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Gießener Allgemeine vom 8.2.2006

Das "Fischstäbchen" war nicht leicht zu erkennen

"Justus' Kinderuni": "Warum geht meine Schwester auf Rädern?" - Letzte Vorlesung des Semesters - Studiumszertifikate

Gießen (cg). Behinderte und nichtbehinderte Kinder können eine Menge Spaß miteinander haben, da stimmte das junge Auditorium Prof. Reinhild Stöppler ohne Zögern zu. Die letzte Veranstaltung des Semesters der Reihe "Justus' Kinderuni" trug den Titel "Warum geht meine Schwester auf Rädern?" Die Referentin aus dem Fachbereich Heil- und Sonderpädagogik erläuterte den Jungen und Mädchen, wie es zu Beeinträchtigungen oder zum Verlust des Seh- und Hörvermögens kommt, wieso manche Kinder nicht laufen können und andere nicht so gut lernen. "Alle Kinder sind anders", erinnerte sie. Aber alle haben Stärken, mit denen sie die Schwächen ausgleichen können.

Gleich zu Beginn demonstrierte Prof. Stöppler, warum es so wichtig ist, unser kostbarstes Körperteil, das Gehirn, zu schützen: Packt man ein rohes Ei in eine stabile Hülle und lässt es zu Boden fallen, so passiert der empfindlichen Schale nichts, lässt man es jedoch ungeschützt, so zerbricht es. Einleuchtend also, warum man stets den Fahrradhelm benutzen sollte.

Die Referentin lud ihre Zuhörer ein, sich in die Welt eines behinderten Kindes zu versetzen: Wie mag es sein, wenn man nichts hört? Wie mag es sein, wenn man nichts sieht? Wie ist es, wenn man im Rollstuhl sitzt? Anhand von Schaubildern zeigte sie den Kindern, wie Auge, Ohr und Wirbelsäule funktionieren und dass die "Leitungen" zum Gehirn in Ordnung sein müssen. Sind sie dies nicht, kommt es zu Störungen. Kinder, die blind oder taub auf die Welt gekommen sind, können sich trotzdem gut orientieren, weil ihre anderen Sinne besonders geschärft werden. Und zudem gibt es Hilfsmittel, die das Leben erleichtern. Prof. Stöppler stellte die Blindenschrift vor und verteilte Karten mit Braille-Schrift, auf denen die Kinder ihre Namen ertasten konnten. Zudem erklärte sie, wie ein blindes Kind "erkennt", wo welche Speise auf dem Teller liegt: "Pommes auf fünf Uhr". Auch Gehörlose haben wichtige Hilfsmittel. Zwei Gebärdendolmetscherinnen zeigten Wörter wie Indianer, Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Zu erraten galt es dann das Wort "Fischstäbchen", was sich als gar nicht so einfach erwies.

Kinder, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, haben oft Probleme, weil es nicht überall eben ist und die Türen zu eng sind. Ihnen wird also ihr Leben unnötig schwer gemacht. Auch könnten sie auf dem Schulhof prima bei Fang- und Versteckspielen mitmachen, wenn es keine Barrieren gäbe. Kinder, die geistig behindert sind, da waren sich Referentin und Publikum einig, sollten trotzdem gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern lernen. Zum Abschluss der Vorlesung bekamen die Kinder, die alle vier Veranstaltungen besucht hatten, ein Zertifikat.

Wie mag es sein, nichts sehen zu können? Die Kinder ertasteten auf Karten mit Braille-Schrift ihre Namen.