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Prof. Dr. Sven Simon behält seinen Doktortitel

JLU schließt Verfahren zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis ab – Drei externe Gutachten eingeholt

Nr. 139 • 22. September 2023
Die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) hat entschieden, Prof. Dr. Sven Simon den Doktortitel nicht zu entziehen. In einem Verfahren zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis hatte die JLU seit April 2021 seine Dissertation „Liberalisierung von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge im WTO- und EU-Recht“ aus dem Jahr 2009 eingehend überprüft. Gegen die im vergangenen Herbst getroffene Entscheidung des Promotionsausschusses des Fachbereichs Rechtswissenschaft, wonach Prof. Simon der Titel aberkannt werden sollte, hatte der Betroffene Widerspruch eingelegt. Der Präsident der JLU hat vor seiner abschließenden Entscheidung drei externe Gutachten eingeholt: Alle drei kommen zu dem Ergebnis, dass der Entzug des Doktorgrades im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt sei. 
 
Den Gutachten zufolge war der Tatbestand für eine Entziehung des Doktorgrades nicht erfüllt, da dieser eine Täuschung im wesentlichen Umfang voraussetzt. Der Großteil der vom Promotionsausschuss monierten Stellen könne zwar einen Verstoß gegen wissenschaftliche Zitiergepflogenheiten darstellen, jedoch kein für den Entzug des Doktorgrades erforderliches Plagiat. Ein Plagiat setze voraus, dass fremde Gedanken und Ideen als eigene ausgegeben würden und damit keine für eine Promotion erforderliche eigenständige Leistung mehr vorliege, was hier nicht der Fall sei. Die wenigen in diesem Fall tatsächlich zu beanstandenden Stellen bezögen sich nicht auf den wissenschaftlichen Kernbereich der Arbeit und hätten nur eine sehr geringe inhaltliche Bedeutung.
 
Der JLU-Präsident als Widerspruchsbehörde hatte sich nach dem Widerspruch des Betroffenen dazu entschieden, externe Expertise von renommierten Juristinnen und Juristen hinzuzuziehen. In diesem Zusammenhang wurden von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Juliane Kokott (Generalanwältin am Gerichtshof der Europäischen Union), Prof. Dr. Max-Emanuel Geis (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) und Prof. Dr. Bernd Grzeszick (Universität Heidelberg) umfassende Gutachten angefertigt, die zur gleichen Gesamtbeurteilung gelangen. 
 
Die Widerspruchsbehörde hat sich diese Gesamtbeurteilung und die ihr zugrundeliegende Argumentation zu eigen gemacht. Zuvor war die Entscheidung des Promotionsausschusses in Fachkreisen intensiv diskutiert worden; es gingen unaufgeforderte Stellungnahmen aus ganz Deutschland bei der JLU ein. Aufgrund der offenkundigen Uneinigkeit über die Gepflogenheiten und Zitierregeln im Fach Rechtswissenschaft war es in diesem Fall geboten, vor einer endgültigen Entscheidung weitere unabhängige fachliche Expertise einzuholen. 
 
„Ich danke den an diesem Verfahren Beteiligten für ihre sorgfältige Arbeit“, erklärte JLU-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee. „Im Lichte dieses Verfahrens erlaube ich mir die Anregung, innerhalb der Rechtswissenschaft eine systematische Diskussion über die Standards und Usancen des Zitierens zu führen. Eine Klarheit über die entsprechenden Regeln liegt im Interesse aller promovierten Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtwissenschaftler in Deutschland.“
 
Der Promotionsausschuss hatte mit seiner Entscheidung vom letzten November die Empfehlungen der Kommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis aufgegriffen, die mit ihrem Abschlussbericht vom 21. Dezember 2021 und den darin enthaltenen Empfehlungen das Verfahren an den Promotionsausschuss überwiesen hatte. Als vorwiegend fachfremd besetztes Gremium hatte die Kommission davon abgesehen, eine eigene Ermessensentscheidung zum Titelentzug zu treffen.
 
Die Vorwürfe waren Mitte April 2021 zunächst bei der Ombudsperson der JLU eingegangen und wurden – nach einer Vorprüfung durch die Ombudsperson – von der Kommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis untersucht. Der Betroffene hatte zwischenzeitlich die JLU selbst um die Überprüfung der Vorwürfe gebeten. 

 

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