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Trotz Navi mitdenken: Wie man Menschen zum räumlichen Lernen anregen kann

Veröffentlichung von Gießener Psychologenteam in der Fachzeitschrift „KI – Künstliche Intelligenz“

Nr. 26 • 23. Februar 2023

Vertrauen ist gut, Mitdenken ist besser. Das gilt auch für künstliche Intelligenzen wie Navigationssysteme, die schon so manchen in die Irre oder gar in ein Hafenbecken geführt haben. Wer bei der Navigation die Kontrolle komplett an ein Gerät abgibt, verliert zwar nicht immer den rechten Weg, möglicherweise aber mit der Zeit einen Teil seiner Denkfähigkeit. Dass es sehr einfach sein kann, Menschen aktiv in den Navigationsprozess einzubinden und somit deren Fähigkeiten zur räumlichen Orientierung zu fördern, zeigt ein Forscherteam der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) in einer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „KI – Künstliche Intelligenz“.

„Es besteht ein stark diskutierter, aber weithin akzeptierter Konsens darüber, dass die zunehmende Nutzung von Navigationshilfen mit einer Abnahme unserer kognitiven Fähigkeiten zur Navigation einhergeht“, sagt PD Dr. Kai Hamburger aus dem Arbeitsbereich Allgemeine Psychologie und Kognitionsforschung der JLU, ein Mitautor der Studie. Denn wer Navigationshilfen nutzt, muss sich nicht mehr an der Planung einer Route beteiligen, keine räumlichen Informationen mehr umsetzen. Aus der aktiven Navigation wird eine passive, was schlechtere Orientierungsleistungen zur Folge haben kann. Dies lässt sich der Studie zufolge verhindern, indem Menschen bei der Navigation in aktives räumliches Lernen eingebunden werden, beispielsweise über eine einfache Instruktion zum Auswendiglernen des Weges. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Personen dazu aufzufordern, den Weg genau zu beobachten, also aktiv wahrzunehmen, was sich entlang der Straße befindet.

Das Forscherteam stellte zudem fest, dass nicht nur die Anweisung zum Memorieren oder Beobachten des Weges eine wichtige Rolle spielt, sondern auch die Art und Weise, wie sie präsentiert wird – am besten in Form einer simulierten sozialen Interaktion, vermittelt über eine Stimme. Nicht zuletzt müssen sich die Nutzerinnen und Nutzer auf die jeweilige Anweisung einlassen, was möglicherweise besondere Anreize erfordert.

Die Ursache für die negativen Auswirkungen ist nicht die Übernahme kognitiver Aufgaben durch ein Navigationssystem. Das Forscherteam zeigt auf, dass die Art der Nutzung – das passive Verfolgen einer Route und die Nichtbeteiligung an der eigentlichen Navigationsaufgabe – der zugrundeliegende Prozess ist. „Dies ist alles andere als trivial, denn die Problematik geht weit über den Kontext der räumlichen Orientierung hinaus “, so PD Dr. Hamburger. „Im Alltag verlassen wir uns in vielen Bereichen auf unsere digitalen Helfer und delegieren Aufgaben an sie.“ So merkt sich heute kaum noch jemand eine Telefonnummer, sondern überlässt die Speicherung dem Smartphone. PD Dr. Hamburger plädiert auch aus Gründen der Gesundheitsvorsorge für einen bewussten und aktiven Umgang mit künstlichen Intelligenzen wie Navigationssystemen, ChatGPT und Co.: „Wer bei der Nutzung dieser Systeme mitdenkt, bleibt geistig fit und kann somit sein Demenzrisiko verringern.”

  • Publikation

Huston, V., & Hamburger, K. (2023). Navigation Aid use and Human Wayfinding: How to Engage People in Active Spatial Learning. KI – Künstliche Intelligenz.
DOI: 10.1007/s13218-023-00799-5

  • Kontakt

PD Dr. Kai Hamburger
Allgemeine Psychologie und Kognitionsforschung
Telefon: 0641 99-26186
E-Mail: kai.hamburger

Presse, Kommunikation und Marketing • Justus-Liebig-Universität Gießen • Telefon: 0641 99-12041

Schlagwörter
Forschung