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Gießener Anzeiger vom 1.12.2005

"Lerne so früh wie möglich Fremdsprachen"

Prof. Manfred Prinz ging bei der "Justus' Kinderuni" der Frage nach, "Warum sprechen Menschen unterschiedliche Sprachen?" -- Belohnung fürs Lernen

GIESSEN (fm). Bereits eine halbe Stunde vor Beginn der ersten Kindervorlesung des Wintersemesters 2005 harrten der neunjährige Nils Nau und seine gleichaltrige Cousine Lisa Mariekau aus Weitershain der Dinge, die da kommen sollten. Mit den Worten "Ihr werdet jetzt Kinderstudenten" hatte sie Nils' Opa zum Philosophikum II gefahren. Während die beiden zum ersten Mal an "Justus' Kinderuni" teilnahmen, hatten Lina und Anna aus der Korcakschule -- so wie die meisten der rund 200 "Hörerinnen und Hörer" -- schon im letzten Semester alle vier Kindervorlesungen besucht. Noch heute sind sie stolz auf das schmucke Zertifikat, das sie am Ende erhalten haben.

Zum Unterschied von der beim ersten Durchgang immer voll besetzten Aula im Unihauptgebäude konnte Dr. Jörg Klug diesmal deutlich weniger Gäste im Hörsaal 025 des Philosophikums begrüßen. Wie weit dabei die Vorweihnachtszeit, das unfreundliche Wetter und die Verkehrsverbindung eine Rolle gespielt haben, lässt sich nicht schlüssig beantworten. Mit viel Temperament und allerlei Überraschungen versuchte Prof. Manfred Prinz, polyglotter Afrika-Kenner und seit zehn Jahren in der Gießener Lehrerausbildung tätig, die Kinder für seine Leitfrage zu interessieren. "Warum sprechen Menschen unterschiedliche Sprachen?" stand in großen Lettern an der Stirnseite des Hörsaals. Dazu hatte Prinz schon im Vorfeld via Internet um Antworten des jugendlichen Publikums gebeten. Mit äußerst bescheidenem Erfolg.

Auch wenn der erfahrene Didaktiker rund 40 Minuten lang die Nachwuchs-Studierenden mit auf eine Reise nach Afrika, vorwiegend in den ihm bestens bekannten Senegal, nahm: Eine klare und überzeugende Antwort - so es eine solche überhaupt gibt - auf seine Schlüsselfrage konnte er nicht anbieten. Von Beginn an hatte er Arno Borsts vierbändige Buchkassette "Der Turmbau von Babel" weithin sichtbar auf dem Podiumstisch aufgebaut. Und kam anhand von künstlerischen Darstellungen dieses Ereignisses ganz zum Schluss ausführlicher darauf zu sprechen. Genau genommen, so Prinz, habe Gott den Menschen ihren tollkühnen Plan übel genommen, einen Turm bis in den Himmel zu bauen. Seine Strafe: "Dafür müsst ihr jetzt unterschiedliche Sprachen sprechen".

Zuvor war es dem weit gereisten Romanisten und Honorarprofessor in Salvador (Brasilien) gelungen, den Kindern ein Gefühl für "die Besonderheiten und Ähnlichkeiten" unterschiedlicher Sprachen zu vermitteln. Von den "5000 bis 10000 Sprachen der Welt" gebe es allein in Afrika rund 1000, betonte Prinz. Und obwohl rund ein Viertel der Menschheit Chinesisch spreche, werde es Englisch als Weltsprache nicht ablösen. Denn mit 50000 Zeichen ist das Chinesische "ganz schön schwer".

Dass neben dem gesprochenen Wort auch Gesten, Gebärden, Rauchzeichen, Trommeln und andere Methoden der Verständigung dienten, konnten zwei Gruppen von Kindern an "richtigen afrikanischen Trommeln" gleich im Hörsaal ausprobieren. Mit einem Märchen aus dem Senegal in der offiziell verbotenen Sprache Wolof machte Prinz deutlich, dass Sprache nicht nur die Voraussetzung für Freundschaft und Frieden ist, "sondern auch etwas Schlechtes machen kann". Bewusste oder unbewusste Missverständnisse führen oft zu Streit und Konflikten.

Jedes Kind habe ein Recht auf seine eigene Muttersprache, gab Prinz seinen kleinen Hörerinnen und Hörern mit auf den Weg. Und auch dieses: "Deine Muttersprache darfst du überall sprechen. Lerne so früh wie möglich Fremdsprachen. Lerne die Sprache deines/deiner Nachbarn. Lerne mindestens eine, besser mehrere, internationale Sprachen, zum Beispiel Englisch."

Zur Belohnung für die Mitarbeit der Kinder verteilten die Studentinnen Carolin Kling und Morina Kaps am Schluss der Kindervorlesung jede Menge Adventskalender. Prinz' Hinweis "Da ist für jeden ein Stück Schokolade drin" hätte es nicht bedurft. In wenigen Minuten waren alle 30 Kalender geplündert.