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Immunabwehr gegen Hodenkrebs

Team der Universitäten Gießen und Monash (Australien) erforscht immunologische Behandlungsmöglichkeiten von Hodentumoren – Mögliche Alternativen zur Chemotherapie

Nr. 156 • 17. August 2017

Hodenkrebs gehört bei Männern zwischen 20 und 45 Jahren zu den häufigsten Krebserkrankungen. Zwar ist Hodenkrebs bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung in 95 Prozent der Fälle heilbar. Die mitunter damit einhergehende Chemotherapie führt jedoch dazu, dass rund ein Drittel der Patienten nach der Behandlung unfruchtbar ist. Um diese und andere Nebenwirkungen von Chemotherapien zu vermeiden, beschäftigt sich die Forschung verstärkt mit der Entwicklung von tumorzellspezifischen sowie individualisierten Behandlungsmethoden. Auch Dr. Britta Klein widmet sich an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) mit den Immuncharakteristika humaner Hodentumoren. Ihre Dissertation absolvierte sie im Rahmen des DFG-geförderten Internationalen Graduiertenkollegs Gießen-Monash „Molecular Pathogenesis of Male Reproductive Disorders“ (IGK/GRK 1871). Dieser deutsch-australischen Forschungskooperation (International Research Training Group) wurde kürzlich eine zweite Förderperiode bewilligt.

Im Fokus ihrer Forschungsarbeiten steht das Immunsystem. Denn der Hoden ist im Hinblick auf sein immunologisches Milieu sehr besonders. Er gehört zu den sogenannten „immunpriviligierten Organen“: Die sich im Hoden entwickelnden Spermien sind in besonderem Maße durch anatomische Strukturen vor äußeren Einflüssen und auch vor dem körpereigenen Immunsystem geschützt. Unter normalen Bedingungen befinden sich daher nur wenige Immunzellen im Hoden, darunter hauptsächlich Makrophagen und Mastzellen und nur in geringem Maße Lymphozyten. Das Auftreten von Hodentumoren geht jedoch in den meisten Fällen mit einer prominenten Einwanderung bzw. Präsenz von verschiedensten Immunzelltypen (vornehmlich Lymphozyten) einher, was den Zusammenbruch des Immunprivilegs verdeutlicht. Ob diese Lymphozyten allerdings der Tumorbekämpfung  dienlich sind oder aber den Hodentumor beim Wachstum und Überleben unterstützen, ist bisher unklar.

Britta Klein hat in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Martin Bergmann (Institut für Veterinär-Anatomie, -Histologie und -Embryologie der JLU), Prof. Dr. Hans-Christian Schuppe, Prof. Dr. Wolfgang Weidner, Prof. Dr. Florian Wagenlehner (alle Klinik für Urologie, Kinderurologie und Andrologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg) und Prof. Dr. Sabine Kliesch (Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie, Universitätsklinikum Münster) Gewebeproben von Hodentumoren verschiedener Stadien untersucht. Dabei zeigte sich, dass bestimmte hochspezialisierte Immunzelltypen in besonderem Maße an der Infiltrierung der Tumoren beteiligt sind. Bereits in den Frühstadien von Hodentumoren konnten sogenannte dendritische Zellen als typische „Wächterzellen“ identifiziert werden, wohingegen die antikörperproduzierenden Lymphozyten (B-Zellen) erst in manifesten Tumoren auftreten.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten außerdem fest, dass sich in der Umgebung von Hodentumoren viele Signal- und Botenstoffe finden lassen, die Entzündungsreaktionen auslösen, unterstützen und aufrechterhalten können. Ein solches entzündungsförderliches Milieu kann ein weiteres Wachstum und die Ausbreitung von bestimmten Tumoren begünstigen.
 
Aufgrund ihrer Einbindung in die International Research Training Group Gießen-Monash hat Britta Klein auch Experimente in Australien durchgeführt. In Kooperation mit Prof. Kate Loveland, Ph.D. (Monash University, Melbourne), Prof. Bruce Loveland, Ph.D. (Burnet Institute, Melbourne) und Prof. Mark Hedger (Hudson Institute of Medical Research, Melbourne) konnte sie zeigen, dass künstlich in Kultur wachsende Hodentumorzellen maßgeblich an der Etablierung des sie umgebenden Milieus beteiligt sind. Dieses Milieu hat eine ähnliche Zusammensetzung wie das Milieu von Hodentumor-Gewebeproben. Es ist daher durchaus möglich, dass dieses entzündungsförderliche Milieu auch im Fall von Hodentumoren eine tumorunterstützende Eigenschaft besitzt.

Die in Gießen und Melbourne durchgeführten Untersuchungen zeigen außerdem, dass ein bestimmter Entzündungsparameter, das sogenannte Interleukin-6, in Hodentumoren sehr präsent ist. Es könnte somit ein wichtiger Faktor für das Wachstum und die Metastasierung der Hodentumoren sein – eine Eigenschaft des Interleukin-6, die bereits in Verbindung mit anderen Tumorarten (darunter Prostata-, Eierstock- und Brustkrebs) festgestellt wurde.

„Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass auch bei Hodentumorpatienten eine immunologische Therapie als zusätzliche Behandlungsform denkbar wäre“, so Dr. Britta Klein. „In einem nächsten Schritt wollen wir nun untersuchen, ob eine Blockade des Interleukin-6 -Signalweges einen Einfluss auf Wachstum und Invasion von Hodentumorzellen hat.“

  • Weitere Informationen

http://gepris.dfg.de/gepris/projekt/214322699

  • Kontakt


Institut für Anatomie und Zellbiologie
Aulweg 123, 35385 Gießen
Telefon: 0641 99-47033

Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, Telefon 0641 99-12041

Schlagwörter
Forschung