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Neue Hepatitis-B-Spezies in Kapuzineraffen entdeckt

Evolution des Hepatitis-B-Virus: Studie eines internationalen Forscherteams um deutsche und brasilianische Wissenschaftler legt nahe, dass das Virus vor Millionen von Jahren mit Affen aus Afrika nach Südamerika gelangte

Nr. 120 • 20. Juni 2018


Die Hepatitis-B ist eine der wichtigsten menschlichen Infektionskrankheiten. Eine neue Hepatitis-B-Virus-Spezies, die ein internationales Forscherteam in brasilianischen Kapuzineraffen entdeckt hat, wirft ein neues Licht auf die Evolution der Hepatitis-B-Viren (HBV) in Primaten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass auch die Hepatitis-B-Viren ihren evolutionären Ursprung in nicht menschlichen Primaten haben – und zwar in den afrikanischen Vorfahren der südamerikanischen Affen, in denen sie vor Millionen von Jahren entstanden. Bislang gab es darauf keinen Hinweis. Die Studie wurde von den Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Jan Felix Drexler an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Prof. Dr. Dieter Glebe, Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Hepatitis-B-und D-Viren am Institut für Medizinische Virologie am Fachbereich Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), gemeinsam mit Brasilianischen Wissenschaftlern konzipiert und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des virologischen Schwerpunktprogramms SPP 1596 und des Sonderforschungsbereichs SFB 1021 gefördert. Von der JLU ist zudem die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Joachim Geyer, Institut für Pharmakologie und Toxikologie am Fachbereich Veterinärmedizin, an der Studie beteiligt.

Hepatitis B ist eine Virusinfektion der Leber, die sowohl akute als auch chronische Erkrankungen verursachen kann. Rund 257 Millionen Menschen leben weltweit mit einer Hepatitis-B-Virusinfektion. Auslöser der Erkrankung ist das Hepatitis-B-Virus (HBV), das durch Kontakt mit dem Blut oder anderen Körperflüssigkeiten einer infizierten Person übertragen wird. Da sich das Virus nicht über die Luft verbreitet, muss es mit den Affen über Inseln im Atlantik von den damals noch näher zusammenliegenden Küsten von Westafrika nach Südamerika gelangt sein. Denn jüngste Forschungsergebnisse legen nahe, dass sich die heute in Südamerika verbreiteten Affenarten aus afrikanischen Vorfahren entwickelt haben. Das jetzt entdeckte Virus CMHBV in Kapuzineraffen (Capuchin Monkey) ist neben dem im Jahr 1998 beschriebenen WMHBV des Wollaffen (Woolly Monkey) erst die zweite in lateinamerikanischen Primaten isolierte HBV Spezies.

Parallel zu den Affen, aber zeitlich deutlich später, schleppten die Menschen vermutlich ihr eigenes Hepatitis-B-Virus nach (Süd-)Amerika ein. Sie gelangten über Sibirien, die jetzige Behringsee – vor der letzten Eiszeit noch ein Landweg – nach Nordamerika und später auch nach Südamerika.

Zu welcher Zeit, wo, und von wem HBV auf den anatomisch modernen Menschen übergesprungen ist, ist unklar. Es könnte von einer Fledermaus stammen, ein solches Virus mit zoonotischem Potenzial hatten die beteiligten Gruppen im Jahr 2013 isoliert. Wahrscheinlicher ist aber die Übertragung über einen infizierten Affen. „Unsere Studie deutet darauf hin, dass die Frühmenschen während der Besiedlung Amerikas vor 10.000 bis 20.000 Jahren das menschliche HBV aus Sibirien bereits mitgebracht haben, welches sich dann – nach der Trennung Alaskas von Asien durch die Behringsee nach der letzten Eiszeit – zu den jetzigen Genotypen F und H entwickelte“, so Prof. Dr. Dieter Glebe. „Die HBV-Vorläufer der ersten Immigrationswellen nach Amerika sind wahrscheinlich ausgestorben, so wie einige HBV-Isolate aus dem Europa der Bronzezeit, die wir jüngst isoliert haben. Ob es eine Vermischung mit den zu der Zeit schon lange in Südamerika vorhandenen HBV-Viren der Primaten gibt, ist noch unklar.“

Die nun isolierte Virus-Spezies CMHBV ähnelt dem menschlichen (HBV) und bindet an den gleichen Rezeptor wie das menschliche HBV, kann also prinzipiell auf den Menschen übertragen werden. „Ob sich eine solche Infektion mit CMHBV auch im menschlichen Körper verbreiten und zu einer akuten oder chronischen Hepatitis B führen könnte, ist noch ungeklärt“, so Prof. Glebe. „Eines ist aber sicher: Eine erfolgreiche HBV-Impfung mit den momentan verfügbaren Impfstoffen wird uns nur mangelhaft gegen eine mögliche Infektion mit CMHBV schützen. Dies konnten wir in der Zellkultur eindeutig zeigen.“

Beteiligt an der Studie sind die JLU, die Charité in Berlin, das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), bei dem die JLU ein Partnerstandort und die Charité ein assoziierter Partner ist, die Universität Bonn, das Universitätsklinikum Freiburg, die Katholische Universität Leuwen (Belgien) sowie in Brasilien die Universität Bahia in Salvador, die Universität São Paulo und das Evandro Chagas Institute in Belém.

  • Publikation

Breno Frederico de Carvalho Dominguez Souza, Alexander König, Andrea Rasche et al.: A novel hepatitis B virus species discovered in capuchin monkeys sheds new light on the evolution of primate hepadnaviruses. Journal of Hepatology, June 2018
https://www.journal-of-hepatology.eu/article/S0168-8278(18)30079-5/fulltext
DOI: 10.1016/j.jhep.2018.01.029

  • Weitere Informationen

https://www.sfb1021.de/projects/project-area-b.html

  • Kontakt



Nationales Referenzzentrum für Hepatitis-B-und D-Viren
Institut für Medizinische Virologie
Schubertstraße 81, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-41246


Charité – Universitätsmedizin Berlin
Institut für Virologie, Helmut-Ruska-Haus
Charitéplatz 1,10117 Berlin
Telefon: 030 450 625461

Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, Telefon: 0641 99-12041

Schlagwörter
Forschung