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„Islam“ als Beruf?

Studie zum Berufseinstieg von Absolventinnen und Absolventen der islamischen Theologie und Religionspädagogik veröffentlicht

Nr. 168 • 1. Dezember 2022  

Bis zu 2.500 junge Menschen studieren an deutschen Universitäten islamische Theologie oder Religionspädagogik. Doch wo arbeiten die Absolventinnen und Absolventen im Anschluss an ihr Studium: In der Schule, als Imam, in der Sozialen Arbeit, oder in den Medien? Dieser Frage ist ein interdisziplinäres Team von Forscherinnen und Forschern der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Goethe-Universität Frankfurt nachgegangen. Die qualitativen und quantitativen Ergebnisse der Verbleibstudie „Berufsfeld Islam“ hat die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Universität Frankfurt nun veröffentlicht. 

Für die Studie wurden über 200 Absolventinnen und Absolventen der universitären islamisch-theologischen Standorte in verschiedenen Bundesländern befragt: Welche Berufe haben sie mit dem Islam-Studium ergriffen? Wie gut fühlen sie sich durch ihr Studium auf die Arbeitswelt vorbereitet? Und welche Faktoren begünstigen den Berufseinstieg?
Die Ergebnisse zeigen erstmals auf, für welche Berufsbilder die 2011 an deutschen Universitäten eingeführten islamisch-theologischen Studien qualifizieren.
Soziale Arbeit und Schuldienst sind wichtige Beschäftigungsfelder.

 

Zentrale Erkenntnisse der Studie „Berufsfeld Islam“ sind:
• Fast die Hälfte der Absolventinnen und Absolventen ist in der Sozialen Arbeit oder verwandten Berufsfeldern beschäftigt. Weitere 40 Prozent arbeiten in pädagogischen Handlungsfeldern. Kaum eine der befragten Personen ist hingegen hauptberuflicher Imam geworden.

• Auf das Studium der islamischen Theologie oder Religionspädagogik blicken weite Teile der Befragten als eine Phase der intellektuellen und persönlichen Entfaltung zurück. Gleichzeitig hätten sich viele Absolventinnen und Absolventen eine fachlich passendere Vorbereitung auf ihre späteren Tätigkeiten gewünscht.

• Lehramtsabsolventinnen und -absolventen würden ihren Studiengang zu zwei Dritteln wieder wählen. Ihnen bietet sich nach dem Studium ein relativ klares Berufsbild und ein geregelter Übergang in den Schuldienst. Sie berichten allerdings häufig von erhöhten strukturellen Hürden und Belastungen, da sich der islamische Religionsunterricht noch im Aufbau befinde.

• Von den Absolventinnen und Absolventen mit theologischem Schwerpunkt würde hingegen weniger als die Hälfte noch einmal dasselbe studieren. Sie müssen sich nach dem Studium Berufsbilder erschließen und sind in den ersten Jahren zumeist befristet beschäftigt. 

• Grundsätzlich bringen sich die Befragten überdurchschnittlich in die Gesellschaft ein. Mehr als die Hälfte von ihnen engagiert sich ehrenamtlich. Insbesondere Personen mit theologischem Schwerpunkt übernehmen häufig Verantwortung in religiösen und sozialen Einrichtungen.

„Mit der Verbleibstudie haben wir nun erstmalig wichtige, systematisch erhobene Informationen über den Berufseinstieg der Studierenden vorliegen. Dies kann dem Fach zur gezielten Weiterentwicklung der Studienangebote dienen. Zudem können die Ergebnisse der Studie dazu beitragen, dass Studierende und Studieninteressierte sich ein klareres Bild machen können, welche Möglichkeiten die Studiengänge bieten und welche zusätzlichen Schlüsselkompetenzen gerade in den Geisteswissenschaften wichtig sind für einen gelungenen Berufseinstieg“, kommentiert AIWG-Direktor Prof. Bekim Agai die Studienergebnisse. 

„Die Studie legt nahe, auch praxisorientierte Studienangebote, beispielsweise berufsbegleitend im Master, anzubieten. Für einen erfolgreichen Berufseinstieg sind zudem Praktika, ehrenamtliches Engagement oder Auslandssemester hilfreich“, sagt Prof. Naime Çakir-Mattner von der JLU, die das Forschungsprojekt gemeinsam mit Prof. Constantin Wagner von der Universität Mainz geleitet hat.

Für die Studie wurden Absolventinnen und Absolventen befragt, die zwischen 2016 und 2019 an den Universitäten Erlangen-Nürnberg, Frankfurt am Main, Gießen, Münster, Osnabrück und Tübingen einen B.A.-Abschluss oder ein Staatsexamen in Islamischer Theologie oder Religionspädagogik erworben hatten. Von den rund 570 Absolventinnen und Absolventen dieser Kohorten nahmen über 200 Personen an der Studie teil.

Die Projektleiterin Prof. Dr. Naime Çakir-Mattner ist Professorin für Islamische Theologie mit Schwerpunkt muslimische Lebensgestaltung an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem Migration, Gender und Religion, Islamfeindlichkeit und Rassismus, Islam und Muslime im europäischen Kontext.

 

 

 

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