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Planetare Materialien – Denkanstöße zu einem neuen Blick auf unseren Planeten Erde

Innovatives Stipendienprogramm Planetary Scholars and Artists in Residence gestartet – International renommierte Gäste arbeiten drei Monate lang an der JLU

Nr. 47 • 11. April 2022

Ein neues Verständnis scheinbarer Widersprüche zwischen Natur und Kultur, ein Blick auf das Waldsterben und Jahrring-Forschung, Studien zu Architektur, Vibration und die katastrophalen Auswirkungen von Erdbeben – so unterschiedlich diese Themen auf den ersten Blick auch sein mögen, sie verbindet ein gemeinsames Ziel: Es geht um Denkanstöße zu einem anderen Blick auf unseren Planeten und damit um neues Verständnis von Nachhaltigkeit. Drei international renommierte Gäste forschen und arbeiten von April bis Ende Juni 2022 im Rahmen unterschiedlicher Projekte an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU). Möglich wurde dies dank eines innovativen Stipendienprogramms, aufgelegt vom Panel on Planetary Thinking der JLU.

Das Stipendienprogramm Planetary Scholars and Artists in Residence soll neue Perspektiven auf die großen Fragen unserer Zeit entwickeln. Es ist zunächst bis 2025 angelegt. Zum Auftakt steht das Thema „Planetare Materialien“ („Planetary Materials“) im Fokus. „Die eingeladenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Künstlerinnen und Künstler werden an der JLU Workshops oder Masterclasses anbieten, die als potenzielle Keimzelle für Ideen zu künftiger Forschung, Lehre und zum Transfer dienen“, erklärt Dr. Frederic Hanusch, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Panel on Planetay Thinking. Die Gäste werden als Tandems zusammenarbeiten; die Stipendien bieten den Raum und die nötigen Rahmenbedingungen. Die Fellowships sind mit jeweils 5.000 Euro pro Monat (inklusive Reise- und Unterhaltskosten) dotiert und haben eine Laufzeit von drei Monaten.

Prof. Dr. Claus Leggewie, Inhaber der Ludwig Börne-Professur an der JLU und Initiator des Panel on Planetary Thinking, freut sich über die große Resonanz auf die erste Ausschreibungsrunde: 141 Bewerbungen aus aller Welt hatten die JLU erreicht. „Das zeigt uns, dass das wir mit dem noch recht jungen Panel on Planetary Thinking eine thematische Ausrichtung getroffen haben, die auch international großes Interesse hervorruft“, sieht sich Prof. Leggewie bestärkt. Der Politikwissenschaftler ist sich sicher: „Im Dialog mit unseren Gästen wollen wir ausloten, welche Impulse die unterschiedlichen Denkströmungen für die Nachhaltigkeitsforschung an der JLU geben können und welchen eigenständigen Beitrag die JLU zu den Debatten liefern kann.“

Das Profil der JLU im Bereich Nachhaltigkeit wird durch das Planetary Scholars & Artists in Residence Program zusätzlich gestärkt. Die Ausschreibung der Stipendien für 2023 zum Thema „Planetare Räume“ („Planetary Spaces“) erfolgt im Sommer dieses Jahres.



Projekt I: Rosbach vor der Höhe – ein zerstörtes Waldstück


Jede Zerstörung birgt eine Chance. Unweit von Frankfurt am Main, bei Rosenbach vor der Höhe, befindet sich ein Waldstück, sein Verfall kann als ein Symbol für den Klimawandel gelten. Derartige Zusammenbrüche der Natur stehen im Zentrum der Kunstwerke von Mathias Kessler. Er dokumentiert nicht nur die negativen Seiten der natürlichen Ruinen, sondern ist fasziniert von den Möglichkeiten ihrer Neuerfindung. Im Zuge seines Projekts im Planetary Scholars & Artists in Residence-Programm lädt er Menschen dazu ein, den Zerfallsprozess des Waldes zu erleben – und zum aktiven Handeln motivieren.


Mathias Kessler – Foto: Michael Kessler
Mathias Kessler (Jahrgang 1968) ist ein in New York lebender Künstler, der den Begriff der Natur kritisiert und neu interpretiert. Er erhielt 2013 seinen Abschluss als Master of Fine Arts (M.F.A.) in künstlerischer Praxis an der School of Visual Arts. Mit Zitaten aus Kunstgeschichte, Philosophie und umweltpolitischen Debatten inszeniert Kessler Darstellungen natürlicher Prozesse neu. Romantische Malerei, Land Art und digitale Darstellungen werden genutzt, um vertraute Gegensätze wie Natur und Kultur, Repräsentation und Erfahrung und im erweiterten Sinne Ideologie und Ästhetik zu überwinden.

