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Gesundheitsrechtliches Praktikerseminar: Spätabbrüche, pränatale Diagnostik und Transplantationsgesetz im Fokus

Die Fachbereiche Rechtswissenschaft und Medizin kooperieren bei neuer interdisziplinärer Veranstaltungsreihe – Start am 2. November 2016

Nr. 200 • 27. Oktober 2016

Praktikerseminare haben am Fachbereich 01 – Rechtswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) Tradition. Sie werden im Umwelt- und Arbeitsrecht und in den Kriminalwissenschaften bereits seit langem erfolgreich angeboten. In diesem Wintersemester wird es ein neues Angebot geben, das der Fachbereich Rechtswissenschaft gemeinsam mit dem Fachbereich 11 – Medizin anbietet: Fächerübergreifend wird in einem weiteren Praktikerseminar das Gesundheitsrecht behandelt. Veranstaltet wird es von Prof. Dr. Steffen Augsberg (FB 01), Prof. Dr. Dr. Reinhard Dettmeyer (FB 11), Prof. Dr. Patrick Gödicke (FB 01) und Prof. Dr. Bernhard Kretschmer (FB 01).

Das Seminar ist einerseits eine Ergänzung der im „Zertifikatskurs Gesundheitsrecht“ gebündelten Lehrveranstaltungen der Organisatoren, vor allem aber ein Forum, das den intensiven Austausch der unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen von Wissenschaft und Praxis ebenso ermöglicht wie die interdisziplinäre Verständigung der von gesundheitsrechtlichen Fragestellungen berührten Fächer. Es richtet sich an Studierende und Doktorandinnen und Doktoranden der Rechtswissenschaft und der Medizin sowie an alle, die in Praxis und Wissenschaft mit dem Zusammenwirken rechtlicher und medizinischer Aspekte zu tun haben. Die Veranstaltungen stehen aber auch anderen Interessierten offen.

Zum Auftakt des Gesundheitsrechtlichen Praktikerseminars am Mittwoch, 2. November 2016, spricht Prof. Dr. Dr. Reinhard Dettmeyer, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der JLU und am Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, zum Thema „Spätabbrüche gemäß § 218a Abs. 2 StGB – praktische und rechtliche Aspekte“. Der Gesetzgeber hat nach der Abschaffung der embryopathischen Indikation im Jahre 1992 für einen Schwangerschaftsabbruch gemäß § 218a Abs. 2 StGB die „schwerwiegende Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren“ im Falle eines Austragens der Schwangerschaft grundsätzlich als Indikation für eine Beendigung der Schwangerschaft mittels intrauterinem Fetozid bzw. Spätabbruch zugelassen. Im Gesetz sind jedoch eine Reihe von Voraussetzungen genannt, unter anderem muss die schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigung der Schwangeren „nach ärztlicher Erkenntnis“ gegeben sein. In der praktischen Umsetzung ergeben sich offene Fragen zu Art und Umfang der Diagnostik, Beratung und Hilfestellung. Diese Aspekte und aktuelle Daten zur Praxis des Spätabbruchs werden angesprochen bzw. präsentiert.

Prof. Dr. Dr. Dettmeyer studierte Humanmedizin und Rechtswissenschaft, ist Facharzt für Pathologie und Rechtsmedizin und leitet seit 2007 das Institut für Rechtsmedizin der JLU bzw. am Universitätsklinikum Gießen & Marburg GmbH. Er ist Mitglied der Ethikkommission des Fachbereichs Medizin der JLU und stellvertretendes Mitglied der Ethikkommission der Landesärztekammer Hessen.

Die zweite Veranstaltung am 7. Dezember 2016 gestalten Prof. Dr. Bernhard Kretschmer (Professur für Strafrecht und Strafprozessrecht) und sein Doktorand Nils Borchert zum Thema „Rechtsfragen pränataler Behandlung – unter besonderer Berücksichtigung fetalchirurgischer Eingriffe“. Mithilfe moderner Ultraschall- und Screeningverfahren lassen sich Erkrankungen oder Fehlbildungen des ungeborenen Lebens häufig schon früh diagnostizieren. Das wirft nicht selten die Frage des Schwangerschaftsabbruchs auf, eröffnet aber auch pränatale Möglichkeiten der Prävention sowie der medikamentösen oder chirurgischen Intervention. Derartige Behandlungen zielten jedoch nicht allein auf den Fötus, sondern betreffen zugleich stets auch den Körper der werdenden Mutter. Der Vortrag wird sich mit Rechtsfragen und ethischen Implikationen solcher Intervention befassen. Dabei geht es etwa um spezifische Risiken der neuartigen Methoden sowie die – im Ausland längst diskutierte – Frage, ob und inwieweit die Schwangere verpflichtet ist, die pränatale Behandlung zu erdulden.

