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Wertvolle Siegelsammlung restauriert

Siegel- und Wappensammlung Theodor Koch-Grünberg ist Teil der Sammlungen der Justus-Liebig-Universität Gießen und steht für Forschungszwecke zur Verfügung

    
Nr. 41 • 3. April 2025

Zu sehen sind vier Reihen mit roten Siegeln, neu restauriert.
Die Siegel- und Wappensammlung Theodor Koch-Grünberg ist Teil der JLU-Sammlungen und steht nach der Restaurierung wieder für Forschung und Lehre zur Verfügung. Foto: Katrina Friese


Wer ein Siegel besaß, war dereinst eine Autorität, genoss Ansehen und hatte Macht. Einige Jahrhunderte später ist die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) im Besitz einer Kollektion von rund 2.900 aus Siegellack hergestellten Abdrücken mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Siegel unterschiedlichster Herkunft. Längst geht es nicht mehr um Repräsentation und Identitätsstiftung, sondern um wertvolle Exponate für die kultur- und geschichtswissen-schaftliche Forschung. Die Siegel- und Wappensammlung des weit über die Region hinaus bekannten Ethnologen und Alumnus der Universität Gießen Theodor Koch-Grünberg (1872–1924) ist in den vergangenen acht Monaten in der renommierten Restaurierungswerkstatt Paperminz Bestandserhaltung, Leipzig, restauriert worden. Am 3. April 2025 sind die Exponate nach Gießen zurückgekehrt; der Historiker Prof. Dr. Stefan Tebruck, die JLU-Sammlungskoordinatorin Dr. Alissa Theiß und der Leiter des Universitätsarchivs, Dr. Joachim Hendel, konnten die runderneuerte Sammlung entgegennehmen. 

Der umfangreiche Bestand mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Siegel sowie zahlreicher Wappenzeichnungen auf Papier war erst Ende 2023 durch eine Schenkung von Sabine Röder, einer Enkelin Theodor Koch-Grünbergs, an die Professur für Mittelalterliche Geschichte gelangt. Inzwischen ist die Siegelkollektion ein weiterer Teil der mehr als 70 Sammlungen der JLU. 

Freiherr von Hornstein, Baron Humbracht, Ritter von Jhering … Die Namen unter den Siegeln lesen sich wie eine Zeitreise zu Angehörigen bedeutender Adelsgeschlechter. Das Spektrum reicht von mittelalterlichen Kaiser- und Königssiegeln über Bischofs- und Fürstensiegel bis hin zu Wappensiegeln zahlreicher Adelsfamilien. „Die Siegelabdrücke und die Papiere mussten dringend restauriert werden, um ihren Wert zu erhalten“, berichtet Prof. Tebruck. Licht und Luft, Staub und Schimmel hätten dem Material im Laufe der Zeit stark zugesetzt. Die umfangreiche Restaurierung, die rund 22.000 Euro gekostet hat, sei nur dank eingeworbener Drittmittel möglich geworden: An der Finanzierung sind die Koordinierungsstelle Bestandserhaltung Hessen im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur (HMWK), der Freundeskreis Museum Grünberg, die E. & E. Rittmannsperger Stiftung Grünberg, die Gießener Hochschulgesellschaft (GHG) und die JLU mit eigenen Mitteln beteiligt. 

„Damit ist nur wenige Monate nach dem 100. Todestag Theodor Koch-Grünbergs – am 8. Oktober 2024 – ein wichtiger Schritt getan, um die Siegel- und Wappensammlung für die Forschung und die Lehre zu erschließen“, sagt Prof. Tebruck. „Die Kollektion ist für die kulturgeschichtliche Forschung ebenso bedeutend wie für die historische Medienkunde, die Siegel- und die Wappenkunde.“ „Die Sammlungen der JLU sind ein wichtiger Teil des institutionellen Gedächtnisses der Universität, aber auch für die Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen – umso schöner, dass unsere vielfältigen Sammlungen nun eine so wertvolle Bereicherung erfahren“, freut sich auch die Sammlungskoordinatorin Dr. Theiß. Es ist ihr Anliegen, die wertvollen Exponate für Forschung, Lehre und Transfer zur Verfügung zu stellen.

Der Amazonas-Forscher Koch-Grünberg, der von 1898 bis 1924 vier Forschungsreisen nach Brasilien unternahm, hat mit seinen Publikationen, Fotografien und Briefen die Anfänge der Ethnologie mitgeprägt. Seinen Schriften- und Fotonachlass bewahrt seit 1999 die Philipps-Universität Marburg. Ein weiterer bedeutender Teil seiner Sammlungen befindet sich in Berlin. 

Die Existenz der Siegel- und Wappensammlung von Theodor Koch-Grünberg war lange gar nicht bekannt. Im Zuge der Schenkung durch Enkelin Sabine Röder war man an der JLU zunächst davon ausgegangen, dass es sich um eine wesentlich kleinere Sammlung mit rund 600 Stücken handeln würde. Erst nach und nach kamen aus den Verpackungen weitere Siegel und Wappen zum Vorschein. Die Kollektion zeigt ein breites Spektrum an Abdrücken unterschiedlichster Siegel des 9. bis 18. Jahrhunderts, Siegelmarken aus Papier, farbige und schwarz-weiße Wappenzeichnungen sowie umfangreiche handschriftliche Aufzeichnungen. Sie ist somit zugleich ein bedeutendes Zeugnis der kulturhistorisch interessierten Sammlertätigkeit im bildungsbürgerlichen Milieu des späten 19. Jahrhunderts. 

2 Personen sehen sich eine Lage Siegel an.
Freuen sich über die sich über die Rückkehr der Siegelsammlung ins Universitätsarchiv: der Historiker Prof. Stefan Tebruck (l.) und der Leiter des Universitätsarchivs, Dr. Joachim Hendel. - Fotos: Katrina Friese

 
2 Personen sehen sich einen Teil der Siegelsammlung an.
JLU-Sammlungskoordinatorin Dr. Alissa Theiß (r.) wirft mit Prof. Stefan Tebruck einen Blick auf die restaurierten Siegel. Die Siegelkollektion ist nun ein weiterer wertvoller Teil der mehr als 70 Sammlungen der JLU.

 
  • Weitere Informationen

www.uni-giessen.de/de/fbz/fb04  

www.uni-giessen.de/sammlungen

  • Kontakt

Prof. Dr. Stefan Tebruck
Professur für Mittelalterliche Geschichte
Historisches Institut der JLU Gießen
Otto-Behaghel-Straße 10 C, 35394 Gießen
Telefon: 0641 99-28130

Dr. Alissa Theiß
Referentin für Sammlungskoordination der JLU Gießen
Ludwigstraße 23, 35390 Gießen
Telefon: 0641 99-12076

 

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