 

 

 

Projekt II: Jahrring-Berichte zum Waldsterben


Eines der wohl beeindruckenden Materialen unseres Planeten ist Holz. Es ist weder die Zusammensetzung noch der Rohstoff, die Holz für Dr. Claudia Hartl so interessant machen, es sind vielmehr die Geschichten, die in den Jahrringen des Holzes archiviert sind. In ihrem Projekt führt die Wissenschaftlerin Untersuchungen zur Holzalterbestimmung mittels Bohrkernproben an Bäume durch. Anhand der Jahrringbreite können Rückschlüsse auf die Vitalität eines Baums, seine Reaktionen auf Trockenjahre oder Extremereignisse gezogen werden. Indem sie in ihrem Projekt das Waldsterben genauer beleuchtet, versucht sie zugleich, Wissen über eine Baumarteneignung für künftig stabilere Wälder zu generieren.


Dr. Claudia Hartl – Foto: Elisa Sholobnjuk
Dr. Claudia Hartl (37) ist Dendrochronologin, Geographin und Ökologin mit Fokus auf Klimatologie. Nach ihrem Geographie-Studium an der Universität Regensburg promovierte sie an der Technischen Universität München. Hier wurde ihr Weg in die Jahrringforschung angestoßen, indem sie in ihrer Doktorarbeit die Dendrochronologie nutzte, um die Reaktionen der wichtigsten Bergwaldbaumarten der Nördlichen Kalkalpen auf Klimaänderungen zu untersuchen. In ihrer Postdoc-Phase an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz lag der Forschungsfokus weiterhin auf den Jahrringen. Seit Juni 2021 ist Dr. Hartl unabhängige Wissenschaftlerin und Gründerin von „Nature Rings – Umweltforschung & -bildung“. Sie forscht aktuell zu den Auswirkungen der extremen Trockenheit seit 2018, die zum Absterben zahlreicher Bäume führte.

Projekt III: Urelement – Vibration als planetarisches Transmaterial


Die Vibration und ihre katastrophalen Auswirkungen (zum Beispiel bei Erdbeben) sind zu einem Indikator für Mensch-Planeten-Beziehungen geworden. Clemens Finkelsteins Projekt beschäftigt sich mit den planetarischen Verflechtungen des physikalischen Phänomens und nähert sich diesen über die Architektur als Medium zwischen gebauter und natürlicher Umwelt. Er analysiert die Vibration als planetarisches Transmaterial, an dem sich Materialität und Immaterialität überlagern. Finkelstein gewinnt dabei Erkenntnisse über Materialien und Raumkörper, die darauf abzielen, wesentliche Beziehungen der Menschheit zu ihrer Umwelt neu zu kalibrieren.


Clemens Finkelstein – Foto: Finkelstein-Moreno
Clemens Finkelstein (33) ist Ph.D. Kandidat an der Princeton University, wo seine Dissertation „Architectures of Vibration: Environmental Control, Seismic Technology, and the Frequency of Life“ die komplexe Beziehung der modernen Architektur zur Phänomeno¬technik der Vibration untersucht — vom destruktiven Umwelttoxin zum strukturellen epistemischen Werkzeug. Seine Forschung beschäftigt sich mit der gebauten Umwelt an der Schnittstelle von Kunst- und Architekturgeschichte sowie Technologie- und Wissenschaftsgeschichte. Seine Arbeiten wurden von der History of Science Society und der Princeton-Mellon Initiative in Architecture, Urbanism & the Humanities gefördert. Er war als Dozent, Redakteur und Kurator tätig – zuletzt am A+D Architecture and Design Museum in Los Angeles. Seine Beiträge sind in diversen Zeitschriften und Sammelbänden erschienen. Er ist Fulbright-Stipendiat, erhielt Stipendien der Harvard University (2015 – 2017) und das Lowell M. Palmer Fellowship der Princeton University (2018 – 2019).

 

 

  • Weitere Informationen

https://www.uni-giessen.de/fbz/planetarythinking


  • Kontakt

Dr. Frederic Hanusch
Liebigstraße 35, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-16192



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