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Der Fachbereich trauert um Prof. Dr. Manfred Aschke

In Memoriam

Prof. Dr. Manfred Aschke, vormalig Präsident des Thüringer Verfassungsgerichthofes und Vorsitzender Richter am Thüringer Oberwaltungsgericht

Am 23. März 2023 ist unser langjähriger und hochgeschätzter Kollege, Prof. Dr. Manfred Aschke weit vor seiner Zeit verstorben.  Herr Aschke hat mit seiner hochgelobten Dissertation und seiner ebenfalls herausragenden Habilitationsschrift bedeutende Leistungen geschaffen, die nicht nur seine eigene wissenschaftliche Ausstrahlung, sondern auch die des rechtswissenschaftlichen Fachbereichs  der Justus-Liebig-Universität geadelt haben. Seine früh gefundene Treue zu Gießen führte ihn von 1974 bis 1979 als wissenschaftlichen Assistenten und seit 1987 als Dozent und seit 2003 als Professor in das Kollegium der Hochschullehrer, in dem er Jahr für Jahr die Vielfalt aller Zweige des öffentlichen Rechts betreute. Sein Einsatz war besonders bewunderungswürdig, weil seine steile Karriere in der hessischen und thüringer Justiz, die ihn zuletzt bis zum Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes führte, ungemein hohe Leistungsbereitschaft gefordert hatte. Die glückliche Verbindung zwischen wissenschaftlichem Anspruch und verfassungs- wie verwaltungsgerichtlicher Praxis hat ihn zu einem hoch geachteten Universitätslehrer und Richter werden lassen, den wir alle sehr vermissen werden.

Erster wissenschaftliche Schwerpunkt seiner Werke war seine weit ausgreifende Dissertation zu der bis heute brisanten verfassungsrechtlichen Problematik gesetzlicher Übergangsregelungen. Sie hat für einen ersten Aufschlag den ungewöhnlichen Umfang von 488 Seiten. Die meisten seiner damals weit vorpreschenden Thesen haben inzwischen fast durchgängige Gefolgschaft in der Judikatur und Literatur gefunden. Letztlich liegt der Rückwirkungsfrage eine nachträgliche Enttäuschung vorher bestehender Aneignungsrechte und verbürgter Verteilungschancen zugrunde. Die Arbeit liefert die erstmalige dogmatische Fundierung anhand der Eigentumsgarantie und entwickelt so den verfassungsrechtlichen Zugriff auf normative Gewährleistungen und die damit einhergehenden grundgesetzlichen Schranken.

Den hohen gedanklichen Anspruch, dem diese Argumenationslinien folgen, verwirklicht Herr Aschke in seinem zweiten großen Werk über „Kommunikation, Koordination und soziales System“. Hier werden die theoretischen Grundlagen für die Erklärung der Evolution von Kultur und Gesellschaft - ausgehend von zwei der wichtigsten Innovationen der Human- und Sozialwissenschaften des 20. Jahrhunderts, der Systemtheorie Niklas Luhmanns und der Kognitionstheorie Jean Piagets - hinterfragt und einer eigenständigen Synthese von System- und Handlungsebene zugeführt, um die Entstehung sozialer Ordnungen zu erklären. Die Begründung folgt dem Grundmodell der biologischen Evolutionstheorie und deutet kulturelle und soziale Entwicklungsprozesse als handlungsgesteuertes Verfahren. Dieser Weg erlaubt es, die vom Grundgesetz geforderte Offenheit des Kommunikationssystems für externe Selektionsanstöße als Spiegelbild anthropogener Befindlichkeit zu deuten. 

Neben diese großen Werke tritt eine Vielzahl inhaltlich breit gespannter Publikationen zum Verwallungsrecht, in denen die langjährige richterliche Erfahrung und Reflexion ihren fruchtbaren Niederschlag gefunden hat: Schriften zum Baurecht, zum Verwaltungsverfahrensrecht und zur Verwaltungsgerichtsordnung. Hinzutreten inhaltsreiche Arbeiten zu Mitbestimmung und Integration, zur Verfassungsgerichtbarkeit und politischen Praxis, zu Transformationslast und Fehlertoleranz des Verwaltungsrechts, zur Evolutionstheorie für das Recht der Marktgesellschaft, zur Gewaltenteilung und verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte, zu theoretischen Aspekten des Transfers von Recht und juristischem Personal, zu Gewaltenteilung und verwaltungsgerichtlicher Kontrolldichte und zur Verteidigung der universellen Gleichheit des Menschen. Auch wenn diese wissenschaftliche Ernte überaus reich ist: Sein früher Tod lässt unsere Hoffnung auf das große opus magnus sapientiae leider unerfüllt.

Friedrich von Zezschwitz

14. April 2023

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