ihr Fazit: Eine erfolgreiche schulische Intervention gegen Antisemitismus kann nur durch eine Mischung aus Aufklärung, Prävention, Intervention, schulische Ordnungsmaßnahmen gegen Schülerinnen und Schüler sowie dienstrechtliche Maßnahmen gegen Lehrkräfte gewährleistet werden.
 
Die direkte, faktenbasierte Auseinandersetzung mit Themenfeldern wie Antisemitismus, Nationalsozialismus und dem Staat Israel sowie mit jüdischer Religion, Kultur und Geschichte in den geistes- und gesellschaftlichen Schulfächern ist in vielen Lehrplänen bereits vorgesehen. „Ebenso relevant ist aber auch die indirekte Thematisierung, durch die antisemitischen Handlungen die kognitiven und emotionalen Grundlagen entzogen werden können“, so Kurth. „Das heißt, die Vermittlung von abstraktem Denken und konkretem (Mit-) Fühlen in künstlerisch-musischem, sportlichem und naturwissenschaftlichem Unterricht kann gerade bei jungen Schülerinnen und Schülern entscheidend zur Antisemitismusprävention beitragen.“

Neben der universitären Ausbildung von Lehrkräften und den Herausforderungen für Schulleitungen und Schulaufsichtsbehörden werden in dem Gutachten auch die bisherigen und geplanten Maßnahmen der einzelnen Bundesländer beleuchtet. „Die angefragten Stellungnahmen der Kultusministerien fielen sehr unterschiedlich aus“, so Salzborn. „Während zum Beispiel Rheinland-Pfalz seinen Fokus fast ausnahmslos auf außerschulische und freiwillige Angebote wie Gedenkstättenfahrten richtet und ein Meldeverfahren für antisemitische Vorfälle an Schulen nicht existiert, verfügt Berlin über ein statistisch präzises Erhebungs- und Meldesystem sowie konkrete behördliche Ansprechpartner.“ Um zudem das Thema Judentum nicht auf den Nationalsozialismus zu verengen, sei im Rahmenlehrplan Berlin und Brandenburg für den Jahrgang 7/8 im Fach Geschichte beispielsweise ein Längsschnittmodul „Juden, Christen und Muslime“ verankert. Keine Auskunft über ihre Maßnahmen in der schulischen Bekämpfung von Antisemitismus gaben die Bundesländer Bayern und Hamburg den Wissenschaftlern.

Dem Gutachten zufolge sind antisemitische Vorfälle nicht allein durch pädagogische Maßnahmen zu lösen. „Es besteht Handlungsbedarf im strukturpolitischen Bereich, will man nicht immer nur auf antisemitische Vorfälle reagieren, sondern diese langfristig und dauerhaft reduzieren”, so Kurth.

Zudem halten Salzborn und Kurth es für bedenklich, wenn im pädagogischen Bereich Kompetenzorientierung vor Faktenlernen gestellt werde und wenn aus einer falsch verstandenen Multiperspektivität heraus Antisemitismus toleriert werde. Ein Dreh- und Angelpunkt des Problems seien die Schulbücher, die oftmals hinter den Rahmenrichtlinien und Lehrplänen zurückblieben und teilweise Inhalte in gravierender Weise verkürzten. Die Autorin und der Autor des Gutachtens empfehlen daher Zulassungsverfahren für Schulbücher in allen Bundesländern, um die Qualität von Unterrichtsmaterialien zu garantieren.

  • Weitere Informationen

Das Gutachten zu Antisemitismus in Schulen ist online abrufbar unter:  
https://www.tu-berlin.de/fileadmin/i65/Dokumente/Antisemitismus-Schule.pdf

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Forschung