Prof. Dr. Kretschmer hat die Professur für Strafrecht und Strafprozessrecht  an der JLU inne. Er ist Mitglied der medizinischen Ethikkommission der JLU, Ethikbeirat eines großen Einrichtungsträgers sowie Klinischer Ethik-Komitees. Nils Borchert ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Kretschmer und seit 2016 auch Rechtsreferendar am Landgericht Darmstadt. Er arbeitet an einer Dissertation zum Thema Fetalchirurgie.

Rechtliche Aspekte der Transplantationsmedizin stehen im Fokus der Abschlussveranstaltung im Wintersemester am 25. Januar 2017. Prof. Dr. Steffen Augsberg (Professur für Öffentliches Recht) beleuchtet das Thema „Das Transplantationsregistergesetz und die intensiv(iert)e Datennutzung in der Transplantationsmedizin“. Die Transplantationsmedizin ist in besonderer Weise auf valide Daten angewiesen, weil nur eine optimale Abstimmung von Spenderorgan und Organempfänger bestmögliche Ergebnisse garantiert. Das am 1. November 2016 in Kraft tretende Transplantationsregistergesetz soll hierzu einen wichtigen Beitrag leisten; es zielt unter anderem auf die „Verbesserung der Datengrundlage für die transplantationsmedizinische Versorgung, für die transplantationsmedizinische Forschung sowie für die Weiterentwicklung der Qualitäts- und Sicherheitsstandards“. Der Vortrag stellt diese Neuregelungen in den Zusammenhang der allgemeineren Diskussion um „Big Data“ im Gesundheitssystem, die bisherigen Datennutzungen im Transplantationsbereich sowie der vorhandenen normativen Strukturen und beleuchtet die gerade anhand der Gesetzesnovelle (wieder) klar hervortretenden Regelungsdefizite.

Prof. Dr. Augsberg hat eine Professur für Öffentliches Recht an der JLU inne. Seit April 2016 ist er Mitglied des Deutschen Ethikrates.

Alle Veranstaltungen finden um 18.15 Uhr in Raum 052 im neuen Hörsaalgebäude des Campusbereichs Recht und Wirtschaft (Licher Straße 68) statt. Die Teilnahme ist kostenfrei.

Termine
2. November 2016, 18.15 Uhr
Prof. Dr. Dr. Reinhard Dettmeyer (Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der JLU und am Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH)
Spätabbrüche gemäß § 218a Abs. 2 StGB – praktische und rechtliche Aspekte

7. Dezember 2016, 18.15 Uhr
Prof. Dr. Bernhard Kretschmer und  Nils Borchert (beide Professur für Strafrecht und Strafprozessrecht)
Rechtsfragen pränataler Behandlung – unter besonderer Berücksichtigung fetalchirurgischer Eingriffe

25. Januar 2017, 18.15 Uhr
Prof. Dr. Steffen Augsberg (Professur für Öffentliches Recht)
Das Transplantationsregistergesetz und die intensiv(iert)e Datennutzung in der Transplantationsmedizin

Ort: Hörsaalgebäude des Campusbereichs Recht und Wirtschaft (Raum 052), Licher Straße 68, 35394 Gießen

  • Weitere Informationen

www.uni-giessen.de/fbz/fb01/professuren/augsberg/gps
https://lists.uni-giessen.de/sympa/info/gps-newsletter (Newsletter zum Gesundheitsrechtlichen Praktikerseminar)

  • Kontakt


Professur für Öffentliches Recht
Hein-Heckroth-Straße 5, 35390 Gießen
Telefon: 0641 99-21090

Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, Telefon 0641 99-12041