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Wie Proteine Ribonukleinsäuren spezifisch erkennen

Neue Methode zur Untersuchung der RNA-Erkennung unter Federführung der Universität Gießen etabliert – Identifikation neuer Zielgene von tumorrelevanten Proteinen möglich

Nr. 116 • 5. Juni 2019

Vom Gen zum Protein ist es ein langer Weg: Um Erbinformationen in Proteine zu „übersetzen“, werden die auf dem Genom kodierten Informationen über sogenannte Boten-Ribonukleinsäuren (messenger oder mRNAs) vom Zellkern zu den Ribosomen transportiert. In den Ribosomen werden dann die Proteine hergestellt. Die Expression der Boten-RNAs wird zum großen Teil durch RNA-bindende Proteine gesteuert, von denen es beim Menschen mehr als 1.000 gibt. Wie diese Proteine die RNA spezifisch erkennen, ist noch weitgehend unbekannt. Unter Federführung der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Albrecht Bindereif, Institut für Biochemie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), wurde gemeinsam mit Teams des Helmholtz-Zentrum München und der Universität Halle nun ein systematischer Ansatz entwickelt, mit dem kombinatorische RNA-Erkennungsprozesse analysiert und molekular aufgeklärt werden können. Diese Methode wurde in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ publiziert.

Die Proteine, die an die RNA binden, besitzen RNA-Erkennungsdomänen. Dies sind besondere Bereiche, mit denen die Proteine wenige Nukleotidbausteine auf der RNA „erkennen“ und zum Beispiel die Stabilität oder die zelluläre Lokalisation der RNA bestimmen und regulieren. Zahlreiche RNA-Bindeproteine besitzen sogar mehrere Erkennungsbereiche innerhalb desselben Proteins, die jeweils an kurze benachbarte Sequenzelemente auf der RNA binden. So kann ein längerer RNA-Abschnitt mit hoher Spezifität erkannt werden. Wie diese kombinatorische RNA-Erkennung funktioniert und systematisch untersucht werden kann, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun erforscht.

Ihre allgemein anwendbare experimentelle Strategie etablierten sie an einem klassischen RNA-Bindeprotein: IMP3, ein bekanntes Tumor-Markerprotein, das über sechs Erkennungsbereiche seine RNA-Zielsequenzen mit hoher Genauigkeit findet. „Diese experimentelle Strategie wird auch erlauben, neue Zielgene dieses tumorrelevanten Proteins zu identifizieren und dadurch neue Krankheitsmechanismen aufzuklären“, so Prof. Bindereif.

Für die Entwicklung der Strategie war multidisziplinäre Zusammenarbeit essenziell: Das Team von Prof. Bindereif (JLU) arbeitete im Bereich Biochemie und Bioinformatik, drei weitere Gruppen führten strukturbiologische molekulare Analysen durch (Prof. Dr. Michael Sattler, Dr. Andreas Schlundt, Prof. Dr. Dierk Niessing, alle am Helmholtz-Zentrum München) und eine weitere brachte zellbiologische Expertise ein (Prof. Dr. Stefan Hüttelmaier, Universität Halle). Diese beteiligten Gruppen arbeiten in einem DFG-geförderten Schwerpunktprogramm (SPP 1935) zusammen, außerdem handelt es sich um eine Kooperation innerhalb des seit dem Juli 2018 laufenden DFG-Graduiertenkollegs zu regulatorischen Ribonukleinsäuren (GRK 2355).

  • Publikation

Tim Schneider, Lee-Hsueh Hung, Masood Aziz, Anna Wilmen, Stephanie Thaum, Jacqueline Wagner Robert Janowski, Simon Müller, Silke Schreiner, Peter Friedhoff, Stefan Hüttelmaier, Dierk Niessing, Michael Sattler, Andreas Schlundt, Albrecht Bindereif. Combinatorial recognition of clustered RNA elements by the multidomain RNA-binding protein IMP3. Nature Communications 2019 May 22;10(1):2266. DOI: 10.1038/s41467-019-09769-8
www.nature.com/articles/s41467-019-09769-8

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Forschung