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Gießener Anzeiger vom 14.7.2005

Alles, "was sticht, zwickt und zwackt"

Prof. Martina Trenczek sprach bei Kinderuni über die Angst vor Krabbeltieren -- Zertifikate bei jungen Hörern begehrt

GIESSEN (fm). Nach dem furiosen Auftakt vor acht Wochen ging Justus' Kinderuni ebenso spektakulär zu Ende. Im Foyer des Unihauptgebäudes hatten die Auszubildende an der Justus-Liebig-Universität (JLU), Nicole Küster, und eine Kollegin alle Hände voll zu tun, um den Ansturm der jugendlichen Hörerinnen und Hörer einmal mehr zu bewältigen. Vor Beginn der Vorlesung von Prof. Martina Trenczek zum Thema "Warum Angst vor Krabbeltieren?" war der vierte Stempel für den Studienausweis heiß begehrt. Unmittelbar danach wollten die Jungs und Mädchen so schnell wie möglich ein von Unipräsident Stefan Hormuth höchstpersönlich unterzeichnetes Zertifikat über die Teilnahme an allen vier Veranstaltungen ergattern.

Dazwischen lag ein einstündiger Ausflug in die Welt der Krabbeltiere, den die Studiendekanin und Zoologieprofessorin Martina Trenczek zu einem faszinierenden Erlebnis werden ließ. Schon vor dem eigentlichen Beginn der Vorlesung waren auf dem Podium die Tische mit Insekten- und Schmetterlingsmodellen sowie viele lebende Tierchen in durchsichtigen Boxen dicht umlagert. Eine riesige Raupe auf dem Handteller beim Kriechen zu beobachten und dabei ein seltsames Kribbeln zu spüren: Für manche der wissbegierigen Nachwuchs-Studierenden war das ein ganz neues Erlebnis.

Trotz mehr als 30 Grad Außentemperatur und der für die Kinderuni längst "normalen" Zahl von rund 500 Anwesenden -- Eltern, die sich Zutritt verschafft hatten, mussten wieder an den Wänden stehen -- zeigten die von nah und fern angereisten Acht- bis Zwölfjährigen höchste Aufmerksamkeit. Dies galt sogar für Finn, den erst vierjährigen Bruder von Ann-Lauren aus Hungen, die während der gesamten Vorlesung den Klappstuhl mit ihm teilte. Warum springen Heuschrecken? Wie groß ist der größte Schmetterling? Warum juckt es, wenn mich eine Mücke sticht? Warum werden Raupen zu Schmetterlingen? Zwei Dutzend solcher Fragen hatte die Klasse 4a der Grundschule Aßlar mit ihrer Lehrerin Susi Biel im Vorfeld erarbeitet und der Gießener Zoologin zur Beantwortung vorgelegt. Mit fesselnden Bildern und Videosequenzen, vor allem aber mit ihrer jugendgemäßen Ausdrucksweise öffnete die Expertin ihren jungen Hörerinnen und Hörern den Blick für die Vielfalt, Schönheiten und die Besonderheiten von Schaben, Krabben, Spinnen, Grillen, Tausendfüßlern und vielem anderen "was sticht, zwickt und zwackt". Wie leicht riesige Vergrößerungen von mit einem Panzer und einer Schere bewehrten Krabbeltier auf Buchtitelblättern den Eindruck von "Aliens" erzeugen, quittierten die Kinder mit erstaunten Ausrufen. Viel Gelächter rief das Foto eines "mutigen Imkers" hervor, dessen Kopf von einem friedlichen Bienenschwarm eingehüllt war.

Der verbreiteten und zumeist unbegründeten Angst vor "zwei bis drei Millionen verschiedenen Insekten" stellte Trenczek Prachtexemplare an Buntheit und Leistungsfähigkeit entgegen: Wunderschöne Schmetterlinge, Spinnen mit dem hübschen Namen "bunny", eine Heuschrecke, die -- umgerechnet -- "von einem Fußballtor zum anderen" springt, aber auch vorzeitliche Libellen mit einer Flügelspannweite von mehr als einem Meter und Kraftpakete wie einen Käfer, der das 850-Fache seines Körpergewichts wegtragen kann oder die superstarke Ameise. Für Verblüffung sorgte die Expertin mit ihrem Hinweis, dass Zikaden mit 107 Dezibel die lautesten Insekten sind und damit zwischen dem Lärm von Lastwagen und einem startenden Düsenflugzeug liegen.

Ob der Exkurs in die Erdgeschichte bis zum Ursprung der Insekten, ob die "Kinderstube" von Honigbienen und Schmetterlingen, ob Sprache und Gesang der Insekten oder die Stiche von Mücken und den wegen ihrer acht Beine zu den Spinnentieren gehörenden Zecken -- jedem Detail lauschten die Schülerinnen und Schüler mit gespannter Neugier, oft gepaart mit einem erstaunten "Oh" oder einem befreiten Lachen. -- Gelungener Schlusspunkt der Kinderuni im Sommersemester 2005, auf die laut Günter Sikorski vom Organisationsteam im Wintersemester ab dem 29. November vier weitere Vorlesungen folgen sollen.