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Gießener Anzeiger vom 1. Juni 2005

Text: Franz Maywald

"Am besten fand ich das Fingerrechnen"

Furioser Start der Kinderuniversität ins Sommersemester ­ Beutelspacher zieht junge Rechenkünstler in seinen Bann

GIESSEN (fm). "Das ist überwältigend", rief Universitätspräsident Prof. Stefan Hormuth gestern gegen 16.30 Uhr in die randvoll besetzte Uni-Aula. Rund 500 Kinder, die meisten zwischen sieben und zwölf Jahren, hatten kurz zuvor Saal und Empore bis auf den letzten Platz besetzt. Aus Mangel an Sitzplätzen machten es sich viele jugendliche "Studienanfänger" auch auf dem Podium bequem. Der Rest verteilte sich entlang der Wände. Eifrige Nachwuchs-Mathematiker beim Studieren.Unermüdlich forderte der Hauptorganisator von "Justus' Kinderuni SS 2005", Günter Sikorski, die mitgekommenen Eltern wegen drohender Überfüllung zum Draußenbleiben auf. Mit der Folge, dass viele enttäuschte Erwachsene eine Stunde lang auf den Fluren vor der Aula und draußen auf dem Uni-Vorplatz auf ihre Sprösslinge warten mussten. "Mathe ist mein Lieblingsfach", sagt der neunjährige Nils Johannes aus Heuchelheim schon vor Beginn der ersten "Vorlesung". Der neunjährigen Hannah und ihrer gleichaltrigen Freundin Elena aus Butzbach macht Mathematik "super viel Spass". Von einer Freundin werde sie "ein kleines Mathe-Genie" genannt. Und der siebenjährige Sven aus Leihgestern stellt seine Rechenkunst sofort unter Beweis. In wenigen Sekunden hat der Erstklässler (!) auf einem Blatt Papier die Summe aus 149 + 72 korrekt berechnet. "Auf dem 'Little Professor' bin ich schon bei der Stufe 5 angelangt." Kein Zweifel: Prof. Albrecht Beutelspachers Einstiegsvorlesung mit dem Titel "Wozu braucht man Zahlen?" erwies sich als ein echter Magnet. Selbst dem achtjährigen Tobias aus Linden, der am Anfang noch von "Mathe als Pipifax" gesprochen hatte, verschlug es rasch die Sprache. Zum einen weil er wie mehrere hundert Altersgenossen von Prof. Hormuth als "Liebe Studierende, liebe Studentinnen und Studenten" begrüßt wurde. Zum anderen, weil ihn kurz darauf der mittlerweile als "Mr. Mathematikum" bekannte Beutelspacher mit einfachen Worten und verblüffenden Zahlenspielchen total in seinen Bann zog. "Wir haben die Immatrikulation heute etwas verkürzt", scherzte Hormuth unter Anspielung auf die von allen jugendlichen Hörerinnen und Hörern hochgehobenen Studienausweise. Ziel jedes Studiums, so der JLU-Präsident, sei es stets auch "neugierig zu werden und Fragen zu stellen". Dass es den gestrigen Studienanfängern daran nicht mangelt, bewies eine bloße Handvoll Meldungen auf die Frage, wer noch nie im Mathematikum gewesen sei. Auch für die nächsten drei Veranstaltungen in Justus' Kinderuni wünschte Hormuth allen Anfängern "viel Erfolg beim Studium in den nächsten Wochen". Zeitweise sah es so aus, als ob die ehrwürdigen Herren Rektoren von der "Ahnengalerie" an den Aula-Wänden aus die begeistert klatschenden Kinder, ihre unermüdlichen Meldungen per Fingerzeichen und das von Beutelspacher gezündete Zahlenfeuerwerk mit leicht skeptischen Blicken musterten. So viel Schwung auf einmal hat der ehrwürdige Festsaal wohl selten erlebt. Und manche der jugendlichen Mathe-Künstler hielt es gegen Ende der ersten Vorlesung kaum noch auf den Klapppult-Stühlen. In mehr als einem Dutzend Sprachen zählten einige Jung-Studierende von eins bis zehn. Danach verstand es der Schöpfer des Mathematikums, die Geschichte und Funktion der Zahlen höchst anschaulich und mit Beispielen aus dem Alltag zu erläutern. Als er mit schier endlos langen Papierstreifen in der Hand auf der Bühne einen Tisch erklomm und zur Fortsetzung von Endlos-Zahlreihen aufforderte, erreichte die Begeisterung der Kinder fast schon den Höhepunkt. Doch Beutelspacher hatte noch weitere Zaubertricks, mehrfarbige Rhythmustafeln und eine Zahlen-Wundertüte auf Lager. "Am besten fand ich das Fingerrechnen", freute sich Sebastian (9) am Ende, während sein Freund Nils sich gar nicht satt sehen konnte an den "bunten Zahlentafeln". Übrigens: Der gestrige Startschuss von "Justus' Kinderuni SS 2005" wurde komplett aufgezeichnet von einem Offenen-Kanal-Team.