Expertenteam will Beatmung revolutionieren
OptiVentAI soll Lebensqualität von Hunderttausenden verbessern
Gießen und Marburg, 17. März 2025
Etwa 3,4 Millionen Patientinnen und Patienten leiden deutschlandweit an der chronisch obstruktiven Lungener-krankung (COPD; Stand: 2021). 20 bis 30 Prozent von ihnen, zwischen 680.000 und einer Million Betroffene, sind vor allem in der Nacht auf eine nicht-invasive Beatmung mit einer Atemmaske angewiesen. Das Problem: In vielen Fällen funktioniert die Beatmung nicht optimal und wird als unangenehm empfunden. Ein Team aus Expertinnen und Experten der Technischen Hochschule Mittelhessen, der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Thora Tech GmbH will nun mit OptiVentAI die nicht-invasive Beatmung grundlegend optimieren.
Hinter der Idee steht ein Gerät, das die Effizienz der Beatmung analysiert und unter Einsatz von Künstlicher Intelligenz Vorgaben für eine optimale Einstellung berechnet. Das Ziel: die Lebensqualität von Hunderttausen-den verbessern und die Sterblichkeitsrate senken. Das Verbundprojekt, das über die Hessen Agentur mit rund 393.000 Euro gefördert wird, ist auf zwei Jahre angelegt.
Die nicht-invasive Atemunterstützung, also eine Beatmung ohne Intubation, sei als wesentlicher Bestandteil der Behandlung verschiedener Erkrankungen von Lunge oder Atemmuskulatur sowohl in Kliniken als auch im häuslichen Umfeld der Betroffenen etabliert, erläutert Prof. Dr. Dr. István Vadász (Professur für Lungenversa-gen, JLU). Dazu zählen neben COPD, Lungenfibrose und pulmonaler Hypertonie Erkrankungen wie ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) oder Muskeldystrophie. Bei den Erkrankten nimmt während des Schlafens die Aktivität der Atemhilfsmuskulatur ab und die Hauptatemmuskulatur, insbesondere das Zwerchfell, kann häufig keine adäquate Atmung aufrechterhalten. Ein eingeschränkter Gasaustausch kann unter anderem Hirn und Herz belasten, den Schlaf stören und zu psychischen Problemen führen – „die Lebensqualität nimmt drastisch ab“, berichtet Dr. Michael Scholtes, Professor für Digitale Medizin an der THM.
Die BIPAP-Therapie (biphasischer positiver Atemwegsdruck) zielt darauf ab, die Atmung zu unterstützen und die Sauerstoffversorgung bzw. die Abatmung von CO2 zu verbessern. Das Problem: „Unsere Patienten profitie-ren von nicht-invasiven Beatmungen, aber nur wenige tolerieren sie wirklich gut“, erläutert Vadász. Eine schlechte Synchronität zwischen Patient und Beatmungsgerät kann zu Unbehagen führen und die Effektivität der Beatmung beeinträchtigen. Eine Studie mit einer halben Million Patienten zeigt, dass bis zu 50 Prozent der Patientinnen und Patienten die BIPAP-Therapie in den ersten drei Jahren abbrechen. Eine exakte Anpassung des Geräts auf die Betroffenen erfordere sehr gute Fachkenntnisse, binde viele Ressourcen und benötige viel Zeit.
Das Ziel des gemeinsamen Projekts: „Durch eine effektive, optimal auf den Patienten angepasste nicht-invasive Beatmung können die Probleme minimiert und die Lebensqualität sowie das langfristige klinische Outcome des Patienten deutlich verbessert werden“, erläutert Scholtes. „Die Differenz zwischen Patient und Gerät soll minimiert werden, sodass der Patient kompatibler mit der Beatmung wird“, ergänzt Dipl-Ing. Fatih Yüksel, Geschäftsführer der Thora Tech GmbH.
Im Zentrum des Ansatzes steht eine geräteunabhängige Messung des Atemdrucks unter Verwendung einer präzisen Sensortechnologie. Die KI-basierte Analyseplattform generiert in Echtzeit Vorschläge zur Anpassung der Beatmung und erkennt Synchronisationsprobleme zwischen Patient und Gerät. Zudem werden Therapeu-tinnen und Therapeuten dadurch bei Therapieentscheidungen unterstützt.
Darüber hinaus soll das Gerät Atemmuster und Fehler beim Auslösen des Geräts erkennen. Die Innovation von OptiVent adressiere somit nicht nur die Effektivität der Beatmung, sondern auch die Anpassung der Therapie an die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen, berichtet Scholtes
Als nächstes steht an, die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen und die notwendigen Zertifizierungen zu erlangen, um das Produkt auf den Markt zu bringen. Zuerst soll das Produkt zu einem Prototyp entwickelt wer-den, der anschließend in einer klinischen Studie zum Einsatz kommen kann. „Schon seit Jahrzehnten gibt es die klinische Notwendigkeit dieses Produkts“, sagt Yüksel. Mit OptiVent soll Vorhandenes optimiert werden, um Innovation zu schaffen. Der Bedarf sei „riesengroß“.
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