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Wie Sehen und Greifen zusammenhängen

Marie-Skłodowska-Curie-Fellowship für den Wahrnehmungsforscher Dr. Guido Maiello – Förderung über das EU-Programm „Horizont 2020“ – Anwendungen in Robotik und Medizin möglich

Nr. 32 • 7. März 2018

Dr. Guido Maiello. Foto: Lina K. Klein
Wie nutzen wir unseren Sehsinn dazu, Objekte zu erfassen? Mit dieser Frage beschäftigt sich die interdisziplinäre Arbeitsgruppe von Prof. Roland Fleming, Ph.D., in der Abteilung Allgemeine Psychologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), darunter der Nachwuchsforscher Dr. Guido Maiello. Er erhält für seine Arbeit in der Gruppe nun eines der renommierten Marie-Skłodowska-Curie-Fellowships. Ab April wird sein Projekt „Visuell geleitetes Greifen und dessen Effekte auf die visuelle Darstellung“ mit einem „Individual Fellowship“ der EU-finanzierten Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen (MSCA) gefördert: Für zwei Jahre erhält er aus dem EU-Programm „Horizont 2020“ rund 160.000 Euro.

„Es ist fantastisch für die JLU, dass es uns gelingt, begabte junge Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt nach Gießen zu holen, um zu erforschen, wie das menschliche Gehirn funktioniert“, so Prof. Roland Fleming. Erst im Januar hatte der renommierte französische Wahrnehmungspsychologe Dr. Pascal Mamassian den Anneliese-Maier-Forschungspreis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung erhalten und wird die Wahrnehmungspsychologie in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Karl Gegenfurtner (Abteilung Allgemeine Psychologie der JLU) phasenweise verstärken. „Die Bewilligung dieses Fellowships zeigt einmal mehr den hervorragenden internationalen Ruf der Gießener Wahrnehmungspsychologie“, so JLU-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee. „Dr. Maiello wird mit seiner Arbeit einen wichtigen Beitrag dazu leisten, komplexe Wahrnehmungsprozesse unter anderem für die Robotik nutzbar zu machen. Ich gratuliere ihm herzlich zu diesem Erfolg.“

Mühelos und ohne darüber nachzudenken erfassen und greifen wir im täglichen Leben Objekte. Die Leichtigkeit, mit der wir dies tun, spiegelt jedoch nicht die Komplexität der Berechnungen im Gehirn wider, die diesen Vorgängen zugrunde liegen. Um etwas hochzuheben, muss das Gehirn berechnen, welche Stellen des Objekts für ein stabiles, angenehmes Greifen geeignet sind, damit wir die gewünschte Aktion ausführen können – zum Beispiel aus einer Tasse zu trinken oder mit einem Stift zu schreiben. Die meisten potenziellen Griffe würden nicht zum Erfolg führen, beispielsweise solche, bei denen das Objekt nicht nahe genug am Schwerpunkt angefasst wird, so dass es beim Hochheben entgleitet oder kippt. Das Gehirn berechnet, welche der zahlreichen möglichen Griffe zum Erfolg führen. Nur vergleichsweise selten lassen wir Dinge fallen oder sind nicht in der Lage, eine Handlung auszuführen, weil wir das Objekt nicht richtig halten. „Dies ist eine bemerkenswerte Fähigkeit des Gehirns“, sagt Dr. Guido Maiello. „Ein beliebiges Objekt zu greifen ist auch heute noch eine große Herausforderung für Robotersysteme.“

Maiello setzt „Motion-tracking“-Technologien ein, um zu untersuchen, wie Menschen Objekte anfassen, greifen und manipulieren. Kleine Marker an den Händen von Probandinnen und Probanden liefern ihm Daten darüber, wie die Hände bewegt werden, während sie mit Objekten interagieren. Anschließend will er mit Computersimulationen und maschinellem Lernen Systeme künstlicher Intelligenz entwickeln, die wie Menschen handeln. Diese Algorithmen lernen, wie sie ein Objekt erfolgreich hochheben können, ohne vorher die Information zu bekommen, wo sie es am besten greifen. „Dieses Projekt hat nicht nur direkte Bezüge zur Robotik, sondern auch zu potenziellen klinischen Anwendungen“, so Maiello. „Wenn wir wissen, wie Sehen und motorische Kontrolle miteinander verknüpft sind, kann dies helfen, neue Strategien für die Behandlung neurologischer Störungen nach einem Schlaganfall zu entwickeln.“

Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen

Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen (MSCA), zu denen die „Individual Fellowships“ gehören, wurden von der Europäischen Kommission eingerichtet, um die länder- und sektorübergreifende Mobilität und die Karriereentwicklung von Forscherinnen und Forschern sowie von Personal aus Technik und Management zu fördern und die Attraktivität von wissenschaftlichen Laufbahnen zu steigern. Seit dem Jahr 2014 werden die MSCA-Maßnahmen über das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ finanziert.

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, Ph.D.,
Allgemeine Psychologie
Otto-Behaghel-Straße 10F, 35394 Gießen
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Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, Telefon: 0641 99-12041

Schlagwörter
Forschung