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Wie das Klima der Zukunft die Landwirtschaft beeinflusst

20 Jahre Klimafolgenforschung an der Universität Gießen – Jubiläumsfeier und Tag der offenen Tür

Nr. 144 • 7. August 2018

CO2-Anreicherungsringe in der Klimafolgenforschungsstation der JLU in Linden-Leihgestern. Foto: Eva Diehl
Weltweit einmalig: die Klimafolgenforschungsstation in Linden-Leihgestern. Foto: Wolfgang Obermaier
Wie wirkt sich die steigende atmosphärische Kohlendioxid-Konzentration auf Grünland aus?  Mit dieser Frage beschäftigen sich Pflanzenökologinnen und -ökologen der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) seit mehr als 20 Jahren. Das Besondere daran: Sie forschen nicht im Labor oder im Gewächshaus sondern im Freiland. Die Luft über den Versuchsflächen wird dabei so mit Kohlendioxid (CO2) angereichert, dass die Pflanzen einer Konzentration ausgesetzt sind wie wir sie etwa Mitte des Jahrhunderts erwarten. Verändern sich die auftretenden Arten und der Ernteertrag? Dies sind wichtige Fragen für die Landwirtschaft der Zukunft.

Einige Ergebnisse dieser weltweit einmaligen Klimafolgenforschung im Freiland werden am 23. August 2018 bei einer Jubiläumsfeier und am 26. August 2018 beim Tag der offenen Tür in der Umweltbeobachtungs- und Klimafolgenforschungsstation am Steinweg in Linden-Leihgestern von 11 bis 16 Uhr präsentiert. Das Team um Prof. Dr. Christoph Müller (JLU) zeigt unter anderem, wie man durch die Beobachtung von Obstbäumen Klimaveränderungen feststellen kann. Neben Führungen über die Versuchsfläche und der Vorführungen von Drohnenflügen stehen die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereit, um die verschiedenen wissenschaftlichen Methoden anschaulich zu erklären. Vertreterinnen und Vertreter der Medien sind zu beiden Terminen herzlich eingeladen.

Bereits Anfang der 1990er Jahre hat der damalige Leiter der Gießener Pflanzenökologie Prof. Dr. Hans-Jürgen Jäger in enger Zusammenarbeit mit dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) Freilandkonzepte entwickelt und getestet. Im Jahr 1998 ging dann die Kohlendioxid-Anreicherungsanlage in Linden bei Gießen in Betrieb. Sie ist zurzeit eine der weltweit am längsten laufenden Anlagen dieser Art. Auch nach der Emeritierung von Prof. Jäger, der bereits im Jahr 2013 verstarb, hat das HLNUG die einzigartigen Arbeiten in Linden unter der Leitung von Prof. Dr. Christoph Müller weiterhin unterstützt.

Auswirkungen erhöhter CO2 -Konzentrationen

Pflanzen benötigen CO2 zum Wachsen und bauen es in ihre Biomasse ein. Dabei wird ein Teil des Kohlenstoffs in den Boden verlagert, so dass sich langfristig fruchtbarer Humus bildet. Bei erhöhten CO2-Konzentrationen wäre zu erwarten, dass Pflanzen besser wachsen und sich der CO2-Transfer in den Boden verstärkt. Das passiert auch. Aber neben dem Kohlenstoff, den sich die Pflanzen aus der Luft holen, sind auch andere Nährstoffe wichtig. So wachsen die Pflanzen auf den Versuchsflächen zwar besser, aber ihre Qualität wird schlechter – sie enthalten zum Beispiel weniger Eiweiß. Kühe müssten also mehr Gras fressen, um die gleiche Menge Milch zu bilden.

Hinzu kommt, dass der Kohlenstoff zwar in den Boden transferiert wird, dort aber nicht dauerhaft bleibt. Denn Mikroorganismen im Boden, die die Kohlenstoffverbindungen als Nahrungsquelle nutzen, werden bei erhöhten CO2-Konzentrationen aktiver. Sie setzen die Kohlenstoffverbindungen in CO2 um, was wiederum in die Atmosphäre gelangt. Die im Boden lebenden Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze produzieren aber nicht nur CO2 sondern auch Methangas (CH4) und Lachgas (N2O) – beides Gase, die klimaschädlich sind und im Vergleich zu CO2 zu einer noch viel stärkeren Erwärmung führen. In ihren Freilandversuchen fanden die Gießener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus, dass bei erhöhten CO2-Konzentrationen aus dem Boden vermehrt Methan und Lachgas abgegeben wird. Diese Ergebnisse zeigen, dass das Grünland den Klimawandel sogar noch beschleunigen könnte, statt zu helfen, ihn zu bekämpfen.

Die Bedeutung der Lindener Klimafolgenforschung

Weltweit gibt es keinen anderen Datensatz, der die Auswirkungen von erhöhten CO2-Konzentrationen auf Treibhausgasflüsse und Biomassezusammensetzung im Grünland so lange und kontinuierlich gemessen hat wie das Team um Prof. Dr. Christoph Müller. Der Klimawandel, (mit-)verursacht durch den kontinuierlichen Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2, Methan und Lachgas ist ein langfristiges Problem, dass sich langsam aufbaut und gerade deshalb nicht sofort und eindeutig erkennbar ist.

Weil sich Ökosysteme mit der Zeit an veränderte Bedingungen anpassen können, sind Versuche über Wochen oder auch einige Jahre wenig aufschlussreich. So hat es mehr als acht Jahre gedauert, bis man die Veränderungen in der Menge und Zusammensetzung der Biomasse erkennen konnte. Extremereignisse wie der sehr heiße und trockene Sommer im Jahr 2003 können zu starken Schwankungen im Pflanzenwuchs und Treibhausgasemissionen führen, die nur in Langzeitversuchen sinnvoll interpretiert werden können.

„Klimafolgenforschung ist Langzeitforschung, für die man auch in der Forschungsförderung einen langen Atem braucht“, so Prof. Dr. Christoph Müller. „Wir sind daher dem Land Hessen für die Förderung im Rahmen des LOEWE-Schwerpunkts FACE2FACE und dem HLNUG für die kontinuierliche und enge Zusammenarbeit sehr dankbar. Ohne diese Unterstützung wären diese wichtigen Forschungsarbeiten nicht möglich gewesen.“

Die große Bedeutung der Arbeiten der Gießener Pflanzenökologie für die Wissenschaftswelt zeigt sich auch darin, dass „Global Change Biology“, eine der führenden internationalen Zeitschriften für Ökologie und Klimaforschung, im aktuellen Heft die Gießener Arbeiten mit einem Editorial würdigt. In diesem Heft werden auch zwei Fachartikel aus der Gießener Gruppe veröffentlicht.

  • Termine

Jubiläumsfeier: 23. August 2018, 11 Uhr
Tag der offenen Tür: 26. August 2018, 11 bis 16 Uhr

Ort: Umweltbeobachtungs- und Klimafolgenforschungsstation, Steinweg, Linden-Leihgestern

  •  Kontakt


, PhD.
Institut für Pflanzenökologie (iFZ)
Telefon: 0641 99-35301

Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, Telefon: 0641 99-12041



Schlagwörter
Forschung