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Neue Sichtweisen auf planetare Politik

Abschlussjahrgang des Stipendienprogramms Planetary Scholars and Artists in Residence – Panel on Planetary Thinking der JLU gibt Denkanstöße und fördert innovative Ansätze

Nr. 42 • 4. April 2025

Berühmtes Foto von der aufgehenden Erde im Rahmen der Apollo-8-Mission, Dezember 1968. Das Foto stammt von der NASA.
Planetares Denken: In Zusammenarbeit mit internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen sowie Künstlerinnen und Künstlern treibt das Panel on Planetary Thinking der JLU ganzheitliche Perspektiven in Fragen rund um Planet-Mensch-Beziehungen voran. In diesem Kontext ist auch das Stipendienprogramm Planetary Scholars and Artists in Residence zu sehen (Bild von der aufgehenden Erde, aufgenommen von Astronaut Bill Anders am 24.12.1968). Foto: NASA
 
Wie lassen sich politische Ordnungen weiterentwickeln, indem ökologische und planetare Prozesse angemessen berücksichtigt werden? Das Panel on Planetary Thinking der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) widmet sich 2025 dieser Frage und beschließt damit das erfolgreiche vierjährige Stipendienprogramm „Planetary Scholars & Artists in Residence Program“. Der Abschlussjahrgang sucht nach Bausteinen einer planetaren Politik und fragt, wie Umwelt, Ökosysteme und nicht-menschliche Akteure in politische Prozesse einbezogen werden können – jenseits klassischer Gremien aus Expertinnen und Experten. 

Neue nachhaltige politische Konzepte sind nötiger denn je. Planetare Herausforderungen von der jüngsten Pandemie bis hin zum Klimawandel – etwa die prognostizierte Abschwächung der Atlantischen Umwälzzirkulation – machen sichtbar, dass politisches Handeln über kurzfristige Reaktionen hinausgehen und vorausschauendes Gestalten ermöglichen muss. Das Panel on Planetary Thinking vergibt daher von 2022 bis 2025 insgesamt acht Stipendien, um über innovative Forschungs- und Kunstprojekte Lösungsansätze zu fördern. 

Vier Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sind im Sommersemester 2025 zu Gast:

Die Künstlerin und Philosophin Ingvild Syntropia, Norwegen, und der Komplexitätsforscher und digitale Nomade Danilo Olivaz Vaz, Brasilien, entwickeln in ihrem Projekt Towards Symbiocracy – Nature’s AI-Avatars gemeinsam einen KI-Avatar, der ökologische Daten der Lahn in Gießen analysiert und als kommunikative Schnittstelle zur Reflexion über Umweltveränderungen dienen soll. Die Fellows planen, eng mit lokalen Initiativen wie Lila-Living Lahn und Lahn CleanUp zusammenzuarbeiten.

Sophie von Redecker schlägt in ihrer Dissertation an der JLU das neue Forschungsfeld der „Agrarian Humanities“ vor, das landwirtschaftliche Praktiken mit Ansätzen aus den Environmental Humanities und dekolonialer Wissenschaftskritik verknüpft. In ihrem Projekt Planetary Agency Within the Human – An Un/learning Through Peasant Knowledges verwischt sie die Grenzen zwischen akademischem Wissen und kleinbäuerlicher Praxiserfahrung. Sie untersucht, welche Wissensformen in kleinbäuerlichen Landwirtschaftspraktiken verankert sind und welche Impulse sie für planetare Politik liefern können. Ihre Promotion in den Ökologischen Agrarwissenschaften wird durch ein Stipendium der Rosa-Luxenburg-Stiftung unterstützt.

