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Seltene Lungenerkrankungen früh erkennen

Gießener Lungenforscher wirbt europäische Förderung in Höhe von 1,1 Millionen Euro für Verbundprojekt zur Erforschung Interstitieller Lungenkrankheiten ein

Nr. 84 • 26. Mai 2020

Patientinnen und Patienten, die an einer interstitiellen Lungenkrankheit (Interstitial Lung Disease – ILD) leiden, haben meist keine guten Heilungschancen. Denn für die rund 100 Formen dieser jeweils seltenen Erkrankung stehen nur wenige symptomatische Behandlungsansätze zur Verfügung, so dass die Patientinnen und Patienten häufig an den Folgen der Krankheit versterben. Von zentraler Bedeutung ist daher die frühzeitige Diagnose, um das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen zu können. Für ein Verbundforschungsprojekt zur Früherkennung von ILD hat Prof. Dr. Andreas Günther, Leiter des Zentrums für Interstitielle und Seltene Lungenerkrankungen am Universitätsklinikums Gießen und Marburg (Standort Gießen, Medizinische Klinik II), nun eine Förderung auf europäischer Ebene eingeworben: Das von Prof. Günther koordinierte Forschungsvorhaben „Raising Diagnostic Accuracy and Therapeutic Perspectives in Interstitial Lung Diseases (RARE-ILD)“ wird vom „European Joint Program on Rare Diseases“ (EJP-RD) mit insgesamt 1,1 Millionen Euro über drei Jahre gefördert. Das EJP-RD ist ein Zusammenschluss fast aller europäischen Förderagenturen mit dem Ziel, seltene Erkrankungen zu erforschen. Es wird von der Europäischen Union kofinanziert.

JLU-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee gratulierte Prof. Günther herzlich zur Einwerbung dieser hochkompetitiven Förderung: „Gerade in Zeiten der aktuellen Corona-Pandemie zeigt sich die Bedeutung der Gießener Lungenforschung einmal mehr sehr deutlich. Ich freue mich sehr, dass die dringend notwendige Erforschung von seltenen Lungenerkrankungen durch Gießener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch das Verbundprojekt RARE-ILD auch auf europäischer Ebene weiter gestärkt wird.“

Ziel des Projekts RARE-ILD ist es zum einen, neue Biomarker für die frühere und sichere Diagnose der jeweiligen Form einer ILD zu entdecken. Zum anderen möchten die Forscherinnen und Forscher die zugrundeliegenden Pathomechanismen aufklären, um neue Therapieprinzipien entwickeln zu können. Beteiligt sind führende Arbeitsgruppen aus den Bereichen Gensequenzierung, Analyse von Atemwegskondensaten, „Big Data“ sowie Künstlicher Intelligenz aus Deutschland, Spanien, Frankreich, Großbritannien und Israel. Neben der Leitung dieses Konsortiums und eines mit diesem Konsortium verzahnten Europäischen ILD Register/Biobank wird sich Prof. Günther mit der diagnostischen Nutzbarkeit von Atemwegskondensaten und der sogenannten „elektronischen Nase“ beschäftigen.

Bei dieser Methode werden Muster der von Patientinnen und Patienten ausgeatmeten Moleküle mithilfe mobiler Geräte erfasst und mittels datenverarbeitender Software verglichen. Dies soll eine möglichst frühzeitige, wenig invasive und spezifische Diagnostik ermöglichen. Bisherige Studien der Arbeitsgruppe zeigten bereits vielversprechende Ansätze in der Unterscheidung von gesunden und lungenkranken Patientinnen und Patienten. Nun soll in einer großen europaweiten Patientenkohorte und einem neuartigen, durch die European Respiratory Society prämierten Gerät – dem sogenannten „Sniffphone“ – die Nutzbarkeit dieses Ansatzes überprüft werden.

Die für die Analysen benötigten Proben und Daten sollen über das Europäische ILD Register/Biobank gewonnen werden, in dem führende klinische ILD-Zentren in Europa vereinigt sind. Dieses ILD-Register wird durch das „European IPF Network“ koordiniert – ein Netzwerk, das Prof. Günther bereits in der Vergangenheit bei der Europäischen Kommission eingeworben hatte. „In Verbindung mit der ebenfalls im Aufbau befindlichen, automatisierten UGMLC Giessen Biobank im ‚Center for Infectious Genomics of the Lung‘ wird hier eine zukunftsweisende Verbindung von detaillierten klinischen Informationen, systematischer Akquise verschiedenster Biomaterialien mit translationalen Forschungsaktivitäten und Künstlicher Intelligenz hergestellt“, so Prof. Günter, der auch die UGMCL Giessen Biobank leitet.

Interstitielle Lungenkrankheiten

Interstitielle Lungenkrankheiten (Interstitial Lung Diseases – ILDs) sind eine sehr heterogene Krankheitsgruppe, die vor allem durch eine Vernarbung der zarten Wandung der Lungenbläschen gekennzeichnet ist. Dieser Umbau des Lungengerüstes führt im Verlauf zu einer verminderten Dehnbarkeit der Lunge und zu einer Störung des Gasaustausches. Daher ist das Hauptsymptom eine zunehmende Atemnot, die im frühen Krankheitsstadium bei körperlicher Belastung und bei fortgeschrittener Krankheit auch in Ruhe auftritt und später eine Sauerstofftherapie notwendig macht.

Die Behandlung stellt eine besondere Herausforderung dar, da die Ursachen bei etwa zwei Drittel aller Fälle noch unbekannt sind. Bei einem Drittel der Erkrankungen sind äußere Faktoren als Krankheitsauslöser bekannt. Vorrangig sind es die Inhalationen organischer oder anorganischer Stoffe, Reaktionen auf Arzneimittel und Infektionen.

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Forschung