Der Verstand der Welt

Maxim Gorkij hat einmal gesagt: "Die Wissenschaft

ist der Verstand der Welt." Wenn Wissenschaft jedoch fehlt, dann scheint "die Welt" den Verstand vermissen zu müssen. Es ist ist Aufgabe der Wissenschaft, neue Thesen aufzubringen, Diskussionen anzuregen, die grenzüberschreitend, zum einen national, zum anderen ihren Diskurs verlassend, Themen für die "Welt" öffnen. Nach einer wissenschaftlichen historischen Tagung in Göttingen erlangten jedoch Thesen eines Sporthistorikers einen Skandalisierungsgrad, der sowohl "Wissenschaft", als auch "Welt" den "Verstand" vermissen ließen. Der Direktor des Sportwissenschaftlichen Instituts der Universität hatte die These aufgestellt, dass die israelischen Sportler, die bei den Olympischen Spielen 1972 von Palästinensern ermordet wurden, von dem Anschlag gewusst hätten und freiwillig in den Tod gegangen wären, um die Schuld Deutschlands gegenüber dem Staat Israel zu verlängern.

1972 wurde schon einmal der Vorwurf formuliert, dass der Anschlag bekannt gewesen wäre. Jedoch hier galt der Vorwurf nicht den Israelis, sondern der bundesdeutschen Politik. Das CIA soll damals den Bundesnachrichtendienst vor solch einem Anschlag gewarnt haben. Der tragische Terrorakt rief im Herbst 1972 eine breite Diskussion über bundesdeutsche Kompetenzen hervor. Opfer waren ganz deutlich die israelischen Sportler und die trauernde Nation. Über die Verantwortlichkeiten wurde zwar gestritten, aber ausgeschlossen wurden- anders als im Fall der "Göttinger These"- die Opfer.
Vielleicht sollte die "Welt", dessen Verstand nach Gorkij die "Wissenschaft" ist, diesen "Verstand" nun einfordern. Erste Schritte sind nun getan, um gegen die nicht quellenfundierte Verschwörungsthese des Sporthistorikers zu protestieren: Neben dem medialen Aufschrei, verlangt auch der stellvertretende Botschafter Israels Ilan Mor, so der Spiegel, ein angemessenes Vorgehen von Universität und Politik. Und auch die Zunft distanziert sich von so viel "dummen Zeug".