Erle Ellis, Professor für Geographie und Umweltwissenschaften an der University of Maryland, Baltimore County, USA, renommierter Landschafts-Ökologe und Anthropozän-Experte, erforscht, wie sich Mensch-Natur-Beziehungen verbessern lassen. In seinem Projekt Exploring An Aspirational Approach to Planetary Futures widmet er sich der Entwicklung von Messinstrumenten zum gesellschaftlichen Fortschritt in der Qualität gegenseitig vorteilhafter Mensch-Natur-Beziehungen. Sein Ziel ist es, in der Umgestaltung unserer Zukunft über traditionelle wirtschaftliche Indikatoren hinauszugehen. Er will Ansätze entwickeln, die eine florierende, gerechte und nachhaltige Koexistenz mit natürlichen Systemen ermöglichen.

Panel on Planetary Thinking 

Das Panel on Planetary Thinking regt ganzheitliche Perspektiven in Forschung und Lehre rund um das Thema Nachhaltigkeit an. Dazu arbeitet es jenseits disziplinärer Grenzen an Projekten rund um Planet-Mensch-Beziehungen. Nachdem in den ersten drei Jahren des Stipendienprogramms die theoretischen Grundlagen des Planetaren – „Planetary Materials,“ „Planetary Spaces,“ und „Planetary Times“ – unter die Lupe genommen wurden, konzentriert sich der abschließende Jahrgang darauf, die Theorie in die Praxis zu überführen. Formen der Planeten-Gestaltung in der nicht-menschlichen Welt („Planetary Agency“) sollen sicht- und hörbar gemacht werden. Es geht darum zu ergründen, welche politischen Strukturen oder Institutionen es bräuchte, um Politik mit der Erde zu betreiben („Planetary Politics“).

Prof. Dr. Frederic Hanusch, wissenschaftlicher Direktor des „Panel on Planetary Thinking” und Professor für Planetaren Wandel und Politik am Fachbereich 09 – Agrarwissenschaften, Ökotrophologie und Umweltmanagement der JLU, freut sich auf die Gäste und ihre Projekte: „Die aufstrebende Disziplin der ‚Agrarian Humanities‘ veranschaulicht den gewinnbringenden Brückenschlag zwischen Natur- und Geisteswissenschaften. Das Fellowship-Programm bietet die Möglichkeit, Konzepte zu erarbeiten, die alternative Formen der politischen Teilhabe erkunden.“ „Ein weiterer Brückenschlag – und zwar zwischen Technologie und Planet – soll durch den KI-Avatar für die Lahn geschlagen werden,“ ergänzt die wissenschaftliche Geschäftsführerin des Panels, Dr. Liza B. Bauer: „Der Avatar soll zeigen, dass Umweltzustände mit Hilfe von Technologie nicht nur überwacht, sondern auch als aktive Teile in den gesellschaftlichen Diskurs integriert werden können.“ Prof. Dr. Claus Leggewie, Mitbegründer des Panels und Inhaber der Ludwig-Börne-Professur an der JLU, erhofft sich eine nachhaltige Wirkung: „Die Untersuchung planetarer Politik erfordert einen interdisziplinären Ansatz, der Wissenschaft, Kunst und Praxis zusammenbringt. Die Fellows bringen unterschiedliche Perspektiven ein, um neue Möglichkeiten des Zusammenlebens mit der Erde auszuloten.“

  • Termine

Die ersten Veranstaltungen im Rahmen des diesjährigen Programms sind in Planung: Im Juni wird der KI-Avatar für die Lahn vorgestellt. Ein Workshop zu „Agrarian Humanities“ und ihrer Bedeutung für Nahrungssysteme ist in Arbeit. Vom 18. bis zum 20. November wird eine Abschlusskonferenz im Schloss Rauischholzhausen die Ergebnisse der Stipendiatinnen und Stipendiaten zusammenführen und einen Ausblick auf künftige Forschungsfragen geben.    

  • Weitere Informationen

https://www.uni-giessen.de/de/fbz/planetarythinking/fellowshipprogram/fellowsagency
https://www.uni-giessen.de/planetarythinking
    

  • Kontakt
    Dr. Liza B. Bauer
    Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Panel on Planetary Thinking
    Liebigstraße 35, 35392 Gießen
    Telefon: 0641 99-16190; E-Mail: liza.bauer

    
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