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Eine neue Stellschraube für die molekulare Selbstorganisation

Gezielte Herstellung von Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften im Fokus

Nr. 168 • 6. November 2020

Einzelne Terphenyl-Moleküle auf einer Kupferoberfläche, welche an ihren beiden Enden mit den Halogenen Brom (gelb) und Iod (lila) versehen wurden. Hierdurch bilden sich intermolekulare Halogenbindungen zwischen den Molekülen, die die Anordnung der Moleküle steuern. Das Bild wurde mit einem Tieftemperatur-Rasterkraftmikroskop im Ultrahochvakuum bei einer Temperatur von -268 Grad Celsius aufgezeichnet. Abbildung: Tschakert / Ebeling
Die Selbstorganisation von molekularen Bausteinen spielt eine wichtige Rolle für viele Wachstumsprozesse in der Natur. Sie kann aber auch dazu dienen, neue Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften für Anwendungen in der Chemie oder der Medizin herzustellen. Forscherinnen und Forscher der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und der Universidad Autónoma de ‎Madrid (Spanien) haben nun herausgefunden, dass sich molekulare Anordnungen über die Steuerung von Halogenbindungen kontrollieren lassen. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Um Selbstorganisationsprozesse nachahmen zu können und diese gezielt einzusetzen, müssen diese Prozesse zunächst entschlüsselt und anschließend kontrollierbar gemacht werden. „Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang intermolekulare Halogenbindungen, da diese zum einen stark richtungsabhängig sind und zum anderen sogar deren Stärke variiert werden kann. Dies ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu anderen Bindungsarten wie der Wasserstoffbrückenbindung oder der Dispersionswechselwirkung“, erklärt Dr. Daniel Ebeling vom Institut für Angewandte Physik der JLU, einer der Autoren der Studie.

Im Rahmen einer internationalen Kollaboration der Institute für Angewandte Physik, Physikalische Chemie und Organische Chemie der JLU sowie des ‎Departamento de Física Teórica de la Materia Condensada der Universidad Autónoma de ‎Madrid ist es gelungen, die Bindungsselektivität von Halogenbindungen umzukehren und sie somit zu steuern. Mit Hilfe der Tieftemperatur-Rasterkraftmikroskopie (LT-AFM) und der Dichtefunktionaltheorie (DFT) konnten die Expertinnen und Experten aus den verschiedenen Disziplinen zeigen, dass sich die Bindungsselektivität von intermolekularen Halogenbindungen durch die Adsorption der Moleküle auf einer reaktiven Kupferoberfläche umkehren lässt. Auf einer relativ inerten Goldoberfläche hingegen bleibt die erwartete Bindungsselektivität erhalten.

Mit Hilfe dieser Erkenntnisse lassen sich in Zukunft selbstorganisierte molekulare Materialien noch zielgerichteter herstellen. „Dies ist besonders interessant für Anwendungen in der Supramolekularen Chemie, der Katalyse und der Entwicklung von Medikamenten“, so Dr. Ebeling. „Außerdem wird hierdurch der Weg für weiterführende Arbeiten geebnet, die die generelle Anwendbarkeit der Methode für unterschiedliche Systeme und Umgebungen adressieren.“

  • Publikation

Jalmar Tschakert, Qigang Zhong, Daniel Martin-Jimenez, Jaime Carracedo-Cosme, ‎Carlos Romero-Muñiz, Pascal Henkel, Tobias Schlöder, Sebastian Ahles, Doreen ‎Mollenhauer, Hermann A. Wegner, Pablo Pou, Rubén Pérez, André Schirmeisen ‎and Daniel Ebeling‎: Surface-Controlled Reversal of the Selectivity of Halogen Bonds. Nature Communications 11, Article number: 5630 (2020) (open access)‎

  • Weitere Informationen

https://www.nature.com/articles/s41467-020-19379-4
https://doi.org/10.1038/s41467-020-19379-4

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Forschung