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Erinnerungen an den Holocaust in Musik

Mit Teilen seiner Jazz-Oper „Dear Erich“ gastiert der New Yorker Komponist Ted Rosenthal am 8. November 2023 in Gießen – Sein Vater Erich Rosenthal wurde im Nationalsozialismus der Gießener Universität verwiesen – Vortrag und Projekt zur Erinnerungskultur

Nr. 154 • 19. Oktober 2023

Das Projektteam am Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik (v.l.): Merlin Niklosz, Berthold Möller, Petra Dietz, Dr. Sabine Schneider-Binkl, Steffen Peter, Johannes Kühn. Foto: Angelika Unger
Der New Yorker Jazz-Pianist und Komponist Ted Rosenthal ist vom 6. bis 8. November 2023 zu Gast am Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU). Er ist der Sohn des ehemaligen Studierenden Erich Rosenthal, der im Jahr 1933 der Universität Gießen verwiesen wurde, da er Jude war. Ted Rosenthal hat im Jahr 2018 die Jazz-Oper „Dear Erich“ komponiert. Deren Basis sind Briefe zwischen seinem Vater, der in die USA emigrieren konnte, und dessen in Deutschland zurückgebliebener Familie, die dem Holocaust im Konzentrationslager Sobibor zum Opfer fiel. Mittlerweile verbindet Ted Rosenthal eine vielfältige Zusammenarbeit mit dem Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik.

Im Mittelpunkt seines Besuchs steht ein Konzert des Ted Rosenthal Trios am 8. November 2023 um 19.30 Uhr im Hermann-Levi-Saal – Konzertsaal im Rathaus (Berliner Platz 1, Gießen). Das Trio – Ted Rosenthal (Piano), Martin Wind (Bass) und Hans Braber (Drums) – spielt auch Kompositionen aus der Jazz-Oper „Dear Erich“. Der Eintritt ist frei. Zudem gibt Rosenthal am Vortag des Konzerts einen Jazz-Workshop für Studierende des Instituts. 

Ein Vortrag von Ted Rosenthal zum Thema „Dear Erich – history and memories in music“ mit anschließender Podiumsdiskussion findet am 7. November 2023 um 19.30 Uhr im Saal des Instituts für Musikwissenschaft und Musikpädagogik statt (Karl-Glöckner-Straße 21D, Gießen). An der Podiumsdiskussion nehmen neben dem Gast aus New York teil: Prof. Dr. Hannah Ahlheim (Professur für Zeitgeschichte), Prof. Dr. Sascha Feuchert (Professur für Holocaustliteratur), Dr. Sabine Schneider-Binkl (Vertretung der Professur für Musikpädagogik), Boris Wilde (Student der Fächer Musik und Politikwissenschaft für das Lehramt an Gymnasien) und Lucas Auradniczek (Student der Angewandten Musikwissenschaft). Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt. Auch hier ist der Eintritt frei. 

Aufgrund der Verbindung seines Vaters mit der Universität Gießen hatte Ted Rosenthal Kontakt mit dem Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik der JLU aufgenommen und den Wunsch zu einer künstlerischen und pädagogischen Zusammenarbeit geäußert. „So entstand die Möglichkeit, Ted Rosenthal mit seinem Werk in Gießen zu begrüßen und im übertragenen Sinne auch seinen Vater Erich an die Gießener Universität zurückzuholen“, sagt Dr. Sabine Schneider-Binkl. 

Eine Arbeitsgruppe der Musikpädagogik unter ihrer Leitung hatte die Idee, das Werk und die Zusammenarbeit mit Ted Rosenthal in ein größeres Konzept einzubetten. Daraus entwickelte sich ein interdisziplinäres Projekt mit dem Titel „Musikpädagogik, Erinnerungskulturen und Demokratiebildung“, an dem unter anderem Prof. Dr. Sascha Feuchert, Prof. Dr. Hannah Ahlheim und Dr. Ariana Philipps-Hutton (Lecturer in Global Critical and Cultural Study of Music, University of Leeds, UK) beteiligt sind. Bereits im Sommersemester 2023 wurden Ted Rosenthal und sein Werk „Dear Erich“ in einer interdisziplinären Veranstaltungsreihe und einem Seminar vorgestellt.

Für das Institut für Musikwissenschaft und -pädagogik hat die Begegnung mit Ted Rosenthal die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ins Rollen gebracht. Das Projekt zeigt die Bedeutung des Erinnerns an die NS-Zeit und macht durch das musikalische Werk Wirklichkeit künstlerisch erfahrbar. In Zeiten des Erstarkens von Rechtsextremismus und Diskriminierung verdeutlicht es zudem, wie wichtig es ist, für die Demokratie einzutreten. „Die Musikpädagogik legt mit diesem Projekt einen besonderen Fokus auf die Förderung der Demokratie und übernimmt damit gesellschaftliche Verantwortung“, so Schneider-Binkl.

Ted Rosenthal

Ted Rosenthal wurde 1959 in der Nähe von New York geboren. Im Jahr 2015 entdeckte er rund 200 Briefe, geschrieben zwischen 1938 und 1941 von Erich Rosenthals Mutter an ihren Sohn. Darin berichtet sie von der zunehmenden Diskriminierung und Entrechtung von Jüdinnen und Juden sowie von der immer größer werdenden Bedrängnis und Verfolgung der Familie durch die Nazis. Alle diese Schriftstücke beginnen mit der Anrede „Lieber Erich“. Aus diesen Briefen entwickelte Ted Rosenthal das Libretto für die Komposition seiner Jazz-Oper „Dear Erich“. Sie ist ein Auftragswerk der New York City Opera und wurde dort am 9. Januar 2019 uraufgeführt.

Ted Rosenthal gehört zu den international führenden Jazz-Pianisten und Komponisten seiner Generation. Gleichermaßen profiliert wie im Jazz bewegt er sich auch an der Schnittstelle zu Klassik und zeitgenössischer Musik. Mit seinem Trio tourt er weltweit. Internationale Bekanntheit erlangte er als Pianist von Jazz-Legende Gerry Mulligan. Ted Rosenthal hat als Leader 15 CDs veröffentlicht. Dort widmet er sich Eigenkompositionen und Standards und überträgt Werke der Klassik und Romantik in Jazz-Kontexte. Ted Rosenthal studierte klassisches Klavier an der Manhattan School of Music und entwickelte parallel dazu sein Jazzspiel. Als Dozent für Jazz-Piano lehrt er an der Juilliard School und der Manhattan School of Music New York City.

  • Termine

Dienstag, 7. November 2023, 19.30 Uhr
Vortrag von Ted Rosenthal zum Thema „Dear Erich – history and memories in music“ und Podiumsdiskussion mit Ted Rosenthal, Prof. Dr. Hannah Ahlheim, Prof. Dr. Sascha Feuchert, Dr. Sabine Schneider-Binkl sowie den Studierenden Lucas Auradniczek und Boris Wilde
Ort: Saal im Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik, Karl-Glöckner-Straße 21D, Gießen

Mittwoch, 8. November 2023, 19.30 Uhr
Konzert des Ted Rosenthal Trios (Ted Rosenthal / Piano, Martin Wind / Bass, Hans Braber / Drums)
Ort: Hermann-Levi-Saal – Konzertsaal im Rathaus, Berliner Platz 1, Gießen

Der Eintritt für beide Veranstaltungen ist frei.

  • Kontakt
    Dr. Sabine Schneider-Binkl
    Institut für Musikwissenschaft und -pädagogik
    Telefon: 0641 99-25102
    E-Mail: Sabine.Schneider-Binkl

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